Zweifelhafte Wirksamkeit
Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (2. Juli 2022) zu Corona-Maßnahmen/Sachverständigenrat
Fulda (ots)
Wenn der mit Spannung erwartete Bericht des Sachverständigenrats zu den Corona-Maßnahmen die Marschroute für die Politik im Herbst vorgeben sollte, dann lässt sich daraus nur der Schluss ziehen, bei künftigen Einschränkungen allergrößte Vorsicht walten zu lassen. Denn die Wirksamkeit vieler Maßnahmen, die die Politik den Bürgern in den vergangenen Monaten aufgebürdet hat, ist nicht bewiesen und lässt keinerlei Rückschlüsse darauf zu, ob sie im Falle einer neuen Welle Ende des Jahres helfen würden.
Rückblickend könnte man interpretieren: Die milliardenschweren Schäden, die die Volkswirtschaft durch Lockdowns und andere Maßnahmen genommen hat, die gesellschaftlichen Wunden, die der Streit um die Pandemiebekämpfung gerissen hat, wären womöglich vermeidbar gewesen.
Nun sind wir alle in einer Situation, für die es keine Blaupause gibt - und welcher Politiker will sich nachsagen lassen, etwas versäumt zu haben und dadurch vielleicht für den Tod von vielen Menschen verantwortlich gewesen zu sein? Insofern war und ist die Abwägung zwischen der Anordnung von Maßnahmen zur Infektionsabwehr und der Wahrung von Freiheitsrechten sicher keine leichte. Was sich die Politik allerdings vorwerfen lassen muss: Sie hat viel zu wenig dafür getan, das Infektionsgeschehen und die Wirksamkeit der verhängten Einschränkungen beurteilen zu können. Virologe Hendrick Streeck, selbst Mitglied des Sachverständigenrats, hat es in den vergangenen zwei Jahren fast gebetsmühlenartig wiederholt: Es werden viel zu wenig Daten erhoben - über die Verbreitung des Virus, aber auch über die Maßnahmen. Es fehlt ein Monitoring-System, das wichtige Erkenntnisse liefern könnte im Hinblick auf eine neue Welle im Herbst. Hier hat die Politik, das lässt sich aus dem Bericht des Rats herauslesen, zwei Jahre lang geschlafen. Angesichts der Tragweite und Folgen vieler Maßnahmen fatal.
Leider besteht wenig Grund zur Hoffnung, dass es künftig besser läuft als in der Vergangenheit. Darauf deutet auch die ein oder andere Analyse des gestern vorgelegten Berichts durch Ampel-Politiker hin. Wenn der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen den Schluss zieht: "Die Abwesenheit von Evidenz zur Wirksamkeit ist keine Evidenz für die Abwesenheit von Wirksamkeit", dann ist das so, als würde er sagen: Nur weil es keinen Beweis dafür gibt, dass Beten bei Krankheit hilft, kann es trotzdem wahr sein. Das mag sein, doch da sind wir im Bereich von Religion, aber nicht mehr von Wissenschaft, die hier Maßstab sein muss. / Bernd Loskant
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