Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
"Besonders wertvoller" Kinostart für EIN MANN NAMENS OVE/Kinostart mit höchstem Prädikat auch für UNTER DEM SAND und A WAR
Wiesbaden (ots)
Niemand wünscht sich einen Nachbarn wie Ove. Er liebt die Ordnung und kontrolliert jeden Morgen, ob auch kein Müll auf der Straße liegt, das Fahrverbot durch die Siedlung eingehalten wird oder ob auch ja die Garagentore abgeschlossen sind. Der einzige Mensch, mit dem Ove sanftmütig redet, ist seine Frau. Doch die ist tot. Und er wünscht sich nichts sehnlicher als wieder mit ihr vereint zu sein. Und so plant Ove seinen Selbstmord. Doch auch bei diesem penibel vorbereiteten Plan scheint ihn immer jemand aus der Nachbarschaft zu stören. Mit EIN MANN NAMENS OVE (Start: 7. April) von Regisseur Hannes Holm startet in dieser Woche die Verfilmung des schwedischen Bestsellers von Fredrik Backman, die in Schweden bereits Millionen Besucher in die Kinos gelockt hat. Ganz im Stil der Vorlage vereint der Film, dessen Titelfigur Rolf Lassgard grandios verkörpert, dabei den augenzwinkernden und trockenen Humor mit berührenden Momenten der Erinnerung Oves an sein langes und ereignisreiches Leben. "Der Film ist mit einer Riege von Charakterdarstellern, die die Skurrilität der Figuren sehr unterhaltsam betonen, glänzend besetzt. Zu den Stärken des Drehbuchs gehören die pointierten Dialoge und die feine Balance zwischen Groteske und anrührenden Szenen. Eine außergewöhnlich gut gelungene Komödie." So urteilt die fünfköpfige Expertenrunde der FBW und verleiht dem Film das höchste Prädikat "besonders wertvoll".
Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden deutsche Kriegsgefangene nach Dänemark beordert, um dort an den Küsten die über 2,2 Millionen Granaten wegzuräumen, mit denen die deutschen Besatzer die dänische Küste vermint hatten. Viele der deutschen Soldaten waren noch sehr jung und ohne jede militärische Ausbildung - nicht nur aus diesem Grund ist die Entsorgung der Minen, von denen Martin Zandvliet in UNTER DEM SAND (Start: 7. April) erzählt, ein gefährliches Himmelfahrtskommando. Für die FBW-Jury, die das Kriegsdrama mit dem Prädikat "besonders wertvoll" auszeichnet, entwickelt der Film "eine enorme Spannung, denn jede Bewegung kann tödlich sein und die Sequenzen sind so geschickt inszeniert, dass der Zuschauer unmöglich vorhersehen kann, welche und wie viele von den jungen Männern schließlich überleben werden." Für die Jury ist der Film "ein perfekt gebauter Thriller mit existentieller Tiefe", mit einem Ensemble voller Nachwuchstalente, die mit großer "Intensität und Natürlichkeit" spielen und durch die "das Publikum schnell eine beachtliche Empathie entwickelt". Insgesamt für die Jury "zugleich ein spannendes Drama und eine universelle, humanistische Parabel."
Bei einem Einsatz in Afghanistan wird eine der Einheiten des Kommandanten Claus Pedersen angegriffen. In Sekundenschnelle muss Pedersen eine schwere Entscheidung fällen und befiehlt, um seine Leute zu schützen, ein Gebäude zu bombardieren, in dem sich auch Zivilisten aufhalten. Wieder in der Heimat muss sich Pedersen deshalb vor dem Militärgericht verantworten. Und auch er selbst stellt sich immer wieder die Frage, ob er richtig gehandelt hat. Oder eben so handeln musste. Der nicht nur in seiner Heimat Dänemark gefeierte Regisseur Tobias Lindholm beschäftigt sich in A WAR (Start: 14. April) mit einem moralischen und menschlichen Dilemma. Die Jury der FBW zeigte sich beeindruckt von dem Kriegsdrama und schreibt: "So unspekulativ und nüchtern wie hier hat ein Regisseur nur selten vom Krieg erzählt." In ihrer Begründung für das höchste Prädikat "besonders wertvoll" lobt die Jury zu dem die Leistung des Hauptdarstellers Pilou Asbek, der "die Figur so natürlich und überzeugend verkörpert". Die Jury kommt zu dem Schluss: "Lindholm erzählt zugleich einfach und komplex, realistisch und spannend, analytisch sezierend und mit viel Empathie. So hat A WAR mit Kriegsfilmen im herkömmlichen Sinne nicht viel gemein."
Außerdem seit 31. März im Kino: Die berührende und unterhaltsame Komödie EDDIE THE EAGLE, die von der wahren Geschichten des bisher einzigen britischen Skispringers Eddie Edwards berichtet. Die FBW-Jury empfiehlt den Film mit dem Prädikat "wertvoll".
Mehr Informationen zu aktuellen und kommenden FBW-Empfehlungen unter www.fbw-filmbewertung.com.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) zeichnet herausragende Filme mit den Prädikaten wertvoll und besonders wertvoll aus. Über die Auszeichnungen entscheiden unabhängige Jurys mit jeweils fünf Filmexperten aus ganz Deutschland. Die FBW bewertet die Filme innerhalb ihres jeweiligen Genres.
Prädikatsfilme vom 7. bis 14. April 2016
Ein Mann namens Ove
Spielfilm, Komödie. Schweden 2015.
Einen Nachbarn wie Ove zu haben, ist nicht gerade ein Zuckerschlecken. Penibel kontrolliert der Mann, der nun auch noch seinen Job bei der Eisenbahn verloren hat, jeden Morgen, ob auch kein Müll auf der Straße liegt, das Fahrverbot durch die Siedlung eingehalten wird, die Garagentore abgeschlossen sind. Nichts entgeht dem strengen Blick des verbitterten Griesgrams, der nur einmal am Tag sanftmütig zu werden scheint, wenn er mit Rosen das Grab seiner Frau besucht. Ihr erzählt er von den neuen Nachbarn, die gerade nebenan eingezogen sind und die ihn ständig wegen irgendetwas nerven. Von der Katze, die ihm nicht mehr von der Seite weichen will. Von der Welt, die ihn einfach nur wütend macht. Und er verspricht ihr, bald bei ihr zu sein. Denn Ove will seinem Leben ein Ende setzen. Doch wie soll man denn in Ruhe einen Selbstmord planen, wenn ständig jemand vorbeikommt und stört? EIN MANN NAMENS OVE ist die Verfilmung des gleichnamigen schwedischen Bestsellers von Fredrik Backman. Ganz im Stil der Vorlage vereint Regisseur Hannes Holm den augenzwinkernden und trockenen Humor mit berührenden Momenten der Erinnerung Oves an sein langes und ereignisreiches Leben. Denn immer, wenn Ove gerade kurz davor steht, seinen Selbstmord-Plan in die Tat umzusetzen, geht der Zuschauer mit Ove zurück in die Vergangenheit und lernt so Seiten an Ove kennen, die dieser eigentlich verbergen möchte. Der Film hält geschickt die Balance zwischen großer Unterhaltung, die auch aus den leichtfüßigen Dialogen resultiert, und tiefen wahrhaftigen Momenten, die im gelungenen Zusammenspiel des gesamten Ensembles voller authentischer und wundervoll besetzter Figuren entstehen. An der Spitze steht dabei Rolf Lassgård als Ove. Äußerst überzeugend spielt er seine Rolle als mürrischer und polternder Miesepeter, der auf die Welt nicht gut zu sprechen ist und sie am liebsten aussperren möchte. Doch als die junge Iranerin Parvaneh, die von Bahar Pars sympathisch zupackend und mit grundoptimistischer Lebensfreude gespielt wird, die harte Schale des Griesgrams zu knacken beginnt, wandelt sich auch Lassgårds Mimik. Rührend und bezaubernd sind diese Momente der Annäherung, die offenbaren, wie sanft dieser Ove auch sein kann und wie es gelingt, diese Figur nicht zu fürchten, sondern sie tief ins Herz zu schließen. EIN MANN NAMENS OVE ist eine wunderbare Komödie aus Schweden, bei der man aus vollem Herzen lachen aber auch weinen kann. Und dankbar ist, im Kino diesen Mann namens Ove kennengelernt zu haben.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/ein_mann_namens_ove
Unter dem Sand
Kriegsdrama, Spielfilm. Deutschland, Dänemark 2015.
Dänemark, 1945. Der Krieg ist vorbei, die Deutschen sind besiegt und werden aus dem Land gejagt. Doch neben dem Grauen und dem Elend der Besatzung bleibt noch etwas anderes an Dänemarks Küsten zurück. 2,2 Millionen Landminen, die die Nazis an der Nordseeküste vergraben haben. Mehrere Gruppen junger Soldaten werden vom dänischen Militär beordert, im Sand nach den Minen zu graben und sie zu entschärfen. Für die dänische Seite ist dies nur eine logische Form der Wiedergutmachung. Für die jungen Männer, die oft noch Kinder sind, ist dies ein Himmelfahrtskommando, für das viele mit ihrem Leben bezahlen. Der Regisseur Martin Zandvliet erzählt in seinem Film UNTER DEM SAND von einem dunklen Kapitel der deutsch-dänischen Nachkriegsgeschichte. Dabei wählt er die Perspektive der jungen deutschen Soldaten, die neben dem Trauma der Kriegserlebnisse sich nun der erneuten Todesgefahr durch die Minen stellen müssen. Der Film zeigt dabei schonungslos und spannungsvoll die Arbeit am Strand, und lässt dabei den Zuschauer in der stetigen Ungewissheit, welche der Figuren diese Zeit überleben wird. Doch trotz dieser gewaltigen und existenziellen Erzählebene vergisst Zandvliet nie die kleinen zwischenmenschlichen Geschichten. Verlassen kann er sich dabei auf ein großartiges Ensemble an Jungschauspielern wie etwa Louis Hofmann Joel Basman und Leon Seidel, die von den dänischen Charakterdarstellern Roland Møller und Mikkel Boe Følsgaard perfekt ergänzt werden. Der Film vermeidet es, für eine Seite oder ein Land Partei zu ergreifen. Die Figuren sind nicht schwarz und weiß gezeichnet, es gibt viele Ambivalenzen, aber keine eindeutige Zuordnung von Gut oder Böse. Wenn überhaupt, das wird auch am Ende sehr deutlich, ergreift UNTER DEM SAND Partei für die Menschlichkeit. Und für den respektvollen und menschenwürdigen Umgang miteinander. Über alle Grenzen und Konflikte hinweg. Eine Botschaft, die den Film über die Maße auszeichnet. UNTER DEM SAND ist ein fantastisch fotografierter, spannend erzählter und klug reflektierender Film über den Krieg, dem es gelingt, nach all den Filmen über den Zweiten Weltkrieg noch ein neues wichtiges und erzählenswertes Kapitel hinzuzufügen.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/unter_dem_sand_das_versprechen_der_freiheit
A War
Kriegsdrama, Spielfilm. Dänemark 2015.
Claus Michael Pedersen leitet als Kommandant eine dänische Militäreinheit in Afghanistan. Die Lage ist ruhig, unter den gegebenen Umständen läuft alles nach Plan. Eines Tages jedoch wird einer seiner Männer beim Patrouillieren erschossen. Die Soldaten haben Angst, fühlen sich verunsichert, wollen nicht mehr "da raus". Pedersen weiß, dass er sie jetzt beruhigen muss, verspricht ihnen seinen persönlichen Schutz und tut alles, um ihnen ein Gefühl der Kontrolle wiederzugeben. Bei einem erneuten Angriff gerät einer seiner Leute in direkte Gefahr. Pedersen gibt den Befehl zum Bombardieren. Nach seiner Rückkehr in die Heimat muss er dafür vor Gericht. Denn er hat zwar seinen Mann gerettet. Doch auch in Kauf genommen, dass viele unschuldige Menschen sterben. A WAR von Tobias Lindholm erzählt vom Soldatenalltag in Afghanistan. Die Bilder, die er dafür schafft, sind authentisch, ungeschönt und stellenweise auch brutal. Der Zuschauer scheint sich fast neben den Soldaten zu bewegen, die nicht wissen können, hinter welcher Ecke die nächste Gefahr für ihr Leben lauern könnte. Als Gegensatz zu dieser harten und rauen Welt im Krieg baut Lindholm in einer Parallelmontage die Welt Pedersens zuhause auf. Die Ehefrau, die mit den drei Kindern überlastet ist, die abends auf ein Lebenszeichen ihres Mannes wartet und die nicht weiß, wie sie mit der Situation umgehen soll. Im zweiten Teil des Films wandelt sich die Geschichte von einem Kriegs- hin zu einem spannenden Gerichtsdrama, bei dem der Film beide Seiten - Pedersens Verteidigung und Anklage - ohne Wertung gegenüberstellt. Da ist der Protagonist Pedersen, den Pilou Asbaek mit stoischem Blick und einer übergroßen Portion Selbstbeherrschung spielt und dem man als Zuschauer durch die schrecklichen Ereignisse in Afghanistan so nahe gekommen ist. Man kann seine Handlung nachvollziehen, kann Empathie für seine schwierige Situation empfinden. Doch das Plädoyer der Gegenseite wird ebenso nachvollziehbar dargestellt. Durch eine kluge Dramaturgie und eine schnörkellose Inszenierung entsteht für den Zuschauer eine fast dokumentarisch anmutende Situation, die aber auch in das Dilemma zwingt, Stellung zu beziehen. Die ruhige Inszenierung der Gerichtsszenen steht in krassem Gegensatz zu den mit der Handkamera gefilmten Sequenzen in der Ferne, die eindrücklich zeigen, dass Krieg immer Chaos ist. Die Musik hält sich dezent im Hintergrund und spiegelt nur in wenigen entscheidenden Momenten die dramatische und existenzielle Konfliktsituation Pedersens. A WAR ist ein realistisches und überzeugend inszeniertes Kriegs- und Gerichtsdrama, das unbequem und mutig zugleich ist. Und das auf äußerst kluge und nicht manipulative Weise den Zuschauer fordert. Ein beeindruckender Film.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/a_war
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