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Wenn der Pikser zur Pflicht wird - Rechtstipps rund um das geplante Masernschutzgesetz

Köln, 12. November 2019. "Ich will die Masern ausrotten" - erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bereits im Frühjahr. Um die dafür notwendige Impfabdeckung von 95 Prozent der Bevölkerung zu erreichen, soll zum 1. März 2020 eine Impfpflicht gegen die Virusinfektion in Kraft treten. Das Masernschutzgesetz, das aktuell im Bundestag diskutiert wird, wirft vor allem bei Eltern viele Fragen auf. Detlef Koch, Fachanwalt für Medizinrecht und Partneranwalt der ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, erklärt die juristischen Hintergründe und gibt besonders Impfkritikern hilfreiche Tipps.

Verstößt eine Impfpflicht gegen das Grundgesetz?

In den Forderungen nach einer Impfpflicht sehen viele Impfgegner Verstöße gegen das Grundgesetz. Denn der Zwang zur Impfung kollidiert ihrer Meinung nach mit Verfassungsgarantien wie dem Recht auf körperliche Unversehrtheit oder dem Erziehungsrecht der Eltern. Für Rechtsanwalt Detlef Koch ist die gesetzliche Verankerung einer Impfpflicht grundsätzlich rechtlich durchsetzbar und vom Grundgesetz gedeckt: "Die Masernerkrankungen in Europa haben in den letzten Jahren zugenommen. Dies erklärt den Handlungsbedarf des Gesetzgebers. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 73 Grundgesetz. Danach dürfen Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten ergriffen werden." Der Schutz der öffentlichen Gesundheit sei aus verfassungsrechtlicher Sicht ein Gemeinschaftsgut, welches schwerer wiege als individuelle Einzelinteressen.

Übrigens handelt es sich hier um kein neues Phänomen: Schon in der Vergangenheit gab es diverse Impfpflichten. In der DDR erstreckte sich diese über Pocken, Diphtherie, Keuchhusten, Wundstarrkrampf, Kinderlähmung, Tuberkulose und eben Masern. In der Bundesrepublik löste die damals geltende Impfpflicht gegen Pocken Diskussionen aus: "Nach Meinung einzelner Kritiker sollte diese gegen das im Grundgesetz verankerte Persönlichkeitsrecht verstoßen. Das Bundesverwaltungsgericht entschied allerdings schon 1959, dass die Impfpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei", erklärt der ROLAND-Partneranwalt.

Dürfen bestimmte Berufsgruppen zur Impfung verpflichtet werden?

Oberstes Ziel des Masernschutzgesetzes, das vom Bundeskabinett im Juli 2019 beschlossen wurde, ist der Schutz von Schul- und Kindergartenkindern vor Masern. Auch Mitarbeiter von Gemeinschaftseinrichtungen werden daher von der Impfpflicht erfasst. Detlef Koch plädiert für eine Erweiterung der Zielgruppen: "Nicht nur Krankenhausmitarbeiter/-innen sollten der Impfpflicht unterfallen, sondern auch Mitarbeiter/-innen in Supermärkten oder Busfahrer/-innen, weil auch bei ihnen das Risiko besteht, Infektionserreger zu verbreiten. Dies erscheint auch verfassungsrechtlich geboten, um nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlungen zu vermeiden."

Zwar bedeutet eine Impfpflicht einen Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl nach Artikel 12 des Grundgesetzes. "Jedoch dürfte ein solcher grundrechtlicher Eingriff durch die überragenden Zwecke und Ziele des Gesetzes gerechtfertigt sein", so der Rechtsanwalt.

Dürfen schulpflichtige Kinder tatsächlich vom Unterricht ausgeschlossen werden?

Während der Besuch einer Kindertageseinrichtung freiwillig ist, besteht in Deutschland eine Schulpflicht für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Darf ein ungeimpftes Kind tatsächlich vom Schulbesuch ausgeschlossen werden? Vom Anwalt gibt es hierzu ein klares Nein. "Auch eine Zwangsimpfung soll dann nicht erfolgen. Allerdings riskieren Eltern, die ihre in Gemeinschaftseinrichtungen betreuten Kinder nicht impfen lassen, ein Bußgeld in Höhe von bis zu 2.500 Euro. Es sei denn, sie können nachweisen, dass aus medizinischen Gründen keine Impfung erfolgen darf." Angesichts des Gesetzeszweckes und der hohen Akzeptanz in der Bevölkerung geht Rechtsanwalt Detlef Koch nicht davon aus, dass Eltern ihre Kinder durch Zahlung der Geldbuße von einer Impfpflicht "freikaufen" werden.

Können Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen, klagen?

Nicht alle Eltern sind gleichermaßen überzeugt von der Impfung, befürchten vor allem mögliche Impfschäden. Doch können sie gegen eine gesetzlich festgelegte Pflicht überhaupt vorgehen? "Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, sich rechtlich zur Wehr zu setzen. Dies geschieht durch Widerspruch und - wenn der Widerspruch zurückgewiesen wird - durch Anfechtungsklage." Der Jurist betont jedoch, dass der Klageweg keine aufschiebende Wirkung hat, die Eltern dadurch also grundsätzlich keine Zeit gewinnen. Die Impfpflicht besteht trotzdem und sollten Eltern dieser nicht nachkommen, kann zunächst ein Bußgeld verhängt werden.

Detlef Koch rät den Eltern, das günstige Nutzen-Risiko-Verhältnis in Bezug auf Verträglichkeit und Wirksamkeit der Impfung zu beachten - bevor sie den Rechtsweg beschreiten: "Die Impfstoffe werden schon lange Zeit weltweit verwendet. Sie bieten einen hohen Schutz und weisen nur ein geringes Nebenwirkungsrisiko auf. Dagegen bringen Masernerkrankungen sehr oft Komplikationen und auch Folgeerkrankungen mit sich. Dabei kann es sich auch um eine Gehirnentzündung handeln, die tödlich verlaufen kann."

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

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