Deutsche Spendenorganisationen zeigen deutliche Schwankungen in der Transparenz der Berichterstattung
Frankfurt am Main (ots)
Transparenzpreis 2005 von PwC zeichnet eine informative und qualitativ hochwertige Berichterstattung deutscher Spendenorganisationen aus / Ärzte ohne Grenzen e.V., Deutsche Welthungerhilfe e.V. und die Bischöfliche Aktion ADVENIAT belegen die ersten drei Plätze
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen e.V. hat heute in Berlin den Transparenzpreis 2005 von PricewaterhouseCoopers (PwC) erhalten. Platz 2 belegte die Deutsche Welthungerhilfe, Dritter wurde die Bischöfliche Aktion Adveniat. Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) vergibt die mit insgesamt 30.000 Euro dotierte Auszeichnung in diesem Jahr zum ersten Mal und will die Berichterstattung der deutschen Spendenorganisationen künftig jährlich auf den Prüfstand stellen und prämieren.
Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Rechnungslegung und Prüfung von Prof. Dr. Lothar Schruff, Georg-August-Universität Göttingen, hat PwC einen Kriterienkatalog entwickelt, der speziell auf die Beurteilung der Jahresberichte von Spendenorganisationen zugeschnitten ist. In Deutschland gibt es hierfür bislang keinerlei verbindliche Standards. PwC-Vorstandssprecher Hans Wagener: "PwC will mit dem Transparenzpreis Maßstäbe setzen und den deutschen Organisationen Orientierungshilfen für eine bessere Berichterstattung geben. Der Spender hat das Recht zu erfahren, wie sein Geld eingesetzt wird. Dabei entscheidet nicht die Menge der Information, sondern deren Aussagekraft."
Keine Spendenempfehlung
Für die Untersuchung forderten die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität Göttingen im Sommer dieses Jahres die Jahresberichte der Spendenorganisationen ohne Hinweis auf eine Preisvergabe an. Um eine repräsentative Marktabdeckung zu erreichen und die Seriosität der untersuchten Organisationen sicher zu stellen, beschränkten PwC und Universität die Untersuchung auf die - gemessen am Spendeneinkommen - 50 größten deutschen Organisationen, die das Spenden-Siegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) tragen. Prof. Dr. Lothar Schruff: "Unsere Auszeichnung bezieht sich ausschließlich auf die Jahresberichte, nicht auf die Verwendung der Mittel. Wir verbinden damit ausdrücklich keine Spendenempfehlung. Alle von uns analysierten Organisationen haben sich der freiwilligen Prüfung durch das DZI unterzogen und tragen das entsprechende Spenden-Siegel. Insofern konnten wir davon ausgehen, dass alle Organisationen seriös arbeiten."
Bundesbürger spenden bis zu vier Milliarden Euro im Jahr
Die "Top 50" der Spenden-Siegel-Liste des DZI verzeichnen jährliche Spendeneinnahmen von jeweils zwei bis über 100 Millionen Euro und repräsentieren ein Spendenvolumen von insgesamt rund einer Milliarde Euro per anno. International zählt Deutschland zu den großzügigsten Geberländern bei internationalen Hilfseinsätzen. Die Bundesbürger spenden jährlich zwischen zwei und 2,5 Milliarden Euro an mehr als 2000 überregional tätige Spendenorganisationen. Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Gesamtspenden auf bis zu vier Milliarden Euro im Jahr addieren, wenn alle gemeinnützigen Zwecke wie Umwelt- und Naturschutz, Tierschutz, Kultur und Sport in die Berechnung einbezogen werden.
Nur 33 der 50 untersuchten Organisationen konnten bewertet werden
Schwere Mängel in der Transparenz der Spendenorganisationen zeigten sich bereits beim Versuch, verwertbare Daten zu erheben. So konnten 12 der 50 größten Organisationen nicht beurteilt werden, weil keine Rückmeldung erfolgte und selbst auf den eigenen Internetseiten der Organisationen keine verwertbaren Angaben gemacht wurden. Fünf Organisationen stellten zwar Unterlagen zur Verfügung - diese konnten jedoch nicht für die Auswertung berücksichtigt werden, weil sie lückenhaft waren oder die Kriterien nicht erfüllten.
Erbrachte Leistungen und Ziele bleiben fast immer im Dunkeln
Konkrete Informationen über erbrachte und geplante Leistungen sind der große Schwachpunkt nahezu aller Spendenberichte. Wozu die Gelder verwendet werden bleibt fast immer unkonkret, Zukunftspläne sind Mangelware.
PwC-Vorstandssprecher Hans Wagener:
"Die Aussage 'wir bauen Brunnen' ist häufig zu lesen. Wünschenswert wäre jedoch die Information, dass in Gomba und Baludien 100 Dörfer keinen Zugang zu Wasser haben und daher 60.000 Euro in den Bau von 40 Brunnen investiert werden, um die Versorgung von 10.000 Menschen zu ermöglichen." Positive Ausnahmen in der allgemeinen Leistungsberichterstattung waren die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe und terre des hommes Deutschland. Bemerkenswerte Einblicke in die künftige Arbeit gewährte Renovabis, während ADVENIAT mit Aussagen zur Leistungsfähigkeit und zum Projektmonitoring über dem Durchschnitt lag.
Extreme Zurückhaltung bei Organisations- und Führungsstrukturen
Nur wenige Spendenorganisationen informieren in ihren Jahresberichten über interne Kontrollmechanismen, über ihre Leitungs- und Aufsichtsorgane oder die Zusammensetzung der Vergütungen. Auch Angaben zu den Zielsetzungen der Organisationen, ihren Satzungen oder Strategien sind keine Selbstverständlichkeit. Positiv fielen hier die Deutsche Welthungerhilfe, World Vision Deutschland und die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe auf.
Gute Noten für Finanzberichte und Sprache
Überwiegend positiv fielen die Bewertungen für die Finanzberichterstattung aus. Etwa zwei von drei Organisationen erfüllten in ihren Berichten Mindeststandards, fast alle machten in ihren Bilanzen den Finanzstatus, die Mittelherkunft und -verwendung transparent. Bestnoten erreichten hier die Ärzte ohne Grenzen und die Kindernothilfe. Viele Bilder und rein emotionale Texte blieben bei der Gestaltung der Berichte die Ausnahme, die meisten Organisatoren pflegen erfreulicherweise einen sachlichen und informativen Stil. Hier erzielte Adveniat hervorragende Noten, sehr gut schnitt auch Ärzte ohne Grenzen ab.
Kopf-an-Kopf-Rennen unter den besten acht Organisationen
Die Ermittlung der drei Preisträger fiel äußerst knapp aus. Die Jury entschied sich jedoch einvernehmlich für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die den ersten Platz erzielte. Die Jury mit Prof. Dr. h.c. Dieter Stolte, ehemaliger Intendant des ZDF, Prof. Dr. Manfred Erhardt, Generalsekretär i.R. des Stifterverbandes der deutschen Wissenschaft, Prof. Dr. Lothar Schruff, Georg-August-Universität Göttingen/Lehrstuhl für Rechungslegung und Prüfung und Hans Wagener, Sprecher des Vorstands von PwC, wählte die deutsche Welthungerhilfe auf den zweiten Platz und Adveniat auf Rang 3.
Die weiteren Platzierungen: 4. World Vision Deutschland e.V. 5. Kindernothilfe e.V. 6. terre des hommes Deutschland e.V. 7. Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. 8. Renovabis e.V.
Weitere Informationen zum Kriterienkatalog des Transparenzpreises 2005 und die Rangliste des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) finden Sie im Internet unter www.pwc.com/de.
Hinweis für die Redaktion:
Lehrstuhl für Rechnungslegung und Prüfung, Prof. Dr. Lothar Schruff: Der Lehrstuhl befasst sich mit der Rechnungslegung und Prüfung von privaten und öffentlichen Unternehmen unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Normensysteme (HGB, IFRS, US GAAP, ISAs). In der Forschung liegen die Schwerpunkte im Bereich Governance auf methodischen Fragen der Entwicklung, Interpretation, Anwendung und Durchsetzung (Enforcement) von internationalen Rechungslegungs- und Prüfungsnormen für Unternehmen aller Rechtsformen, Größen und Branchen sowie für sonstige Organisationen (z.B. Non-Profit-Organisationen).
PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC): PwC ist in Deutschland mit 8.200 Mitarbeitern und einem Umsatzvolumen von rund einer Milliarde Euro eine der führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften. An 28 Standorten arbeiten Experten für nationale und internationale Mandanten jeder Größe. PwC bietet Dienstleistungen an in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Dienstleistungen (Assurance), Steuerberatung (Tax) sowie in den Bereichen Transaktions-, Prozess- und Krisenberatung (Advisory).
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