Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
Richard Linklaters EVERYBODY WANTS SOME startet "besonders wertvoll" im Kino/Kinostart mit Prädikat auch für AGNES, EINMAL MOND UND ZURÜCK und WANJA
Wiesbaden (ots)
Vor über zwanzig Jahren schuf der Independent-Filmemacher Richard Linklater mit CONFUSION - SOMMER DER AUSGEFLIPPTEN einen absoluten Kultfilm über eine Clique an einer amerikanischen High-School. Mit EVERYBODY WANTS SOME!! (Start: 2. Juni) gelingt ihm nun eine Art spirituelles Sequel, das das Leben von Studienanfängern an einem amerikanischen College im August 1980 beschreibt. Die autobiografisch inspirierte Story ist dazu eine liebevolle Hommage an seine eigene wilde Studentenzeit und erzählt von den ersten, unbeschwerten Tagen vor Studienbeginn, an denen der künftige Student und hoffnungsvolle Nachwuchs-Baseballstar Jake das Leben und den Studentenalltag in Texas entdeckt. Sex, Drugs and Rock´n-Roll geben den Takt an - und Jake lässt sich in dieses Lebensgefühl voll hineinfallen. "Jede Figur wird von Linklater ernst genommen, überzeugend eingeführt und charakterisiert, jeder behält seine Würde. Eine bezaubernde, herzerwärmende Komödie." So beschreibt die fünfköpfige Expertenrunde den Film, dem sie einstimmig das höchste Prädikat "besonders wertvoll" verleiht.
Als der Schriftsteller Walter der jungen Studentin Agnes begegnet, sind beide sofort fasziniert voneinander. Aus einem Gespräch wird ein Kuss, eine Nacht, eine Beziehung. Als Agnes Walter überredet, ein Buch über ihre Liebe zu schreiben, reagiert er zunächst abweisend, fühlt sich danach jedoch schnell inspiriert. Bald aber verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Das Beziehungsdrama AGNES (Start: 2. Juni) von Johannes Schmid ist die werkgetreue Verfilmung des gleichnamigen Romans von Peter Stamm. In den Hauptrollen überzeugen Odine Johne und Stephan Kampwirth. Die Jury der FBW, die den Film mit dem Prädikat "besonders wertvoll" auszeichnet, schreibt in ihrer Begründung: "Das Spiel mit Realität und Fiktion gelingt dem Film auf beeindruckende Weise, ohne dabei zu verkopft zu geraten. AGNES ist ein ästhetisch homogenes und erzählerisch raffiniertes Verwirrspiel, das zum wiederholten Schauen einlädt."
Der 12-jährige Mike ist begeistert, als er von den Plänen der NASA hört, eine weitere Mondmission auf die Beine zu stellen. Sein Vater soll dabei sein. Auch Mikes Großvater war einst Astronaut und sollte zum Mond fliegen, fiel jedoch in letzter Minute für die Mission aus. Seitdem reden Mikes Vater und Opa nicht mehr miteinander. Mike ist entschlossen, die beiden Streithähne zu versöhnen. Doch bei diesem Plan geht einiges schief. Und ehe Mike sich versieht, landet er selbst auf dem Mond. Der Animationsfilm EINMAL MOND UND ZURÜCK (Start: 9. Juni) von Enrique Gato ist eine spanische Produktion, die sich vor amerikanischen Vorbildern in keiner Weise verstecken muss. In ihrem Gutachten schreibt die Expertenrunde der FBW: "Ein klassischer Kinder- und Familienanimationsfilm, der technisch und künstlerisch auf der Höhe der Zeit ist und die Virtuosität und Güte der europäischen Animationsszene beweist. Er holt in der Tradition des klassischen Kinder- und Jugendfilms die junge Zielgruppe in ihrem Alltag ab und erzählt seine liebenswerte Geschichte altersgerecht." Die Jury vergibt das Prädikat "wertvoll". Auch die Jugend Filmjury der FBW empfiehlt das "emotionale und spacige Familienabenteuer für Astronautinnen und Astronauten ab 8 Jahren".
Nach mehrjähriger Haftstrafe kommt Wanja aus dem Gefängnis frei. Die ehemals Drogensüchtige muss ganz neu beginnen, in der Provinz, mitten in Niedersachsen. Sie selbst hat Schwierigkeiten, in der Gemeinschaft Fuß zu fassen, dazu verfolgen sie neugierige Blicke der Dorfbewohner auf Schritt und Tritt. Doch dann trifft Wanja auf die 16-jährige Emma, die sie an ihre eigene Tochter erinnert. WANJA (Start: 9. Juni) ist der Debütfilm von Regisseurin Carolina Hellsgard und feierte seine Premiere auf der Berlinale in der Reihe Perspektive Deutsches Kino. Die Jury, die dem Drama das Prädikat "wertvoll" verleiht, hebt in ihrer Begründung unter anderem das großartige Spiel der Darsteller hervor, allen voran Anne Ratte-Polle als Wanja, die "diese verletzte Seele mit großer Eindringlichkeit spielt", und auch Nele Trebs als Emma, die "in ihrer Darstellung von Hilflosigkeit und Verzweiflung überzeugt".
Mehr Informationen zu aktuellen und kommenden FBW-Empfehlungen unter www.fbw-filmbewertung.com.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) zeichnet herausragende Filme mit den Prädikaten wertvoll und besonders wertvoll aus. Über die Auszeichnungen entscheiden unabhängige Jurys mit jeweils fünf Filmexperten aus ganz Deutschland. Die FBW bewertet die Filme innerhalb ihres jeweiligen Genres.
Die Jugend Filmjurys der FBW sind mit 10-14-jährigen Schülerinnen und Schülern besetzt. Sie sind an insgesamt acht Standorten in Deutschland etabliert und sichten vor Kinostart das Filmprogramm für 5-14-jährige.
Prädikatsfilme vom 2. bis 9. Juni 2016
Everybody wants some!! Spielfilm, Komödie. USA 2016.
Texas, im Sommer 1980: Die abseits des Campus zusammenlebende Baseballmannschaft der Southeast Texas State University bereitet sich an ihrem letzten freien Wochenende auf das kommende Semester vor - im Prinzip. Neben der ersten Trainingseinheit des Jahres haben nämlich vor allem die Verlockungen des weiblichen Geschlechts oberste Priorität. Und natürlich auch alles andere, was zu einem geregelten Studentenalltag dazugehört: Alkohol, Drogen und die Einweihung der Erstsemester. Zu diesen gehört auch Jake, der aufgrund seiner als "notwendiges Übel" angesehenen Position des Pitchers von der Mannschaft zunächst noch kritisch beäugt, dann aber doch rasch zu einem festen Bestandteil der Clique wird. Und dann gibt es da noch die junge Theaterstudentin Beverly, die Jake einfach nicht aus dem Kopf gehen will. In EVERYBODY WANTS SOME!! schafft Indie-Meister Richard Linklater es spielend, in der sehr knappen erzählten Zeit von nur drei heißen Tagen im August ein authentisches Bild der noch in den Kinderschuhen steckenden 1980er Jahre zu zeichnen. Dabei unterstützt ihn insbesondere ein ausgezeichnetes Ensemble aufstrebender Jungschauspieler, dem es sichtlich Spaß macht, die liebevoll zusammengestellten Kostüme und Schauplätze zum Leben zu erwecken. Herausragend auch der Soundtrack, der dem nostalgischen Blick in die Vergangenheit den letzten Feinschliff verpasst und bei dem für jeden etwas dabei sein dürfte. Zu hören unter anderem auf den Partys, deren Bandbreite von der klassischen 80s-Disco über eine Country-Bar bis hin zum Punk-Konzert und einer Künstlerparty im Glam-Rock-Stil reicht. Dabei schafft es der Film, seinen unterschiedlichen Figuren immer genug Zeit einzuräumen, um sie mit all ihren Eigenheiten voll und ganz zur Geltung kommen zu lassen. Ob gutmütiges Landei, altkluger Besserwisser oder charmanter Underdog - alle Figuren öffnen dem Zuschauer die Tür zurück in das Lebensgefühl der frühen 1980er Jahre. Mit EVERYBODY WANTS SOME!! ist Richard Linklater erneut ein durch und durch unterhaltsames und authentisches Zeitporträt gelungen, das zum immer Wiederschauen einlädt.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/everybody_wants_some
Agnes
Drama, Spielfilm. Deutschland 2016.
Alles beginnt mit einem Blick, als Walter Agnes in der Bibliothek begegnet. Walter ist gescheiterter Romancier, der nun Sachbücher schreibt, Agnes ist Physikstudentin. Im Bus sehen sich beide wieder. Walter traut sich, spricht Agnes an. Eine Unterhaltung über den Sinn des Lebens entspinnt sich, aus einem Gespräch wird ein Kuss, eine Nacht, eine Beziehung. Agnes bedrängt Walter, doch wieder einen Roman zu schreiben. Am besten sollte es ein Roman über die Liebe sein. Über ihre Liebe. Über sie. Walter zögert zunächst, doch fühlt sich dann inspiriert und beginnt zu schreiben. Doch langsam verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit. AGNES von Johannes Schmid ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Peter Stamm. Ganz genau und sorgfältig transportiert der Film die Tonlage des Romans auf die Leinwand, die Dialoge sind bewusst literarisch und dienen dazu, die Distanz zwischen Situation und Betrachter aufrechtzuerhalten. Aufgefächert wird die Faszination eines Beziehungsdramas, auch dank der hervorragenden darstellerischen Leistung von Ondine Johne und Stephan Kampwirth. Kampwirth als Walter ist eine gebrochene und gequälte Künstlerseele par excellence. Stetig zweifelt er an sich selbst, an seinem Können, an seinen Wünschen. Erst Agnes scheint ihm einen neuen Lebenssinn zu geben, er verliert sich ganz in seiner Muse und der Besessenheit, ihre Geschichte als perfektes Liebesdrama zu erdenken und niederzuschreiben. Doch er ist sich stets im Unklaren, wie viel echte Gefühle hinter der Beziehung zu Agnes stehen. Die Person aus Fleisch und Blut wird zum Objekt, er benutzt sie und merkt es nicht einmal. Agnes wird zu einer Spiegelung der eigenen Wünsche. Es gelingt Ondine Johne auf beeindruckende Weise, all diese Aspekte in ihrem Spiel zu vereinen. Elfengleich durchschreitet sie die Szenerie, scheint der realen Welt entrückt und lässt in ihrem Gesicht Unschuld, Entschlossenheit, Verliebtheit und Verzweiflung gleichermaßen durchscheinen. So wird sie auch zur Projektionsfläche für den Zuschauer, der verunsichert wird, was nun real und was ein Teil der von Walter erdachten Geschichte ist. Geschickt arbeiten Schmid und sein Kameramann Michael Bertl mit Licht und Farbe, um die perfekt arrangierten Sequenzen voneinander abzugrenzen. Auch werden Szenen in Rückblende wiederholt, aus anderen Blickwinkeln gefilmt, mit alternativen Enden erzählt. So entsteht ein den Zuschauer stetig herausforderndes Vexierspiel. Ein faszinierender und hochintelligenter Film über die Wahrheit in der Fiktion. Und die Wahrhaftigkeit der Liebe.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/agnes
Einmal Mond und zurück
Kinder- und Jugendfilm, Animationsfilm. Spanien 2015.
Als der größenwahnsinnige Multimillionär Richard Carson versucht, den Mond zu besetzen, um sich die alleinigen Schürfrechte an der seltenen Energiequelle Helium 3 zu sichern, wird der junge Mike zur letzten Hoffnung der Menschheit. Dabei wollte der aus einer Astronautenfamilie stammende Junge doch eigentlich nur seinen seit vielen Jahren zerstrittenen Vater und Großvater miteinander versöhnen. Sein Plan ist, die beiden für die neue Mondmission der NASA - im Wettlauf gegen den Millionär - wieder zusammenzubringen. Durch eine Verstrickung unglücklicher Ereignisse findet er sich allerdings mit seinem griesgrämigen Opa und seiner Freundin Amy in einem Raum-Shuttle Richtung Mond wieder. Nun muss er über sich selbst hinauswachsen, um Carson zu stoppen und heil zur Erde zurück zu gelangen. Die spanische 3D-Produktion EINMAL MOND UND ZURÜCK orientiert sich, sowohl thematisch als auch visuell, an Filmen bekannter, amerikanischer Animationsstudios, ohne sich auch nur für einen Moment hinter diesen verstecken zu müssen. Gerade die Dynamik zwischen den drei Freunden Mike, Amy und dem nicht nur coolen, sondern auch sehr lustigen Computer-Nerd Marty mit seiner Echse Igor sorgt für ein unterhaltsames und packendes Spektakel, das insbesondere jüngere Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Aber auch Erwachsene bleiben nicht außen vor und werden unter anderem Zeuge, wie der Film augenzwinkernd die Verschwörungstheorie einer inszenierten Mondlandung aufgreift. Eine sehr positive Botschaft durchzieht den Film wie ein roter Faden: Seite an Seite setzen sich hier Kinder und Erwachsene für eine gute Sache ein. Nicht nur deswegen bietet sich EINMAL MOND UND ZURÜCK als ein Raumfahrtabenteur für die ganze Familie an. Mission erfolgreich erfüllt!
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/einmal_mond_und_zurueck
http://www.jugend-filmjury.com/film/einmal_mond_und_zurueck
Wanja
Spielfilm, Drama. Deutschland 2015.
Wanja kommt nach mehrjähriger Haftstrafe aus dem Gefängnis frei. Aber in der niedersächsischen Provinz neu anzufangen, ist eine zähe Angelegenheit. Kritische Blicke der Dorfbewohner verfolgen jeden Schritt der 40-Jährigen ehemaligen Drogensüchtigen. Der Arbeitgeber in der Tierhandlung jagt Wanja davon, weil sie angeblich Geld geklaut hat. Sie flüchtet sich in ein Praktikum auf der örtlichen Trabrennbahn, wo sie die 16-Jährige Emma kennenlernt, die sie an die eigene Tochter erinnert. Carolina Hellsgårds Debütfilm, der dieses Jahr in der Perspektive deutsches Kino auf der Berlinale seine Weltpremiere feierte, ist ein genau beobachtetes, ungeschminktes Charakterporträt. WANJA schildert die ersten Gehversuche der Protagonistin in Freiheit mit beachtlicher Gnadenlosigkeit. Zuneigung erfährt sie von einem Raben und einer Entenfamilie, die sie in die Trübseligkeit und Enge der eigenen Wohnung einsperrt. Hellsgårds Film fängt diese Umgebung ebenso treffend ein wie auch die apathische, deprimierende Dorfstimmung. Die Kneipen und Imbisse sind bevölkert von wortkargen, abgestumpften Menschen. Was Wanja dort findet, ist im äußersten Fall nur ein One-Night-Stand. Dass auch die Tristesse der Provinz in faszinierende Bilder getaucht werden kann, zeigen die Sequenzen in den schmutzigen Kiesgruben, die wie edle Sanddünen gefilmt werden oder das nächtliche Lagerfeuer, um das wüst Kostümierte hypnotisch tanzen. Wie eine taumelnde Boxerin, die nur langsam wieder zu sich findet, verkörpert Hauptdarstellerin Anne Ratte-Polle die Figur der Wanja. Sie ist roh und ungestüm und erwartet in jedem Moment den nächsten Schlag. Mit ihrer ungeschminkten Art ist WANJA eine bedrückend intensive Charakterstudie. Ein Film über verpasste Möglichkeiten und zweite Chancen.
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