All Stories
Follow
Subscribe to Bundesärztekammer

Bundesärztekammer

Gensequenzen sollten frei verfügbar bleiben
Wissenschaftler äußern Bedenken gegen zu weit gefasste Patente

Köln (ots)

Die Meldung von der Entschlüsselung des menschlichen
Genoms wurde im vergangenen Jahr als Jahrhundertereignis gefeiert.
Bisher sind jedoch nur etwa 50 Prozent des menschlichen Genoms durch
entsprechende Publikation der forschenden Öffentlichkeit zugänglich.
Darauf machte Prof. Dr. Detlev Ganten vom Berliner
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin auf dem 25.
Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer in Köln aufmerksam.
Die Aufklärung der Gesamtsequenz des menschlichen Erbgutes sei zu
einem Wettlauf zwischen nicht-kommerziellen (staatlichen) und
kommerziellen (privatfinanzierten) Einrichtungen geworden. "Zu großen
Teilen ist das wissenschaftliche Forschungsprojekt zu einem
biotechnologischen Unternehmen geworden, hinter dem mit handfesten
marktorientierten Interessen die pharmazeutische Industrie steht",
sagte Ganten.
Schon jetzt habe die Einführung gentechnischer Verfahren in die
pharmazeutische Industrie zu einer erheblichen Rationalisierung von
Herstellungsprozessen geführt. In einigen Fällen ermöglichte sie
überhaupt erst die Gewinnung von bisher nicht zugänglichen
therapeutisch anwendbaren Substanzen. Dadurch wurden Arzneimittel für
eine therapeutische Verwendung erschlossen, deren Herstellungsaufwand
auf chemisch-synthetischem Wege eine Anwendnung bislang unmöglich
gemacht hatte. "Bereits heute werden etwa 40 gentechnologisch
hergestellte Produkte vermarktet, etwa 300 weitere befinden sich zur
Zeit in klinischen Studien", so Ganten. Die Entschlüsselung des
menschlichen Genoms werde diesen Prozess erheblich beschleunigen.
Biotechnologische Firmengründungen mit dem Schwerpunkt
Genomforschung sind inzwischen das am schnellsten wachsende
Industriesegment in Deutschland. Dadurch gewinne auch die
Patentierung isolierter Gensequenzen große Bedeutung, so Ganten. Bei
der Erteilung von solchen Biopatenten müsse eine Behinderung der
Forschung auf diesem Gebiet vermieden werden: "Statt einer
Patentierung sollten Gensequenzen grundsätzlich in Datenbanken frei
verfügbar gehalten werden und durch Erhebung einer Benutzungs- bzw.
Lesegebühr finanziellen Anreiz für eine weitere Erforschung bieten",
schlägt Ganten vor.
Mögliche Konflikte durch prädiktive Diagnostik von
Krebserkrankungen
Die konkreten Anwendungsmöglichkeiten der Molekularen Diagnostik
waren ein weiteres Thema des Fortbildungskongresses. Prof. Dr. Peter
Propping vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn
erläuterte, welche großen Chancen der Krankheitsfrüherkennung und
Krankheitsvermeidung sich durch die molekulargenetische Diagnostik
ergeben, sowohl im Hinblick auf die erblich bedingten
Krebserkrankungen als auch im Hinblick auf die viel häufigeren
nichterblichen Tumorkrankheiten. Schon heute gibt es z.B. für
erblichen Darmkrebs und erblichen Brustkrebs Programme zur
Früherkennung von Anlageträgern. Durch eine frühe Diagnose der
Krankheit kann dann rechtzeitig die Therapie eingeleitet werden.
Propping beschrieb aber auch die möglichen Konflikte, die sich aus
der prädiktiven genetischen Diagnostik von Krebserkrankungen ergeben
können. Schon bei der Berufswahl könnten Probleme entstehen, wenn es
bei dem angestrebten Beruf auf völlige Gesundheit ankomme. Auch im
partnerschaftlichen Bereich oder bei der Entscheidung über eigene
Kinder können sich Probleme ergeben. "Dies gilt insbesondere für
junge Menschen, die einem Partner ihre Tumordisposition offenbaren",
sagte Propping. In der Familie können Konflikte dann entstehen, wenn
beispielsweise die Eltern einer zum Test entschlossenen jungen
Risikoperson ihre eigene Veranlagung noch nicht kennen. In einem
solchen Fall sei das Informationsbedürfnis des Ratsuchenden höher
einzuschätzen als das Nichtwissen des betreffenden Elternteils,
betonte Propping.

Pressekontakt:

Pressestelle der deutschen Ärzteschaft
Bundesärztekammer
Tel.: 030-30 88 98 30
Hans-Jörg Freese
hans.freese@dgn.de
Tel.: 030-30 88 98 34

Original content of: Bundesärztekammer, transmitted by news aktuell

More stories: Bundesärztekammer
More stories: Bundesärztekammer
  • 11.01.2001 – 15:57

    Immer mehr Deutsche leiden an Rheuma / Budgets verschlechtern Versorgung der Patienten

    Köln (ots) - Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates, insbesondere die Arthrose (Gelenkverschleiß) und Arthritis (Gelenkentzündung), haben in den Industrienationen stark zugenommen. Als Ursache für Arbeitsunfähigkeit, Schwerbehinderung und Frühberentung stehen sie an erster Stelle, sagten übereinstimmend der Orthopäde Prof. Dr. Bernd-Dietrich ...

  • 11.01.2001 – 15:18

    Ein Leben bis zuletzt leben / Palliativmedizin hat nicht den Stellenwert, den sie verdient

    Köln (ots) - In Deutschland werden immer noch viele Patienten am Lebensende in ein Krankenhaus eingewiesen, obwohl eine Versorgung zu Hause möglich wäre und von den meisten Menschen auch gewünscht wird. So sterben etwa 70 Prozent aller Tumorpatienten in Krankenhäusern und nur 30 Prozent in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung. Diese Zahlen nannten Experten auf ...

  • 11.01.2001 – 15:14

    25 Jahre Interdisziplinäres Forum: Experten diskutieren neue Therapieansätze

    Köln (ots) - Das Flaggschiff der ärztlichen Fortbildung feiert Jubiläum: "Seit 25 Jahren ist das Interdisziplinäre Forum "Fortschritt und Fortbildung in der Medizin" die zentrale Fortbildungsveranstaltung der Bundesärztekammer und der größte fachübergreifende Kongress dieser Art im deutschsprachigen Raum", so Prof. Dr. Heyo Eckel, Vorsitzender des Deutschen ...