Europäische Finanzpolitik: Kritik am Krisenmanagement überwiegt
Nürnberg (ots)
Trotz Krise sind die privaten Finanzentscheider in Europa von ihrer Währung überzeugt. Die Mehrheit glaubt an den Fortbestand des Euro. Lediglich in den Krisenländern Portugal und Griechenland bröckelt diese Zuversicht. Das ergab eine internationale Zusatzstudie in 10 europäischen Ländern im Rahmen des GfK-Investmentbarometers, das der GfK Verein regelmäßig in Zusammenarbeit mit dem Wall Street Journal Europe durchführt. Die privaten Finanzentscheider beurteilen den Umgang ihrer Regierungen mit der Finanzkrise allerdings durchaus kritisch. Nur eine Minderheit bezeichnet das Krisenmanagement als gut oder sehr gut.
Eine positive Einstellung zum Euro zeichnet sich vor allem bei den männlichen Befragten ab. Sie wollen tendenziell den Euro als Gemeinschaftswährung erhalten. Bildung spielt ebenfalls eine Rolle: Die Euro-Befürworter haben häufig einen höheren Bildungsabschluss. Auch in den Ländern, in denen eine Einführung möglich ist (Polen, Schweden und Großbritannien), zeigen sich die besser Gebildeten aufgeschlossener für den Euro als mögliche Währung in ihrem Land. Raimund Wildner, Geschäftsführer des GfK Vereins, fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen: "Der Euro ist für die privaten Finanzentscheider in Europa wie eine Gewohnheit: Wer ihn hat, will ihn nicht mehr missen, wer ihn nicht hat, will ihn auch nicht haben. In allen Ländern wünschen sich die privaten Anleger von ihrer Regierung ein besseres Krisenhandling, sie sind aber trotzdem zuversichtlich, dass es auch noch in 10 Jahren den Euro geben wird. Dabei gibt es jedoch Muster: Die Krisenländer Griechenland, Portugal und Spanien sind mit ihren Regierungen unzufriedener als Länder mit Top-Ratings wie Deutschland, Frankreich oder die Niederlande. Trotzdem glauben auch die Spanier und die Italiener mit großer Mehrheit, dass sie auch in 10 Jahren noch mit dem Euro bezahlen werden. Nur in Griechenland und Portugal ist diese Zuversicht auf unter 60 Prozent gerutscht."
Euro-Länder:
GRIECHENLAND
Wie zu erwarten war, ist in Griechenland der Anteil der privaten Finanzentscheider, die der eigenen Regierung schlechte Noten bei der Handhabe der Finanzkrise geben, besonders hoch: 79 Prozent halten das Vorgehen der politischen Spitze für schlecht oder sehr schlecht, 58 Prozent sogar für sehr schlecht. Das ist der höchste Wert in den 10 Ländern. In der aktuellen Befragung ist Griechenland neben Portugal eines der Länder der Euro-Zone, in denen der Glaube an den Fortbestand des Euro zu bröckeln scheint: 44 Prozent gehen davon aus, dass es den Euro in 10 Jahren nicht mehr als Währung im eigenen Land geben wird. Unter den männlichen Befragten erhöht sich dieser Wert sogar auf 49 Prozent. Am Euro festhalten möchte allerdings die deutliche Mehrheit: 81 Prozent der Griechen - und damit mehr als in jedem anderen befragten Land - wollen weiterhin den Euro behalten.
ITALIEN
Auch in Italien ist der Anteil der privaten Finanzentscheider, die das Krisenmanagement der eigenen Regierung als schlecht oder sehr schlecht bewerten, mit 75 Prozent sehr hoch: 32 Prozent geben die Bewertung "schlecht" und 43 Prozent die Bewertung "sehr schlecht" ab. Allerdings glauben die Italiener besonders fest an das Fortbestehen des Euro in ihrem Land: 82 Prozent der privaten Anleger gehen davon aus, dass es den Euro in 10 Jahren sicher oder wahrscheinlich noch als Währung in ihrem Land geben wird. Dieser Wert ist der Spitzenwert unter allen befragten Ländern. Bei den vermögenden Privatanlegern sind dieser Ansicht sogar über 90 Prozent. Die Lira zurück möchten 31 Prozent, unter den finanziell besser Gestellten sind es lediglich 17 Prozent. 69 bzw. 83 Prozent wollen demnach den Euro als Zahlungsmittel behalten.
SPANIEN
Auch im krisengeschüttelten Spanien bewerten die meisten Privatanleger das Vorgehen ihrer Regierung im Rahmen der europäischen Finanzkrise als unzureichend: 78 Prozent äußern sich negativ und nur 7 Prozent halten die Handhabung für gut oder sehr gut. Zurück zur spanischen Peseta wollen trotzdem nur 40 Prozent, wobei auch hier verstärkt Personen mit geringerem Einkommen und niedrigerer Schulbildung diesen Wunsch äußern. Was die Zukunft des Euro in ihrem Land betrifft, sind die Spanier aber dennoch positiv gestimmt: Rund drei Viertel glauben, dass die europäische Gemeinschaftswährung auch in 10 Jahren noch das spanische Zahlungsmittel sein wird.
PORTUGAL
In Portugal ist die Anzahl der privaten Finanzentscheider, die ihrer Regierung beim Handling der Krise ein schlechtes Zeugnis ausstellen, mit 64 Prozent deutlich niedriger als in den anderen Krisenstaaten Griechenland, Italien und Spanien. Allerdings glauben auch hier, wie in Griechenland, über 40 Prozent der Befragten, dass der Euro in 10 Jahren in Portugal nicht mehr existieren wird, wobei insbesondere ältere Menschen über 60 Jahre dieser Ansicht sind. Dass der portugiesische Escudo den Euro wieder ersetzt, wünschen sich 38 Prozent der portugiesischen Privatanleger, wobei dieser Wert unter den Befragten mit hoher Bildung und gutem Einkommen deutlich sinkt. Die Mehrheit von 62 Prozent will also weiter mit Euros und Cents bezahlen.
FRANKREICH
Über die Hälfte (56 Prozent) der privaten französischen Finanzentscheider stellen ihrer Regierung ein schlechtes Zeugnis im Umgang mit der europäischen Finanzkrise aus. Ebenso viele stehen dem Euro aber positiv gegenüber: 58 Prozent möchten den Euro als Währung behalten, 42 Prozent würden jedoch lieber zum Franc zurück kehren. Dass die europäische Gemeinschaftswährung auch in 10 Jahren das Zahlungsmittel in Frankreich sein wird, das glauben 67 Prozent der Befragten. Unter den vermögenden Privatanlegern mit einem frei verfügbaren Anlagevermögen von über 50.000 Euro bzw. einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von über 2.500 Euro erhöht sich dieser Wert auf 77 Prozent. Auch sind es verstärkt die Jüngeren unter 40 Jahren, die an die Zukunft des Euro in Frankreich glauben.
DEUTSCHLAND
Auch die deutschen privaten Finanzentscheider zeigen sich im Ländervergleich durchaus kritisch: 63 Prozent geben der Regierung Merkel im Umgang mit der Krise eine schlechte Bewertung. 66 Prozent glauben zwar, dass es den Euro in 10 Jahren noch geben wird, allerdings sind sich nur 15 Prozent absolut sicher. Wie auch in Spanien und in Frankreich möchten rund 40 Prozent der Befragten die alte Währung zurück - dieser Ansicht sind vor allem jene, die über ein geringes Monatseinkommen und niedrigere Schuldbildung verfügen.
NIEDERLANDE
Die Niederländer beurteilen ihre Regierung positiver: Immerhin 22 Prozent der privaten Anleger befürworten die Art und Weise, wie die niederländische Regierung mit der Eurokrise umgeht, 31 Prozent zeigen sich unentschieden und 47 Prozent bemängeln die Situation. Dass es den Euro als Währung in 10 Jahren im eigenen Land noch geben wird, sagen 80 Prozent aller Befragten und 70 Prozent wollen auch künftig beim Euro als Währung bleiben.
Länder, die nicht Teil der Euro-Zone sind:
Grundsätzlich ist die Anzahl derjenigen, die dem Krisenmanagement indifferent gegenüber stehen, in den befragten Ländern, die keinen Euro haben - Schweden, Polen, und UK - höher. Offensichtlich fühlt man sich hier deutlich weniger von der Krise betroffen. Darüber hinaus sind es auch diese Länder, die keine Einführung des Euro wollen.
GROSSBRITANNIEN
44 Prozent der britischen Privatanleger sehen den Umgang ihrer Regierung mit der Euro-Krise kritisch, 40 Prozent haben keine eindeutige Meinung und 16 Prozent urteilen positiv. Dass der Euro über die nächsten 10 Jahre Bestand haben wird, glauben dort nur 60 Prozent der privaten Finanzentscheider. Allerdings sind sich nur 9 Prozent sehr sicher. In keinem Land ist der Euro unter den Privatanlegern so unbeliebt wie in Großbritannien: 97 Prozent, wollen das britische Pfund behalten.
POLEN
Wenn es um die Beurteilung der eigenen Regierung bezüglich der europäischen Finanzkrise geht, zeigen sich die polnischen privaten Finanzentscheider - mit Ausnahme der Schweden - positiver als die anderen Länder: Nur 38 Prozent geben der polnischen Führungsspitze eine schlechte Note, der größte Teil, 42 Prozent, ist unentschieden. 84 Prozent wollen am Zloty festhalten und 68 Prozent denken, dass es den Euro auch in 10 Jahren noch als Zahlungsmittel in der Euro-Zone geben wird.
SCHWEDEN
In Schweden zeigt sich die Stimmung der Privatanleger insgesamt deutlich positiver als in den anderen Ländern: Knapp die Hälfte gibt der eigenen Regierung im Umgang mit der europäischen Finanzkrise gute Bewertungen, unter den Vermögenden steigt dieser Wert sogar auf über 50 Prozent. Nur 14 Prozent aller Befragten äußern sich negativ und 39 Prozent sind unentschieden. Rund 70 Prozent glauben, dass es den Euro in der Euro-Zone auch in 10 Jahren noch geben wird. Dass der Euro Zahlungsmittel in Schweden wird, wollen allerdings auch hier nur sehr wenige: gerade einmal 12 Prozent sind für eine Einführung der Gemeinschaftswährung, knapp 90 Prozent wollen an der schwedischen Krone festhalten.
Zur Studie
Seit 1999 liefert das GfK-Investmentbarometer Daten zum Verhalten von Privatanlegern in Europa und den USA. Aus aktuellem Anlass wurde in der diesjährigen Studie das Thema "Eurokrise" aufgenommen. Untersucht wurde die Einschätzung zur Handhabung der Krise durch die jeweilige Regierung und die Meinung der Anleger zum Euro und dessen Zukunft. Dafür wurden im Oktober und November 2011 in den Ländern Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Niederlande, Polen, Portugal, Schweden und Spanien insgesamt 8.905 private Finanzentscheider über 14 Jahre befragt.
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