Deutsche Städte: Hindernisse auf dem Weg zum virtuellen Rathaus
Frankfurt am Main (ots)
Aktuelle Umfrage von PricewaterhouseCoopers und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund: Strategiedefizite, unklare rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Engpässe behindern die Einführung virtueller Verwaltungen.
Die deutschen Städte erwarten sich von der Einführung des Internet in ihrer Verwaltung mehr Effizienz, Transparenz und Bürgernähe. Nur jede zehnte Stadtverwaltung verfügt jedoch über eine Strategie auf dem Weg zum virtuellen Rathaus. Hier liegt derzeit die grösste Herausforderung für eine erfolgreiche Umsetzung von Internet-Projekten in deutschen Kommunen.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie mit dem Titel Die Zukunft heißt E-Government: Deutschlands Städte auf dem Weg zur virtuellen Verwaltung, die das weltweit tätige Prüfungs- und Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund im Mai und Juni 2000 durchgeführt hat. Im Vorfeld der Weltkonferenz URBAN 21 zur Zukunft der Städte, die unter Schirmherrschaft der Bundesregierung vom 4. bis 6. Juli 2000 in Berlin stattfinden wird, befragten Experten von PricewaterhouseCoopers und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund die 200 grössten deutschen Städte zur aktuellen und zukünftigen Entwicklung ihrer Electronic Government-Projekte. "Dass 88 Stadtverwaltungen den umfangreichen Fragebogen beantwortet haben zeigt, welch hohen Stellenwert deutsche Städte dem Ausbau ihres E-Government-Angebotes beimessen" kommentiert Dr. Thomas Paulsen, verantwortlich für die Strategieentwicklung Public Sector bei PricewaterhouseCoopers die rege Beteiligung. Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, betont die Bedeutung des Internet für deutsche Kommunen: "E-Government führt zu einem neuen Schub der Verwaltungsmodernisierung in Deutschland. Die Städte und Gemeinden, die den direkten Bürgerkontakt haben, spielen dabei eine immer grössere Rolle".
Behörden online: viel Optimismus, wenig Stragie
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen eine deutliche Lücke hinsichtlich der mit E-Goverment verbundenen Erwartungen der Städte und ihrem tatsächlichen Vorgehen beim Aufbau der Online-Behördendienste. Zwar ist die überwiegende Mehrheit der Städte davon überzeugt, dass die virtuelle Verwaltung, sprich E-Government, das Dienstleistungsangebot und die Arbeitsweise der öffentlichen Hand drastisch verändern sowie Bürgernähe und Transparenz der Verwaltung deutlich verbessern wird. Ein umfassendes und langfristiges Strategiekonzept zum Aufbau einer solchen Verwaltung fehlt jedoch den meisten. Nur zwölf Prozent der befragten Städte verfügen nach eigenen Angaben über eine ausformulierte E-Goverment-Strategie. 67 Prozent haben kein Finanzierungskonzept und lediglich elf Prozent haben bis heute eine eigene Personalplanung für ihre Internet-Aktivitäten ausgearbeitet. Höchste Priorität in den nächsten zwei Jahren räumen die Städte vor allem der inhaltlichen Optimierung ihrer Webseiten (90 Prozent) und dem Download von Formularen ein (86 Prozent. "Politiker und Verwaltungsbeamte laufen Gefahr, sich von der gegenwärtigen Internet-Euphorie anstecken zu lassen und nur auf kurzfristige Erfolge zu setzen. Ohne strategische Planung und ein effektives Risikomanagement drohen die bislang getätigten Investitionen in technische Infrastruktur und personelle Ressourcen jedoch zu verpuffen, bevor mögliche Rationalisierungseffekte eintreten können", so Thomas Paulsen.
Moderne Finanzierungsmodelle gefragt
Als größten Hinderungsgrund beim weiteren Ausbau ihres elektronischen Dienstleistungsangebotes nennen die Städte neben der schleppenden Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen (68 Prozent) und dem Mangel qualifiziertem Personal (66 Prozent) vor allem die knappen Kassen der öffentlichen Hand (77 Prozent). Finanzielle Engpässe, so Thomas Paulsen, lassen sich jedoch durch gezielte Maßnahmen beseitigen. So könnten Restrukturierungen im Back-Office der Verwaltungen und eine konsequente Zusammenarbeit von Verwaltung und Wirtschaft erhebliche Einsparungen bringen. Noch schrecken die meisten Städte jedoch offenbar vor einer Kooperation mit privaten Investoren zurück, wie sie sich zum Beispiel im gemeinsamen Betrieb (Joint Venture) eines Rechenzentrums anbieten würde. Auch der Gedanke, über E-Government-Dienstleistungen neue Einnahmen zu generieren, ist den meisten deutschen Städten fremd. Ein Beispiel hierfür wären Werbebanner auf den städtischen Internet-Seiten. Nur 32 Prozent der Kommunen haben bereits Konzepte zur Integration von E-Government-Lösungen in elektronische Marktplätze entwickelt.
Erwartungen der Bürger an Online-Angebot kaum bekannt
Auch mangelndes Wissen über Wünsche und Präferenzen der Bürger steht einer langfristig erfolgreichen Umsetzung von E-Government im Weg. Zwar werten 87 Prozent der befragten Städte die Verbesserung des eigenen Image und eine deutlich bürgernähere Stadtverwaltung (81 Prozent) als besonders positive Effekte von E-Government. Die wenigsten Städte sind jedoch darüber informiert, was der Bürger vom Online-Angebot seiner Stadtverwaltung erwartet, 89 Prozent tappen hier im Dunkeln. Die Einführung EDV-gestützter Kundenmanagement-Systeme und eine systematische Marktforschung, wie in der Privatwirtschaft längst üblich, könnte hier Abhilfe schaffen.
Verwaltungen ans Netz - wo bleiben die Internet-Anschlüsse?
Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass öffentliche Verwaltungen den Sprung in die Informationsgesellschaft bewältigen können, ist die Ausstattung der Arbeitsplätze mit modernen Kommunikationsmedien. Tatsächlich haben in 69 Prozent der Städte nicht einmal ein Viertel aller Mitarbeiter einen Internet-Anschluss mit E-Mail-Zugang.
Einheitliche politische Strategien sind gefragt
89 Prozent der befragten Städte halten eine übergreifende Koordination zwischen den Kommunen für besonders wichtig , 80 Prozent wünschen sich für E-Goverment-Lösungen überrregionale Standards. Eine besondere Rolle spielt dabei die Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen, so in erster Linie Regelungen zur digitalen Signatur, die nur sieben Prozent für ausreichend halten. Während Länder wie Großbritannien oder Australien längst nationale Strategiepläne vorgelegt haben, befürchten 50 Prozent der Städte, dass Deutschland durch mangelnde Kooperation von Bund, Ländern und Gemeinden im internationalen Vergleich weiter zurückfallen könnte.
72 Prozent sind aus diesem Grund der Meinung, dass Deutschland eine nationale E-Goverment-Strategie benötigt.
Für den Herausgeber: Die Gruppe PwC Deutsche Revision/PricewaterhouseCoopers ist in Deutschland mit einem Umsatz von rund 2 Milliarden Mark eines der marktführenden integrierten Dienstleistungsunternehmen im Bereich Prüfung und Beratung. Rund 10.000 Mitarbeiter arbeiten an über 40 Standorten in Deutschland für nationale und internationale Mandanten jeder Größe. Die breite Palette der Dienstleistungen umfasst die Wirtschaftsprüfung, die Unternehmensberatung, die Corporate Finance- sowie die Steuerberatung und die Human Resource-Beratung.
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