Pharmaindustrie: Virtuelle F&E-Methoden sollen Innovationen und Patente fördern
Frankfurt am Main (ots)
PwC-Studie "Pharma 2020" zeigt Trends der Pharmabranche auf: Ära der Blockbuster geht zu Ende / Zeitersparnis für klinische Studien durch virtuelle F&E bereits jetzt bis zu 40 Prozent / Erfolgsquote bei Innovationen höher / Virtueller Mensch noch Zukunftsmusik Die Pharmaindustrie gerät angesichts nach wie vor steigender Kosten für die Forschung und Entwicklung (F&E) neuer Arzneimittel und der gleichzeitig sinkenden Anzahl marktreifer neuer Präparate zunehmend unter Druck. Der Patentschutz für zahlreiche Präparate, die in den 90er Jahren auf den Markt kamen, wird in den nächsten Jahren auslaufen. Nur vier der weltweit zehn größten Pharmaunternehmen haben derzeit genügend Produkte in ihrer Pipeline, um auslaufende Patente und den damit verbundenen Verlust an Einnahmen auszugleichen.
Verschärft wird die Situation dadurch, dass sich die Zeit der Blockbuster-Medikamente, der umsatzstarken Produkte für die Massenanwendung, dem Ende zuneigt - die forschenden Pharmaunternehmen müssen die F&E-Kosten eines Präparats künftig aus einem kleineren Umsatzvolumen amortisieren.
Verbesserungen in kleinen Schritten werden zukünftig nicht mehr ausreichen, um den Herausforderungen zu begegnen, die die Pharmaindustrie weltweit bewältigen muss. Besonders notwendig sind innovative Ansätze im Bereich F&E, die das regulatorische und gesellschaftliche Umfeld mit einbeziehen. Die aktuelle Studie "Pharma 2020: Virtual R&D. Which path will you take?" der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers zeigt wesentliche Trends und Entwicklungschancen diesbezüglich auf.
Virtuelle Simulation neuer Wirkstoffkomponenten
Die Pharmaunternehmen benötigen schnellere und zuverlässigere Methoden um neue Wirkstoffe zu testen - nicht zuletzt weil die langen und kostenintensiven Vorstudien für die Unternehmen auf längere Sicht nicht mehr finanzierbar sein werden. Nach Einschätzung der Studie wird der Einsatz virtueller Forschung und Entwicklung die Unternehmen dabei an entscheidenden Stellen unterstützen. Eine Lösung hierfür wäre zum Beispiel die virtuelle Simulation neuer Wirkstoff-Komponenten und ihrer Wirkungen", so Volker Booten, verantwortlicher Partner für den Bereich Chemicals & Pharma bei PwC in Deutschland. "Die gezielte Suche nach neuen Substanzen bis hin zu maßgeschneiderten neuen Wirkstoffen durch virtuelle Simulation könnte die Schlagzahl der Forschung erhöhen und die Kosten pro Medikament senken". Die Verkürzung des Zeitaufwands für klinische Studien wird sich dabei ebenfalls positiv auf die Kosten auswirken und erlaubt es zudem, die Laufzeit eines Wirkstoff-Patents länger kommerziell zu nutzen.
Bis 2015 Umsatzeinbußen bis zu 40 Prozent durch Generika
"Dieser Effekt wird umso wichtiger, je häufiger Generika-Hersteller versuchen, Arzneimittel bereits vor dem Ende der Patentlaufzeit zu kopieren. Marktbeobachter schätzen, dass die zehn größten Pharmakonzerne der Welt schon bis 2015 zwischen 2 Prozent und 40 Prozent ihrer heutigen Umsätze durch generische Nachahmer einbüßen werden", unterstreicht Volker Booten. Aber nur vier der Top Ten hätten genügend neue Präparate in der Pipeline, um diese Ausfälle wettzumachen.
Dieses 'Innovations-Defizit' wird erhebliche strategische Auswirkungen auf die gesamte Branche haben, prognostiziert die Studie von PwC. Das ein oder andere Unternehmen wird seine Kernkompetenzen neu definieren, zumindest aber neue Schwerpunkte setzen müssen. Das kann in einzelnen Fällen auch den Ausstieg aus bestimmten Forschungsfeldern bedeuten. Die meisten Pharmahersteller befinden sich in einem Wettlauf mit der Zeit, der konsequente und teilweise harte Schnitte zur Folge haben wird.
Virtuelle Maus testet Therapien für Diabetes-Patienten
Der virtuelle Ansatz ist also für die Branche von enormer Bedeutung. Ehe sie ihn nutzen kann, bedarf es jedoch gewaltiger Anstrengungen. Denn die Verfahren und Modelle, die dafür nötig sind, existieren bislang nur in Ansätzen. So hat die American Diabetes Association gemeinsam mit dem amerikanischen Biotech-Unternehmen Entelos eine "virtuelle Maus" entwickelt, an der Therapien für den Diabetes-Typ 1 "getestet" werden. Die Forscher können daran die Wirkung neuer Medikamente, ihre Dosierung und verschiedene Einnahme-Formen simulieren. Allein in dieses Mini-Modell sind Daten aus jahrelanger Forschung an lebenden Tieren eingeflossen.
Der virtuelle Mensch - ein globales Giga-Projekt
Ziel der Pharma-Forscher ist der virtuelle Mensch, ein gigantisches mathematisches Modell, das den menschlichen Körper in seinen Funktionen auf zellularer und molekularer Ebene abbildet. Um dieses Modell aufzubauen, werden enorme Mengen an Daten benötigt, die es zum großen Teil noch gar nicht oder nicht in ausreichender Qualität gibt - unzählige physiologische Zusammenhänge und Wechselwirkungen sind noch gar nicht erforscht. Zwar gibt es schon verschiedene Kooperationen, die an Teilen eines solchen Modells arbeiten. "Doch dieses Projekt ist so komplex, dass es die Pharmaindustrie nicht alleine bewältigen kann. Nur, wenn beispielsweise Hochschulen, Gesundheitsorganisationen, Regierungen und IT-Konzerne aus aller Welt daran mitwirken, hat es langfristig Aussicht auf Erfolg. Und bis 2020 wird erst ein Teil der Aufgaben bewältigt sein", so Volker Booten.
Bereits jetzt bis zu 40 Prozent Zeitersparnis durch virtuelle Methoden
In den nächsten Jahren werden sich die Pharmahersteller noch mit dem schon eingeführten computergestützten Molekül-Design und mit verschiedenen Teilmodellen wie virtuellen Zellen, Organen oder Tieren begnügen müssen. Doch selbst das verspricht bereits ansehnliche Erfolge. Pharma-Unternehmen, die schon virtuelle Methoden einsetzen, konnten die Zeiten für klinische Studien um bis zu 40 Prozent und den Bedarf an Test-Patienten um zwei Drittel reduzieren, hat die PwC-Studie ermittelt.
Die Studie "Pharma 2020: Virtual R&D Which Path will you take?" ist als Download verfügbar unter: www.pwc.de/de/chemie-pharma
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