Professor Wiegard: Wir brauchen dringend einschneidende Reformen
München (ots)
Der Vorsitzende der fünf Wirtschaftsweisen fordert auf dem COMPUTERWOCHE-Kongress IT meets Business von der Bundesregierung ein unternehmerfreundliches Steuersystem / Wiegard spricht sich für Studiengebühren aus / Kurzfristiger Anstieg der Arbeitslosenzahlen erwartet
München, 23. November 2004 Wir brauchen umfassende Steuer-, Arbeitsmarkt- und Bildungsreformen, forderte Prof. Dr. Wolfgang Wiegard, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von der Bundesregierung. Im Rahmen des IT meets Business-Kongresses, der zum sechsten Mal von der IT-Wochenzeitung COMPUTERWOCHE ausgerichtet wird, prognostizierte der Wirtschafts-Experte heute, dass ohne Beseitigung der derzeitigen Wachstumshemmer wie hohe Besteuerung, inflexibler Arbeitsmarkt und starres Bildungssystem es im kommenden Jahr kaum ein stärkeres Wachstum in der Wirtschaft und somit auch in der IT- Branche geben werde.
Als wichtigsten Punkt sieht Wiegard Reformen hin zu einem investitionsfreundlicheren Steuersystem. Wir brauchen niedrigere Unternehmenssteuersätze, appellierte er an die Bundesregierung. Mit 38,7 Prozent Körperschaftssteuer liegt Deutschland unter den EU- Ländern auf dem letzten Platz. Für den stärksten Konkurrenten im Wettbewerb um Unternehmen hält der Wirtschaftsweise allerdings nicht die derzeitigen Spitzenreiter Estland, Irland oder Lettland, sondern Österreich. Dort wird es 2005 sukzessive Senkungen im Steuersystem geben. Wiegard sieht deshalb die Gefahr, dass mehr und mehr deutsche Investoren ihr Unternehmen dann kurz hinter der Grenze ansiedeln. Deutschland muss seine Steuern erheblich reduzieren, damit inländische Firmen bleiben und ausländische Investoren Deutschland wieder attraktiver finden, erklärt der Experte.
Des Weiteren kann laut Wiegard ein Wachstum in Deutschland nur durch ein flexibleres Arbeitsmarktsystem in Gang gebracht werden. Derzeit seien die Arbeitsmärkte in Deutschland so fest gefahren, dass sie Schocks, wie etwa den steigenden Ölpreis, nicht absorbieren könnten. Zwar sei die Beschäftigungsentwicklung schwer zu prognostizieren, trotzdem geht Wiegard davon aus, dass trotz Hartz IV die Arbeitslosigkeit in Deutschland 2005 im Jahresdurchschnitt nur leicht zurückgehen werde. Für Januar und Februar 2005 erwartet der Wirtschaftsweise sogar einen kurzfristigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen auf über fünf Millionen.
Außerdem fordert Wiegard Veränderungen im Bildungssystem. Wir brauchen eine stärkere Förderung des Humankapitals und damit einhergehend eine stärkere Ausschüttung des Innovationskapitals, so Wiegard auf dem COMPUTERWOCHE-Kongress. Darüber hinaus bestehe die Notwendigkeit, die Studierenden selbst mehr in die Pflicht zu nehmen: Was wir brauchen, sind mehr Finanzen, allerdings keine öffentlichen, sondern private Mittel. Wiegard plädiert daher für die Einführung von Studiengebühren, denn die Studierenden müssten ihr Studium als Investition in ihre eigene Zukunft begreifen. Wer keine Gebühren aufbringen könne, für den müsse ein Studienkreditsystem zur Verfügung stehen. Der Wirtschaftsexperte geht davon aus, dass mit der sechsten Hoch-schulnovelle die bisherigen Regelungen für ein gebührenfreies Studium gekippt werden.
Doch trotz der großen Notwendigkeit zu Veränderungen, befürchtet Wiegard, dass es bis 2006 bei den schon heute auf den Weg gebrachten Reformen bleiben werde. Denn seiner Auffassung nach blockiere die bevorstehende Bundestagswahl schon jetzt neue Reformvorhaben. Außerdem sprach sich der Wirtschaftsweise auch für eine Umgestaltung des Föderalismus aus, um die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zugunsten einer stärkeren Stellung des Bundes zu regeln.
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Hinweis für die Redaktionen: Der von der COMPUTERWOCHE und CIO ausgerichtete Kongress IT meets Business findet in diesem Jahr unter dem Motto Neue Ziele für die IT im Hotel Bayerischer Hof in München statt. Zahlreiche Referenten diskutieren am 23./24. November 2004, welche wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Technologien Unternehmen in schwierigen Zeiten helfen können, erfolgreich zu bleiben.
ots-Originaltext: Computerwoche
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