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Rundfunkgebühr vor dem Bundesverfassungsgericht: VDZ warnt vor Freibrief für Online-Angebote von ARD und ZDF

Berlin (ots)

Begrenzung öffentlich-rechtlicher Internet-Medien auf 
   programmbegleitende Randnutzung ist Kernelement freier 
   Medienordnung - Einstellung des EU-Beihilfeverfahrens dafür ohne 
   Bedeutung
Am 2. Mai verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Klage 
von ARD, ZDF und Deutschlandradio, die letzte Erhöhung der 
Rundfunkgebühr sei in verfassungswidriger Weise zu gering 
ausgefallen. Die Zeitschriftenverleger befürchten, dass das 
Verfassungsgericht quasi beiläufig die für eine freie Medienordnung 
essenzielle Beschränkung des öffentlich-rechtlichen Sektors auf 
Rundfunkprogramme aufgeben könnte. Diese Sorge wird dadurch 
verstärkt, dass sich der für das Verfahren als Berichterstatter 
zuständige Verfassungsrichter Hoffmann-Riem bereits 2006 für eine 
Ausdehnung von ARD und ZDF im Internet ausgesprochen hat (FOCUS v. 
23.4.2007).
"Wenn das Verfassungsgericht dem mit staatlicher Finanzgarantie 
agierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Expansion in den 
bislang freien Meinungsmarkt journalistisch-redaktioneller 
Internetmedien gestattet, bedeutet das eine untragbare Verzerrung des
publizistischen Wettbewerbs", sagte Christoph Fiedler, Leiter 
Medienpolitik im VDZ. "Diese Ausdehnung käme im Zuge der 
Digitalisierung einer öffentlich-rechtlichen Aneignung aller Medien 
unter Einschluss der Presse gleich. Angesichts der nie da gewesenen 
außenpluralen Informations- und Meinungsvielfalt der Online-Medien 
fehlt im Internet jegliche Legitimation für das binnenplurale Konzept
einer durch Zwangsabgaben der Bürger finanzierten 
öffentlich-rechtlichen Grundversorgung. Der damit verbundene Eingriff
in die freie Meinungsbildung würde im Gegenteil sogar die Meinungs- 
und Medienvielfalt online gefährden. Denn wesentlichen Anteil an 
dieser Vielfalt hat die Presse, die sich allmählich zu den 
Online-Medien verlagern muss, dort aber im fragilen Prozess der 
Etablierung nachhaltiger Geschäftsmodelle durch staatlich finanzierte
Konkurrenz in ihrem Bestand getroffen werden kann."
Noch ist die Freiheit der neuen Internet-Medien von elektronischer
Presse bis hin zu audiovisuellen Abrufmedien gegen die staatlich 
organisierte und finanzierte Verzerrung des publizistischen 
Wettbewerbs gesetzlich geschützt. ARD und ZDF dürfen nach den 
Staatsverträgen Presse und Telemedien (Internet-Presse, audiovisuelle
Abrufmedien) lediglich "programmbegleitend" und nur mit 
"programmbezogenem" Inhalt anbieten. Werbung sowie Sponsoring ist 
ihnen online verboten. Den maßgeblichen Grundsatz hat das 
Bundesverfassungsgericht für die Presse anerkannt: 
Öffentlich-rechtliche Presse darf es nur "als lediglich 
unterstützende Randbetätigung" von ARD und ZDF geben. Jede 
"pressemäßige Berichterstattung", die also mit der privaten Presse in
echte publizistische Konkurrenz tritt, ist untersagt.
Dieser Schutz der neuen Internet-Medien gegen 
öffentlich-rechtliche Medien steht wie der entsprechende Schutz der 
Pressefreiheit nicht zur Disposition. Beide Medienfreiheiten sind 
bürgerliche Freiheiten, keine Staatsaufgabe. Presseunternehmen müssen
sich - in den Worten des Spiegel-Urteils - im gesellschaftlichen Raum
in privatrechtlicher Organisation und nach privatwirtschaftlichen 
Grundsätzen frei bilden können. Pressefreiheit ist publizistische UND
wirtschaftliche Freiheit; die Presse steht untereinander in geistiger
und wirtschaftlicher Konkurrenz. Es ist also nicht nur staatliche 
Überwachung ausgeschlossen. Auch der weniger sichtbare Eingriff einer
öffentlich-rechtlichen, durch Gesetze (staatsfern) organisierten und 
finanzierten Presse ist verboten. Medien, die sich in der 
Gesellschaft frei bilden sollen, müssen im wirtschaftlichen und 
publizistischen Wettbewerb ohne staatlich finanzierte und 
organisierte Verzerrungen agieren können. Diese 
verfassungs-rechtlichen Grundsätze außenpluraler Bürgerfreiheit 
gelten selbstverständlich auch für die jedermann zur Verfügung 
stehende Freiheit, Texte, stehende Bilder und Videos über das 
Internet zu veröffentlichen. Die duale Rundfunkordnung legitimiert 
keine duale Medienordnung.
Das im EU-Beihilfestreit über die Europarechtswidrigkeit der 
Rundfunkgebühr ausgehandelte Verfahren zur Prüfung 
öffentlich-rechtlicher Online-Angebote kann und will die nationalen 
medienrechtlichen Schranken gegen eine mediale Expansion von ARD und 
ZDF keinesfalls außer Kraft setzen. Wenn nun dennoch zu lesen ist, 
"im Gegenzug" zu einem Prüfverfahren für öffentlich-rechtliche 
Angebote seien alle journalistisch-redaktionellen 
öffentlich-rechtlichen Angebote online erlaubt, ist das rechtlich 
nicht haltbar. Das EU-Beihilferecht kann und will ARD und ZDF nichts 
erlauben, was Grundgesetz und Rundfunkgesetze verbieten. Das im 
Beihilfestreit geplante Prüfverfahren kommt demnach zu den 
essenziellen medialen Grenzen öffentlich-rechtlicher 
Rundfunktätigkeit hinzu; beide Filter müssen kumulativ passiert 
werden.
Weitere Hintergrundinformationen:
Die beschriebenen Grenzen öffentlich-rechtlicher Internet-Medien 
lassen sich verfassungsrechtlich wie folgt systematisieren:
1. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist ein - im Gegensatz zu den 
Grundsätzen jeder echten Presse-, Meinungs- und Medienfreiheit - 
staatlich überformter und normativ organisierter wie finanzierter 
Medienbereich. Er ist als solcher in einer freien Gesellschaft immer 
nur die zweitbeste Lösung und bedarf als Sonderfall staatlicher 
Medienausgestaltung und staatlichen Eingriffs in die freie 
gesellschaftliche Meinungsbildung der Rechtfertigung. Diese 
Rechtfertigung ist für alle neuen Medienangebote im zugangsoffenen 
Internet ebenso wenig gegeben wie für die zugangsoffene und 
außenplurale Presse auf Papier. Insbesondere wenn man die frei 
entstandene, noch nie da gewesene außenplurale Vielfalt der neuen 
Internet-Medien sieht, erscheint das Begehren von ARD und ZDF nach 
öffentlich-rechtlicher Expansion in diesen Sektor unbegründet. Selbst
wenn die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Sonderkonstrukts für
Rundfunkprogramme trotz zunehmender Außenpluralität erhalten bleibt, 
lässt sie sich doch jedenfalls nicht medial ausdehnen.
2. Eine insgesamt, unter Einschluss aller Medien freiheitliche 
Meinungsbildung setzt die mediale Begrenzung öffentlich-rechtlicher 
Medien voraus. Wird nur eines von vielen Medien und damit nur ein 
Segment der Meinungsbildung, d. h. der Rundfunk, durch staatliche 
Ausgestaltung und Garantie eines öffentlich-rechtlichen Pfeilers als 
duales System der wirklich freien, außenpluralen Meinungsbildung 
entzogen, ist das für das Gesamtmediensystem insgesamt noch 
erträglich. Die enge Begrenzung öffentlich-rechtlicher 
Medienorganisation auf einen abgegrenzten Teil der Medien, d. h. auf 
Rundfunkprogramme (Fernsehen- und Hörfunk), ist also notwendige 
Bedingung ihrer Rechtfertigung. Eine duale Rundfunkordnung ist 
erträglich oder erwünscht, eine duale Medienordnung würde keinerlei 
wirklich freies Mediensegment mehr übrig lassen.
3. Die Grundrechtsgarantie der freien Presse verlangt, dass der 
Staat auch bei der Regelung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks den 
Erhalt einer freien Presse berücksichtigt. Der Staat ist - unabhängig
von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner 
Rechtsordnung überall, wo Normen die Presse berühren, dem Postulat 
ihrer Freiheit Rechnung zu tragen (Spiegel-Urteil). Wollten aber 
Gesetze dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die mediale Ausweitung 
hin zu elektronischer Presse und Neuen Medien erlauben, deren 
refinanzierbare Nutzung durch Zeitschriften und Zeitungen zunehmend 
zur Bedingung des Überlebens einer vitalen Presse wird, würden sie 
die Garantie des "Instituts" Freie Presse verletzen.
Ansprechpartner: Dr. Christoph Fiedler, Leiter Europa- und 
Medienpolitik, 030 72 62 98 120
Weitere Informationen:
Norbert Rüdell
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 
Tel: +49 (30) 72 62 98-162
E-Mail:    n.ruedell@vdz.de
Internet: www.vdz.de

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