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Presseerklärung des AOK-Bundesverbandes: Frauenärzte unterschätzen Gesundheitsrisiken
WIdO veröffentlicht Studie zur Hormontherapie in den Wechseljahren

Bonn (ots)

Noch immer schätzen viele Frauenärzte den
medizinischen Nutzen einer Hormontherapie bei Frauen in den
Wechseljahren zu hoch ein. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das
Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) am Mittwoch in Berlin
veröffentlicht hat. "Wir haben festgestellt, dass die aktuellen
nationalen und internationalen Empfehlungen zur Hormontherapie
bislang noch nicht in den Arztpraxen angekommen sind", sagte Jürgen
Klauber, Geschäftsführer des WIdO und Mitautor der Analyse. "Zwischen
evidenzbasierter Studienlage und der therapeutischen Praxis zeigen
sich große Unterschiede."
Für die repräsentative WIdO-Studie wurden Anfang 2005 rund 400
niedergelassene Gynäkologen zu ihrer Haltung zur Hormontherapie
befragt. Danach sind rund 80 Prozent der befragten Frauenärzte davon
überzeugt, dass die Risiken einer Hormonbehandlung in den
Wechseljahren überbewertet werden. Und 43 Prozent sind der Meinung,
dass in Deutschland gegenwärtig zu wenig Frauen eine Hormontherapie
erhalten. "Ein nicht unerheblicher Teil der Gynäkologen hält eine
Hormontherapie bei Indikationen für sinnvoll, für die es aber keinen
ausreichenden wissenschaftlichen Beleg gibt", erklärte Klauber. So
halten immer noch 36,2 Prozent der befragten Frauenärzte die
Hormontherapie als Prävention gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen für
sinnvoll und 37,2 Prozent zur Vorbeugung gegen Demenz. Die
wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse aus den Studien der letzten
Jahre, dass Hormone solchen Erkrankungen nicht vorbeugen, bestätigen
dagegen nur 34,9 bzw. 22,7 Prozent. 85,5 Prozent gehen offensichtlich
davon aus, dass die Gabe von Hormonen depressive Verstimmungen
verbessert. Studien haben diese Aussage widerlegt.
Mehr als die Hälfte der befragten Ärzte (52,9 %) vertritt die
Meinung, dass dem Alterungsprozess bei Frauen mit Hormonen
entgegengewirkt werden sollte. Diese Haltung ist insbesondere bei
älteren Gynäkologen ausgeprägt: 71,4 Prozent der über 60-jährigen
Ärzte sprechen sich in der Befragung für den Einsatz von Hormonen
gegen das Altern aus. Bei den jüngeren Gynäkologen bis 45 Jahre sind
es 35,5 Prozent. Prof. Dr. Norbert Schmacke, Leiter der
Koordinierungsstelle Gesundheitsversorgungsforschung der Uni Bremen
und Mitautor der Studie, hält das Ergebnis für nicht verständlich.
"Die Idee, Hormone seien ein ewiger Jungbrunnen, hat die Wissenschaft
in mehreren Studien widerlegt. Sie bringen im Gegenteil erhebliche
Risiken mit sich: Herzinfarkte und Schlaganfall."
Nach den am häufigsten genutzten Informationsquellen gefragt,
nennen die Ärzte Fachzeitschriften und Fachgesellschaften. Aber auch
die pharmazeutische Industrie und Pharmaberater haben einen hohen
Stellenwert. Dagegen spielen offizielle Organe wie etwa die
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) oder die
Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) kaum eine Rolle. "Offenbar
vertrauen viele Gynäkologinnen und Gynäkologen deren hochwertigen
Behandlungsempfehlungen weitaus weniger als den Medien der
pharmazeutischen Industrie", folgerte Schmacke.
Prof. Dr. Bruno Müller-Oerlinghausen, Vorsitzender der
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, forderte die
Kassenärztlichen Vereinigungen und Fortbildungseinrichtungen für
Ärzte auf, die von der AkdÄ erarbeiteten Inhalte mit mehr Nachdruck
einzusetzen. Bei der Vorstellung der Studie wies er darauf hin, dass
es einen eindeutigen positiven Zusammenhang gebe zwischen den
Anstrengungen der KVen, die Leitlinien der AkdÄ den Ärzten zukommen
zu lassen, und dem Bekanntheitsgrad der Leitlinien.
Dr. Bernhard Egger, Leiter des Stabsbereichs Medizin im
AOK-Bundesverband, machte bei der Vorstellung der Studie deutlich,
dass es neben dem innerärztlichen Diskussionsprozess jetzt auch
darauf ankomme, die betroffenen Frauen selbst zu stärken. Frauen
müssten zu kritischen Partnern der Ärzte werden. "Die Hormontherapie
wird damit auch zu einem Prüfstein für Patientensouveränität."
Hintergrund der WIdO-Untersuchung ist ein sich bereits länger
abzeichnender, grundsätzlicher Wechsel in der Bewertung der
Hormontherapie nach dem vorzeitigen Ende der amerikanischen
Langzeitstudie "Women's Health Initiative" (WHI). Die Studie mit über
16.000 Teilnehmerinnen musste im Sommer 2002 abgebrochen werden, weil
die Risiken der Hormongabe an gesunden Frauen ab der Menopause höher
sind als der medizinische Nutzen. Die untersuchten Hormonpräparate
erhöhten deutlich das Risiko für Brustkrebs, Herzinfarkt und
Schlaganfall. Die britische "One Million Women Study" bestätigte im
August 2003 das erhöhte Brustkrebsrisiko. Die internationalen und
nationalen Behörden für Arzneimittelsicherheit empfehlen daher
einheitlich eine Hormontherapie nur noch bei schweren
Wechseljahrsbeschwerden und in Ausnahmefällen zur Behandlung einer
postmenopausalen Osteoporose, wenn es keine Behandlungsalternativen
gibt. Das WIdO hatte bereits frühzeitig auf die ungünstige
Schaden-Nutzen-Bilanz der Hormontherapie in den Wechseljahren
hingewiesen.
Die aktuelle Studie kann beim Wissenschaftlichen Institut der AOK
direkt bestellt werden (Telefon: 0228 843-131; Telefax: 0228
843-144):
Klauber, J., Mühlbauer, B., Schmacke, N., Zawinell, A.:
Wechseljahre in der Hormontherapie. Informationsquellen und ärztliche
Einstellungen in der Praxis. Bonn 2005, 100 Seiten, Preis 12,00 Euro,
ISBN: 3-922093-37-X
Alle Presseunterlagen zur Vorstellung der Studie am 6. Juli in
   Berlin finden Sie online unter
   http://www.aok-bv.de/presse/veranstaltungen/index_05020.html.

Pressekontakt:

AOK-Bundesverband
Pressestelle
Kortrijker Straße 1
53177 Bonn
Telefon: 0228 843-310
Fax: 0228 843-507
email: presse@bv.aok.de
homepage: www.aok-bv.de

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