Krise der Immobilienwirtschaft wird durch verschärfte Finanzierungsbedingungen, negative wirtschaftliche Prognose und zunehmenden ESG-Druck verstärkt
Frankfurt am Main (ots)
ULI und PwC stellen aktuelle Studie "Emerging Trends in Real Estate® 2024" vor
- Zinsentwicklung, Inflation und europäisches Wirtschaftswachstum bleiben für 75 % der Branche auch im Jahr 2024 die größten Herausforderungen - Anzahl der Restrukturierungen wird 2024 steigen
- London, Paris und Madrid sind die drei aussichtsreichen Städte für Immobilieninvestitionen und Entwicklungspotenzial
- Globale Megatrends steigern die Bedeutung von bisherigen Nischen-Assetklassen für die Investoren, insbesondere neue Energie-Infrastrukturinvestments
- Städteranking: Berlin (4), München (7), Frankfurt (9) und Hamburg (11) sind in der Rangliste der Investitions- und Entwicklungsaussichten abgerutscht
Laut der aktuellen Studie "Emerging Trends in Real Estate® Europe" von PwC und dem Urban Land Institute (ULI) sind 75 % der Führungskräfte der Immobilienbranche der Meinung, dass die aktuellen Bewertungen "nicht alle Herausforderungen und Chancen im Immobilienbereich widerspiegeln", da weiterhin ein deutlicher Abstand zwischen Marktpreiserwartungen von Käufer und Verkäufer besteht. Viele der mehr als 1.000 für die Studie befragten Branchenexperten befürchten, "in ein offenes Messer zu laufen", da der Markt in Europa nach wie vor von großer Unsicherheit geprägt ist. Dies ist der Grund für das deutlich reduzierte Investitionsvolumen. So hat der US-amerikanische Finanzdienstleister MSCI einen Rückgang von -42 % des Transaktionsvolumens gegenüber dem Durchschnitt vor Covid (2015-2019) verzeichnet.
Sabine Georgi, Geschäftsführerin des ULI Deutschland/Österreich/Schweiz: "Mit einem Drittel der Befragten, die 'optimistisch sind, dass die Rentabilität im Jahr 2024 steigen wird', zeigt die Studie eine Verbesserung des Geschäftsvertrauens im Vergleich zum Vorjahr (ein Anstieg um 8 % der Befragten) - wenn auch von einer niedrigen Basis aus und weit unter dem langfristigen Durchschnitt. Die Aussichten werden durch das schleppende Wirtschaftswachstum in Europa und die 'realistische Sorge' vor einer drohenden Rezession eingetrübt."
Die diesjährige Studie zeigt die komplexen Herausforderungen auf, mit denen der europäische Immobiliensektor konfrontiert ist. Es wird gemeinhin erwartet, dass die Branche nun auch noch mit schwächeren Vermietungsmärkten konfrontiert wird. Die Meinungen darüber, was nötig ist, um die Marktaktivität wieder anzukurbeln, gehen auseinander: Eine Stabilisierung der Finanzierungsbedingungen, eine leichte Erholung der Konjunktur und ein Rückgang der Zinssätze, um das Gleichgewicht bei den Renditen wiederherzustellen, gehören zu diesen Szenarien. Ebenfalls wurde eine anstehende Refinanzierungswelle hervorgehoben, die zusätzlichen Eigen- und Fremdkapitalbedarf erzeugen wird, um Schieflagen zu vermeiden.
Thomas Veith, Head of Real Estate PwC Deutschland und Global Leader Real Estate: "Die Ergebnisse der Studie zeigen zwar, dass die Branche noch abwartet, aber die Erfahrung aus vergangenen Marktzyklen lehrt, dass diese Phasen sehr gute Einstiegschancen für antizyklische Investoren bieten. Dabei werden die Investoren am meisten profitieren, die gleichzeitig die ESG- und Digital-Transformation mitdenken und am Ende die marktgängigsten Immobilien schaffen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es dafür einen einheitlichen Zeitplan für die verschiedenen europäischen Märkte gibt."
Dr. Harald Heim, German Head of Real Estate Deals & Construction PwC sowie PwC EMEA Real Estate Deals Leader, ergänzt: "Wir gehen davon aus, dass die Verfügbarkeit von Fremd- und Eigenkapital in den kommenden Jahren deutlich eingeschränkt sein wird und zeitgleich erhebliches Kapital für Refinanzierungen und die Transformation von Immobilien benötigt wird. Der Effekt der Kapitalknappheit wird insbesondere im Bereich der institutionellen Immobilienallokation verstärkt, da konkurrierende Asset Klassen (wie beispielsweise Rentenpapiere) deutlich an Attraktivität gewonnen haben."
Bei so viel Unsicherheit sind Immobilieninvestoren vorsichtiger denn je, wie und wo sie ihr Kapital in Europa anlegen. Für viele bedeutet dies, dass sie sich in risikoreicheren Zeiten auf Städte fokussieren, die Liquidität bieten. Da überrascht es wenig, dass London (1) und Paris (2) erneut die ersten beiden Plätze im Städteranking der Studie belegen. Auf die beiden Städte entfielen in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 rund 15 % des gesamten Immobilientransaktionsvolumens in Europa. Auch in den anderen Städten, die in der diesjährigen Studie weitere vordere Plätze belegen, wird die hohe Liquidität in Verbindung mit der Wirtschaftsleistung deutlich: Madrid (3), Mailand (6) und Lissabon (8).
Die deutschen Städte Berlin (4, Vorjahr: 3), München (7, Vorjahr: 5), Frankfurt (9, Vorjahr: 7) und Hamburg (11, Vorjahr: 8) sind in der Rangliste der Investitions- und Entwicklungsaussichten abgerutscht, obwohl sie immer noch relativ weit oben stehen. Die insgesamt düsteren wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland im Jahr 2024 beeinflussen die Stimmung für diese Metropolen, die vor nicht allzu langer Zeit noch als sichere Häfen für Kapital galten. Nach Angaben von Oxford Economics stehen die deutschen Städte vor stagnierenden wirtschaftlichen Wachstumsaussichten mit einem durchschnittlichen realen BIP-Wachstum von nur 0,1 % im Jahr 2023. Daten von MSCI zeigen, dass das Investitionsvolumen in Deutschland in den ersten neun Monaten des Jahres um 55 % gegenüber dem Vorjahr gesunken ist. Einige Interviewpartner, die für die Studie befragt wurden, weisen zudem darauf hin, dass sich die Immobilienpreise in Deutschland langsamer angepasst haben als in den meisten anderen europäischen Ländern.
Obwohl Investitionsmöglichkeiten in Deutschland nach wie vor vorhanden sind, gehört die Stimmung der deutschen Investoren und Entwickler zu den schlechtesten in Europa, da die hohen Zinsen, der Krieg in der Ukraine, die (bislang) gestiegenen Baukosten und die Sorge um die Energieknappheit die Immobilienbranche erheblich beeinträchtigen. Es wird zudem erwartet, dass notleidende Vermögenswerte auf den Markt kommen werden, und die Verfügbarkeit von Eigenkapital insgesamt erheblich zurückgehen wird, was die Bauträger besonders hart treffen wird. Zusätzlich wird erwartet, dass mehr Cashflow in den Schuldenabbau fließen werden, da der Druck durch die Refinanzierung und die Notwendigkeit, den Verschuldungsgrad zu verringern, zunimmt. Infolgedessen werden die Dividendenzahlungen an die Anleger wahrscheinlich geringer ausfallen, was zu Unzufriedenheit unter den Anlegern im In- und Ausland führt.
Darüber hinaus wirkt sich in Deutschland die Kombination von nicht einfachen Marktbedingungen auf den Zugang zu Kapital aus. Die Beleihungsquote sinkt derzeit von 60 % auf 50 %, was dazu führt, dass Immobilien mit geringer Energieeffizienz ein höheres Risiko für den Cashflow darstellen und daher ohne ausreichendes Eigenkapital keine Finanzierung erhalten. Insgesamt sieht sich die deutsche Immobilienbranche mit einem schleppenden Wachstum und schmerzhaften Investitionsanforderungen konfrontiert, um die ESG-Konformität neuer und bestehender Immobilien zu gewährleisten. Bei der für 2025 erwarteten Erleichterung bleibt Skepsis.
Während die Branche in Europa mit einem durch Inflationsdruck und hohe Zinsen belasteten Markt zu kämpfen hat, sind vier Fünftel der Befragten der Meinung, dass sich ESG-Aspekte in den nächsten 12 bis 18 Monaten wesentlich auf die Bewertungen von Vermögenswerten auswirken werden. Längerfristig wird erwartet, dass ESG-Aspekte bis 2050 den größten Einfluss auf Immobilien haben werden.
Im Einklang mit diesem verstärkten Fokus auf Nachhaltigkeitsanforderungen wird davon ausgegangen, dass globale Megatrends wie Klimawandel, Digitalisierung und Demografie den Appetit der Investoren auf Nischensektoren anregen, wobei die Studie neue Energieinfrastrukturen (1), Datenzentren (2) und das Gesundheitswesen (3) als die Sektoren einstuft, in denen Investoren ihr Engagement am ehesten "erhöhen" werden. Diese Trends werden in Verbindung mit dem Ziel ESG-Anforderungen zu erfüllen den Weg für neue Entwicklungs- und Investitionsmöglichkeiten in Bereichen wie Batteriespeicher für erneuerbare Energien, Solarparks und Infrastruktur für Elektrofahrzeuge ebnen.
Georgi fasst zusammen: "Die mittelfristigen Aussichten für Immobilien werden deutlich positiver, wenn man davon ausgeht, dass sich die Zinssätze bis dahin stabilisiert haben und die wirtschaftliche Unsicherheit weitgehend verschwunden sein wird. Im Hinblick auf die fortschreitende Urbanisierung, die technologischen und demografischen Megatrends sowie die zunehmende Konzentration von Nutzern und Investoren auf Gesundheit, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit liegt eine riesige Chance für die Immobilienwirtschaft vor uns. Je mehr wir zusammenarbeiten, um Themen wie Bewertungen und Klimawandel anzugehen, desto mehr und früher können wir diese Chance nutzen."
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