Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
Deutsch-irische Tragikomödie HAPPY HOUR startet "besonders wertvoll" im Kino/Kinostart mit Prädikat auch für Horrorfilm THE WITCH
Wiesbaden (ots)
Wenn der deutsche und der irische Film zusammenkommen, ist eine wunderbare Melange aus Komödie und Drama garantiert. Dies ist auch bei Franz Müllers HAPPY HOUR (Start: 12. Mai) der Fall. Müller erzählt die Geschichte dreier Freunde. Jeder von ihnen ist auf seine Weise unzufrieden und frustriert - also beschließen die drei, gemeinsam eine Auszeit vom Leben zu nehmen und reisen nach Irland, um dort Abstand, Ruhe und bessere Laune zu finden. Doch dort angekommen, stellen die Freunde schnell fest, dass man vor seinen eigenen Problemen nicht davonlaufen kann. In seinem zweiten Film führt Franz Müller nicht nur Regie, sondern ist auch für das Drehbuch verantwortlich. Die fünfköpfige Expertenrunde der FBW war begeistert von dem Film, der "mit simplem Realismus als dramaturgisches Element jede Hürde meistert". In ihrem Gutachten schreibt sie weiter: "Der Film strotzt vor Lebendigkeit und Authentizität. Das tragende Element dafür sieht die Jury auch in der Besetzung. Mit Alexander Hörbe, Simon Licht und Mehti Nebbou kann Müller auf ein Schauspielensemble zurückgreifen, das mit wahrer Leidenschaft spielt und fantastisch interagiert. Ohne großen Aufwand, mit viel Sinn für Details, entwirft Müller ein gelungenes Bild von "echten Kumpels." Ein gelungener Film über eine Männerfreundschaft, die sich bewähren muss, ein Männerfilm, der Spaß macht, ohne gleich ein "Spaßfilm" zu sein." Hierfür vergab die Jury das höchste Prädikat "besonders wertvoll".
Robert Eggers Gruselhorror THE WITCH (Start: 19. Mai) entführt den Zuschauer nach Neuengland um das Jahr 1630. Eine puritanische Familie wird aus der Gemeinschaft einer befestigten Siedlung hinausgeworfen. William, seine Frau Katherine und seine halbwüchsigen Kinder Thomasin und Caleb sowie deren jüngere Geschwister müssen am Rand des Waldes ein neues Zuhause finden. Alles, was sie haben, sind ein paar Tiere und einige Habseligkeiten. Und ihren festen Gottesglauben. Doch als eines Tages das Baby spurlos verschwindet, betritt die Angst das Zuhause der Familie. Und erschüttert eben jenen Glauben, der bisher unerschütterlich schien. Die Zuschauererwartungen des Genres bricht Eggers, der mit seinem Film für seine Regie beim Sundance-Festival ausgezeichnet wurde, konsequent. Ruhig und sachlich, und doch mit eindrücklich schaurigen Bildern erzählt der Film seine Geschichte und verwendet dabei nur Texte und Dialoge, die auf Originaltexten der Zeit beruhen. Gängige Kamera- und Schockeffekte werden vermieden, doch, so die Jury, genau dadurch entstehe der wahre Horror im Kopf des Zuschauers. Die FBW-Jury vergab für THE WITCH im Genre des Horrorfilms das Prädikat "wertvoll" und spricht in ihrem Gutachten "großes Lob für die intelligente Kameraführung und die hervorragenden Darsteller" aus, die "die Glaubwürdigkeit des Films mittragen und die Bigotterie sittlich-strengen Lebens bloßstellen helfen. THE WITCH ist kein Film für Splatter-Fans, sondern intelligenter Arthouse Horror."
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Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) zeichnet herausragende Filme mit den Prädikaten wertvoll und besonders wertvoll aus. Über die Auszeichnungen entscheiden unabhängige Jurys mit jeweils fünf Filmexperten aus ganz Deutschland. Die FBW bewertet die Filme innerhalb ihres jeweiligen Genres.
Prädikatsfilme vom 12. bis 19. Mai 2016
Happy Hour
Tragikomödie, Spielfilm. Deutschland, Irland 2016.
Es ist nicht mehr zum Aushalten, wie sich H.C. von seiner Frau auf der Nase herumtanzen lässt. Seit zwei Jahren betrügt sie ihn, doch H.C. nimmt es hin - weil er eben immer alles hinnimmt. Seine zwei besten Freunde Wolfgang und Nic entscheiden, dass H.C. einmal den ganzen Stress hinter sich lassen muss. Und auch sie selbst können eine Auszeit vom Alltag gut gebrauchen. Also reist das Trio nach Irland, in Wolfgangs Feriencottage. Doch anstatt Erholung wartet dort jede Menge Ärger. Denn die drei haben nicht mit den irischen Frauen gerechnet, die zunächst für angenehme Ablenkung, dann aber für jede Menge Konfliktstoff sorgen. Und spätestens da merkt das ungleiche Kleeblatt, dass man vielleicht vor den Problemen fliehen kann - ihnen entkommen kann man jedoch auch auf der grünen Insel nicht. Franz Müllers HAPPY HOUR steigt ohne großen Prolog direkt ein in die Handlung. Drei Freunde in den besten Jahren, jeder von ihnen unzufrieden mit dem eigenen Leben, reisen nach Irland, um dort Abstand, Ruhe und bessere Laune zu finden. Jeder der drei behauptet, nur die anderen hätten Probleme, jeder verleugnet seine eigenen Befindlichkeiten. Müller, der auch das Drehbuch schrieb, lässt die Egos der unterschiedlichen Freunde nach und nach, in immer wiederkehrenden Alltagsmomenten, aufeinanderstoßen. Da ist der Womanizer Nic, der zuhause einen Sohn und eine gescheiterte Beziehung sein eigen nennt, aber im Grunde seines Herzens immer noch ein unreifer Junge ist, für den Verantwortung ein Fremdwort ist und den Mehdi Nebbou mit jungenhaftem Charme spielt. H.C., großartig verkörpert von Alexander Hörbe, ist der Gegenentwurf zu Nic. Gutmütig, ein wenig pummelig, immer lächelnd, immer ausgleichend. Hörbe veranschaulicht überzeugend, wie diese Figur nach und nach eine Entwicklung durchmacht und mehr und mehr Selbstbewusstsein erlangt. Und Wolfgang, den Simon Licht zwischen manisch begeistert und zwangspedantisch spielt, macht ebenfalls eine Entwicklung durch. Denn er verliebt sich in eine resolute Irin, gespielt von Susan Swanton. Und diese wunderbar selbständige, charmante und dennoch sensible Frau bringt den kontrollierten Geschäftsmann dazu, seine Grundsätze und seine Einstellungen zu hinterfragen. Geschickt verknüpft Müller die Entwicklungen der einzelnen Figuren mit einer mehrfachen Veränderung der Gruppendynamik. So variiert die Rollenverteilung im Trio von Szene zu Szene, die Dialoge, die mit Witz und Genauigkeit daherkommen, wirken spontan und improvisiert, enthalten aber gezielt gesetzte Spitzen, die jede Szene in eine andere Richtung treiben. Das Zusammenspiel aller drei Hauptdarsteller, aber auch das Zusammenspiel mit den großartigen irischen Darstellern, ist hervorragend und glaubhaft. Als Handlungsort wirkt das irische Landleben genau richtig. Die kleine Dorfgemeinschaft mit den verlassenen Straßen, das gemütliche und authentisch wirkende Cottage, die Pubs als zentraler Treffpunkt, die irische Folkmusik, die verwitterte Winterlandschaft - all dies strahlt eine Melancholie aus, die man mit diesem Teil der Welt gerne verbindet und die dem Film seine Seele verleiht. Und so braucht es in HAPPY HOUR keine großen dramatischen Szenen und keine aufsehenerregende Kulisse. Es braucht nur ein überzeugendes Setting, starke Protagonisten und viel zwischenmenschliches Knistern. All dies hat die charmante Tragikomödie und deutsch-irische Koproduktion HAPPY HOUR zu bieten. Ein wunderschöner Film voller Witz und Wärme, Traurigkeit und Sehnsucht.
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The Witch
Horrorfilm, Spielfilm. USA, Kanada 2015.
Neuengland, im Jahre 1630. Weil sie von ihrer puritanischen Gemeinde verstoßen werden, müssen sich William, seine Frau Kate und seine fünf Kinder eine neue Heimat suchen. Ein gesegneter Platz für ein Haus scheint bald gefunden, direkt in der Nähe eines Waldes, auf fruchtbarem Feld. Doch ein Jahr später ist die Ernte verdorben und die Familie muss sehen, wie sie den Winter überlebt. Als dann noch das Baby Samuel unter der Aufsicht der ältesten Tochter Thomasin spurlos verschwindet und rätselhafte Dinge auf dem Hof passieren, nimmt das Unheil seinen Lauf. Es heißt, eine Hexe sei im Wald. Ist sie gekommen, um sich die Familie zu holen? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Subtil und stellenweise mit hypnotischer Langsamkeit entwickelt der Debütfilm von Regisseur Robert Eggers seinen Horror, seine Angst vor dem unerklärlich Übernatürlichen. Nie kann sich der Zuschauer sicher sein, hinter was oder wem sich die Gefahr verbirgt. Geschickt nutzt Eggers die Kamera, die die Figuren abtastet, verfolgt, aus den verschiedensten Blickwinkeln beobachtet. Auch der Zuschauer wird so zum Voyeur, zum Beobachter. Und erliegt der Versuchung, zu urteilen, Schuld zuzuweisen und Partei zu ergreifen. Um das zu erreichen, stehen auch die komplexen Dialoge der Protagonisten im Dienst des visuellen Vorhabens des Regisseurs. Die Dialoge basieren auf Originaltexten und Zeitdokumenten wie Gerichtsprotokollen und Zeugenaussagen. Nicht nur auf dieser Ebene ist Eggers Film vollkommen authentisch und entwickelt einen Grusel und Schauer, der sich nicht nur aus der bedrückenden Atmosphäre und der Abgeschiedenheit des Handlungsorts vom Rest der zivilisierten Welt ergibt, sondern auch aus den wahrhaftigen historischen Vorgängen, die genauso belegt sind. Die Familienmitglieder sind mit Schauspielern besetzt, die ihre Rollen zu leben scheinen. Ralph Ineson als William ist das Oberhaupt der Familie. Gottesfürchtig, streng zu allen um ihn herum und fast schon dämonisch in seiner religiösen Besessenheit. Ebenso Kate Dickie als Ehefrau, die aufgrund der schrecklichen Ereignisse fast dem Wahnsinn verfällt. Ebenfalls Großes leisten die Jungdarsteller Anya Taylor-Joy als Thomasin und Harvey Scrimshaw als ihr jüngerer Bruder Caleb. Wie sie beide der Heimsuchung durch die dunkle Seite und den eigenen inneren Dämonen, die sie im Erwachsenwerden durchleben, begegnen, wird von Eggers und seinem Kameramann Jarin Blaschke auf einzigartige Weise in stimmungsvollen und doch so kalten blassen Bildern eingefangen, die den Zuschauer sprachlos zurücklassen und fast unwirklich erscheinen. THE WITCH ist historische Lehrstunde und perfekt inszeniertes Schauermärchen in einem. Ein Horrorkabinettstück.
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