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Abschluss in Zeiten der Angst
Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (19. November 2022) zum Tarifabschluss in der Metallindustrie:

Fulda (ots)

Metaller müsste man sein! Eine Lohnerhöhung von unterm Strich 8,5 Prozent - das ist mal ein kräftiger Schluck aus der Pulle. Und das in einer der größten Krisen der Welt seit Langem. Von solchen Abschlüssen konnten die meisten Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren nur träumen. Zustande kommen konnte dieses geradezu irreal erscheinende Ergebnis, das Pilotcharakter für andere Branchen haben könnte, nur in einer Gemengelage sich zuspitzender Ängste: Die Gewerkschaft drohte mit massiven Streiks (was in der Krise absolutes Gift für die Wirtschaft wäre), die Politik nahm über einen verabredeten steuerfreien Betrag Einfluss auf die Verhandlungen (was gegen die Tarifautonomie verstößt), und über allem schwebte das Gespenst der exorbitant hohen Inflation, das die ganze Nation in Panik versetzt (weil sie uns Wohlstandsverluste bringt).

Doch gerade Letzteres wird eine fast zehnprozentige Lohnerhöhung nicht verhindern. Auch wenn der Abschluss nach Auskunft von Ökonomen keine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen wird, so hätte das wirtschaftliche Einmaleins eher für Zurückhaltung gesprochen. Denn Lohnerhöhungen müssen von den Unternehmen, die sie bezahlen, erwirtschaftet werden. Und wenn die Wirtschaft absehbar in eine Rezession schlittert und nicht mehr wächst, kann man sich die Folgen solcher Gehaltssteigerungen leicht ausmalen. Der Jobabbau bei Amazon und Co. zeigt, wohin wir uns bewegen, wenn schlechte Geschäfte erwartet werden. Und hat nicht gerade erst die Industrie über weniger Aufträge geklagt, nachdem die Corona-Delle schon überwunden schien?

Die Umstände sprechen derzeit jedenfalls nicht für eine expansive Lohnpolitik -zumal der Abschluss auch zur Tarifflucht weiterer Unternehmen führen wird. Schon jetzt ist nur noch knapp ein Drittel der Unternehmen in Deutschland tarifgebunden.

Die Mehrheit der Arbeitnehmer wird von dem Abschluss also sowieso nicht profitieren. Um alle Bürger zu entlasten, müsste sich der Staat zu grundlegenden Reformen durchringen. Wie wäre es, in diesen Zeiten mal wieder über eine Steuerreform nachzudenken, die diesen Namen auch verdient? Doch schon mit der Gas- und Strompreisbremse tut sich die Regierung schwer. Nachdem nun seit Wochen darüber diskutiert wird, ist immer noch unklar, wann sie denn kommt. Stattdessen macht Vizekanzler Robert Habeck Schlagzeilen, weil er für PR-Zwecke einen Fotografen für 400 000 Euro einstellen will. Da kann man die Gewerkschaften mit ihren horrenden Lohnforderungen fast verstehen. / Bernd Loskant

Pressekontakt:

Fuldaer Zeitung
Bernd Loskant
Telefon: 0661 280-445
Bernd.Loskant@fuldaerzeitung.de

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