Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
Prädikat"besonders wertvoll" für Doku 10 MILLIARDEN - WIE WERDEN WIR ALLE SATT?/Kinostart mit Prädikat auch für Drama JUDGMENT und Helge Schneider-Doku MÜLHEIM TEXAS
Wiesbaden (ots)
Rund um die Welt ist Valentin Thurn für seinen Film 10 MILLIARDEN - WIE WERDEN WIR ALLE SATT? (Start: 16. April) gereist. Dabei beschäftigte ihn die zentrale und vor allem globale Frage: Wie können alle Menschen auf dieser Welt satt werden, wenn die Menschheit in absehbarer Zeit auf 10 Milliarden angestiegen sein wird? Thurn reist nach Asien, nach Afrika, blickt aber auch immer wieder auf Europa, wo auch heute schon diverse Projekte gestartet sind, die regionale Qualität von Essen und Ernährung ins Zentrum ihrer Bemühungen stellen. "Ein handwerklich gut gemachter Film wie dieser, der sich seinen Fragen ernsthaft stellt, kann Anstoß zum Nachdenken geben." So steht es in der Begründung der FBW-Jury, die den Film aufgrund seines Inhalts und seiner filmischen Form mit dem höchsten Prädikat "besonders wertvoll" auszeichnete.
Für ihren Dokumentarfilm MÜLHEIM TEXAS - HELGE SCHNEIDER HIER UND DORT (Start: 23. April) hat sich die Filmemacherin Andrea Roggon keinen einfachen Protagonisten ausgesucht. Denn so vielseitig der Künstler Helge Schneider auch ist, so wenig zugänglich ist er als Privatperson abseits des Rampenlichts. Dennoch hat sich Roggon dieser Aufgabe gestellt und begleitet den Entertainer auf Reisen, bei Dreharbeiten, besucht ihn aber auch in seinem häuslichen Domizil. Die fünfköpfige Expertenrunde der FBW vergab das Prädikat "besonders wertvoll" für einen Film, der in seiner gesamten Machart, so ist es im Gutachten nachzulesen, sowohl "Helge Schneider als auch seiner Kunst" gerecht wird.
Der Witwer Mityo lebt mit seinem Sohn Vasko in einem Dorf in Bulgarien, das direkt an der türkisch-griechischen Grenze liegt. Die hohen Schulden treiben Mityo eines Tages dazu, einen Job bei seinem ehemaligen Vorgesetzten bei den Grenzsoldaten anzunehmen. Er soll EU-Flüchtlinge über den Bergpass und damit über die Grenze schleusen. Doch mit diesem Bergpass verbindet Mityo schmerzhafte Erinnerungen. Stephan Komandarev gelingt mit der europäischen Koproduktion JUDGMENT - GRENZE DER HOFFNUNG (Start: 23. April) ein starkes, berührendes und mitreißendes Drama. Dass der Film "ein Musterbeispiel für eine gelungene internationale Zusammenarbeit" sei, wurde von der FBW-Jury, neben der genauen Milieubeschreibung und dem exzellenten Drehbuch, in ihrem Gutachten explizit lobend hervorgehoben. Die Jury vergab das höchste Prädikat "besonders wertvoll".
Kommende Kinostarts mit Prädikat: EX_MACHINA von Alex Garland, der Dokumentarfilm STRICHE ZIEHEN und der kanadische Kinder- und Jugendfilm SHANA - THE WOLF'S MUSIC. Mehr Informationen zu aktuellen und kommenden FBW-Empfehlungen unter www.fbw-filmbewertung.com.
Prädikatsfilme vom 16. bis 23. April 2015
10 Milliarden - wie werden wir alle satt? Dokumentarfilm. Deutschland 2015.
Zu Beginn seines neuesten Dokumentarfilms stellt Valentin Thurn eine Rechnung auf, die eine bedrückende Ausgangsposition darstellt: Im Laufe des Jahrhunderts wird die Weltbevölkerung auf zehn Milliarden anwachsen. Bisher hat jeder Sechste auf diesem Planeten zu wenig zu essen. Bei zehn Milliarden wird es jeder Dritte sein. Wie also kann man dieses Problem in den Griff kriegen? Und welche Alternativen gibt es, um alle Menschen satt zu bekommen? Es gibt viele Zweige der industriellen Landwirtschaft, die glauben, die Lösung zu kennen. Genetisch veränderter Lachs zum Beispiel. Oder fleischloses Fleisch. Doch ist das wirklich die Antwort auf die wichtige Frage? Und kann die strategisch geplante Theorie auch kostengünstig in die Praxis umgesetzt werden? Thurn zeigt zunächst sämtliche Lösungsansätze auf, ohne sie zu werten. Und doch schließt er jedes Kapitel ab mit einem zusammenfassenden Kommentar, der offenbart, dass hier noch lange kein Plan besteht, der die Erde und ihr Essensproblem in den Griff bekommt. Und doch gibt es kleine Projekte und private Unternehmungen, die Möglichkeiten aufzeigen, welche schon heute funktionieren. Ein kleines Stadtgartenprojekt in England zum Beispiel, welches es sich zum Ziel gesetzt hat, freie Grünflächen in der Stadt zu bepflanzen. Alles Gesäte ist essbar - und für jeden frei zugänglich. Denn am Ende läuft eine der wichtigsten Erkenntnisse darauf hinaus, dass ein globales Problem nur dann lösbar ist, wenn es regional angegangen wird. Unterstützt werden Thurns Reisen und Gedankengänge von Experten, Forschern, Firmenchefs und Unterstützern der Projekte. So ist der Film vielschichtig, komplex und doch in jeder Minute nachvollziehbar. Und zudem eine kluge Auseinandersetzung mit einer Frage, die noch keiner lückenlos beantworten kann, und die den Zuschauer auffordert, selbst etwas zu tun. Denn auch wir werden Teil der zehn Milliarden sein.
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Mülheim-Texas - Helge Schneider hier und dort Dokumentarfilm. Deutschland 2014.
Helge Schneider ist komisch. Helge Schneider ist Künstler. Helge Schneider ist Musiker. Doch trotz dieser Zuordnungen ist Helge Schneider nicht leicht zu erklären. In Interviews albert er herum, in seinen Auftritten improvisiert er, variiert von diffizilen Jazz-Arrangements hin zu "Katzeklo"-Performances und in seinen Filmen erschafft er Alter Egos, die er dann gerne auch in der Öffentlichkeit anwendet. Die Filmemacherin Andrea Roggon hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein Porträt von Helge Schneider zu zeichnen. Und der Titel verrät es: Dieser schwierigen Aufgabe stellt sie sich, indem sie ihn einfach begleitet. Auf seinen Tourneen, zuhause und bei Dreharbeiten. Dabei entsteht der Eindruck, dass der Film nicht etwa den Porträtierten in eine Form presst, sondern ihm in dynamischem Fluss in seiner Denke folgt. Immer wieder werden Teile eines lange vorbereiteten Interviews dazwischengeschnitten, bei denen man merkt, dass auch für Schneider diese Situation Neuland ist. Denn er selbst, das betont er immer wieder, sieht sich als Clown, der die Leute unterhält, seine eigenen Befindlichkeiten aber versteckt. Es ist ein großes Verdienst des Films, dass dennoch immer wieder ein anderer Helge Schneider durchblitzt, der ehrgeizige und fleißige Arbeiter, der sich neuen Herausforderungen stellt, wenn er beispielsweise mit anderen Musikern wie der begnadeten Beatbox-Künstlerin Butterscotch an neuen Musiknummern feilt. Aber auch ein fast schüchterner Mensch, der sich mit Improvisationen aus seiner Unsicherheit befreit. Die Belohnung ist das Lachen des Publikums. Auch das fängt die Kamera in wunderschönen Momenten ein, wenn die Gesichter zu sehen sind, in denen sich Begeisterung und die pure Lust am Vergnügen spiegeln. Dann steht Helge Schneider auf der Bühne. Er singt Lieder, spielt ein Instrument oder improvisiert munter drauf los. Dabei ist er immer er selbst. Oder eben eine Version seiner selbst. MÜLHEIM-TEXAS ist ein gelungenes und höchst unterhaltsames Künstlerporträt, das sich den vielen Facetten des Helge Schneider nähert, ohne komplett zu entmystifizieren. Und so bleibt Helge Schneider ein Komiker, ein Künstler, ein Musiker. Und auch immer noch ein Geheimnis.
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Judgment - Grenze der Hoffnung
Spielfilm, Drama. Deutschland, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien 2014.
Mityo lebt mit seinem Sohn Vasko in einem kleinen Dorf an der bulgarisch-türkischen Grenze. Seinen Job als Fahrer hat Mityo gerade verloren, daher kann er die Stromrechnung und die Abzahlung der Hypothek auf das Haus nicht mehr bezahlen. Als schon alles zu spät erscheint, taucht ein ehemaliger Bekannter auf: Der "Kapitän", Mityos ehemaliger Vorgesetzter bei der Armee, macht Mityo ein Angebot. Er soll gegen Bezahlung syrische Flüchtlinge über die nahegelegene Grenze zur Türkei schleusen. Der Weg führt über den Berg "Judgment" - und mit diesem Berg verbindet Mityo schmerzvolle Erinnerungen, die ihn bis heute verfolgen. Die Geschichte in Stephan Komandarevs Film entspinnt sich wie eine klassische Tragödie. Die verhandelten Themen und Konflikte sind dabei komplex und dicht miteinander verbunden. Ob die aktuelle Flüchtlingsproblematik in Europa, die wirtschaftlich schwierige und oftmals trostlose Situation in einem Land wie Bulgarien oder auch das geschichtliche Trauma der Soldaten in den Grenzgebieten Südosteuropas. Komandarev gelingt es dabei nicht nur, ein vielschichtiges Bild Bulgariens zu zeichnen, sondern die Menschen auch glaubwürdig in diesem Kontext zu verorten. Durch seine ruhige Erzählhaltung gibt der Film dem Zuschauer Zeit, in die Geschichte und in die Gesellschaft einzutauchen Die Kraft der Natur wird von der außergewöhnlichen Kamera überzeugend in Szene gesetzt. Oftmals spürt der Zuschauer auch körperlich die Bedrohung der Situation und kann sich der aufgeladenen Atmosphäre kaum entziehen. Unterstützt wird dies von der hochemotionalen Musik. Bei den Figuren selbst gibt es keine eindimensionale Unterteilung in Gut oder Böse. Denn selbst der vom Kapitalismus durchtriebene "Kapitän" ist eine gebrochene Figur. Am Ende ist JUDGMENT aber auch die Geschichte zwischen einem Vater, der seinem Sohn ein gutes Leben bieten will, dazu aber nicht in der Lage ist, und einem Sohn, der seinen Vater verachten will, ihn aber dennoch liebt. Es ist diese Erlösung, die am Ende der Geschichte steht. Denn Vasko ist stolz darauf, zu erklären, der Sohn seines Vaters zu sein. Ein berührendes und starkes Drama über Schuld und Buße, Rache und Vergebung.
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