Transplantationsskandal: Selbstverwaltung und Politik haben nötige Konsequenzen gezogen (Pressemitteilung der Bundesärztekammer)
Berlin (ots)
Das Urteil des Landgerichts Göttingen, das nach einer langen Hauptverhandlung und kontroversen Beweisaufnahme heute mündlich verkündet und vom Vorsitzenden des Strafkammer mündlich begründet wurde, kann gegenwärtig noch nicht inhaltlich bewertet werden. Eine abschließende Stellungnahme zu Ergebnis und Begründung ist erst möglich, wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen. Diese allein sind für eine rechtliche Bewertung, u.a. durch das Revisionsgericht maßgeblich, da nur das schriftliche Urteil das vom Gericht beratene Ergebnis der Beweisaufnahme und dessen rechtliche Bewertung rechtsverbindlich dokumentiert.
Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil rechtskräftig wird oder ob einer der Verfahrensbeteiligten Revision einlegt. Dann wäre der Bestand des Urteils davon abhängig, wie der zuständige Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Verfahren und die Entscheidung der Strafkammer bewertet.
Unabhängig davon kommt es für die Bundesärztekammer und die Ärzteschaft nicht darauf an, ob sich der Angeklagte des Göttinger Verfahrens strafbar gemacht hat. Darüber zu urteilen ist nicht Aufgabe der Bundesärztekammer, sondern eine Aufgabe der unabhängigen Justiz, deren Entscheidungen zu respektieren sind. Die Prüfungs- und die Überwachungskommission, gemeinsam getragen von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband, haben nach ihrem gesetzlichen Auftrag die Aufgabe zu überprüfen, ob sich einzelne Ärzte oder Ärztinnen bzw. Transplantationszentren an die verbindlichen Richtlinien gehalten haben oder ob sie diese missachtet oder auf andere Weise verletzt haben. Das war in Göttingen in gravierender Weise der Fall. Dies zu sanktionieren ist ebenfalls nicht Aufgabe der Bundesärztekammer, sondern der zuständigen Landesaufsichtsbehörden.
Die Bundesärztekammer hat 2012 gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem GKV-Spitzenverband unmittelbar und nachhaltig auf die Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Manipulation von Patientendaten reagiert und damit einige wesentliche Veränderungen in der Transplantationsmedizin auf den Weg gebracht. Erst seit der Novelle des Transplantationsgesetzes im August 2012 dürfen die Kommissionen flächendeckende Vor-Ort-Prüfungen in den Transplantationszentren und Entnahmekrankenhäusern durchführen, deren Ergebnisse regelmäßig veröffentlicht werden. Überdies wurde die unabhängige Vertrauensstelle Transplantationsmedizin eingerichtet, welche die auch anonyme Meldung von Auffälligkeiten und Verstößen gegen das Transplantationsrecht ermöglicht. Zudem wurde das sogenannte Mehraugenprinzip bei der Anmeldung von Wartelisten-Patienten in den Transplantationsrichtlinien verankert. Dazu sind die Richtlinien der Bundesärztekammer nach § 16 TPG im Hinblick auf die verpflichtende Einrichtung von interdisziplinären Transplantationskonferenzen in den Transplantationszentren geändert worden.
Die Bundesregierung hat jüngst in einem Bericht zur Arbeit der Kommissionen bestätigt, dass diese sich durch ihre umfassenden Prüfungen sehr bewährt haben - auch als flexible und extrem belastbare Kontrollgremien, die den Anforderungen im komplexen und dynamischen Gebiet der Transplantationsmedizin gerecht werden. Außerdem stellte sie fest, dass die verstärkten Kontrollen der Transplantationszentren und Entnahmekrankenhäuser zu mehr Transparenz beigetragen haben.
"Die nötigen Konsequenzen wurden gezogen", so der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation, Prof. Dr. jur. Hans Lilie, "und die getroffenen Maßnahmen haben längst ihre präventive Wirkung entfaltet".
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