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VDE Verb. der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik

Ist die Stromversorgung in Deutschland gesichert?
VDE: keine akute Gefahr, aber steigendes Risiko
Handlungsbedarf für tragfähige Energiestrategie wächst

Frankfurt/Main (ots)

Wie sicher ist die Stromversorgung in
Deutschland? Diese Frage wird nach dem Zusammenbruch des Stromnetzes
in acht Bundesstaaten der USA und im Osten Kanadas, bei dem rund 50
Millionen Menschen bis zu 36 Stunden ohne Strom waren, immer häufiger
gestellt. Sie wird allerdings nicht immer so differenziert
beantwortet, wie es aus VDE-Sicht nötig wäre. Denn einerseits
besteht angesichts der guten Substanz der Stromnetze und der
Sicherheitsphilosophie in Deutschland kein Grund zur Panikmache.
Andererseits sollte nach Ansicht der VDE-Experten der Stromausfall
zum Anlass genommen werden, eine langfristig tragfähige
Energiestrategie zu entwickeln. Wenn nämlich Energiemix und
Netzstrukturen nicht bald auf die Herausforderungen der Zukunft
eingestellt werden, könnte die Zuverlässigkeit des Stromnetzes in den
nächsten 20 Jahren erheblich sinken.
Blackout wie in den USA in Deutschland unwahrscheinlich
Obwohl die Ursachen für den Stromausfall in den USA bisher noch
ungeklärt sind, mehren sich die Hinweise darauf, dass das Netz
bereits vor der eigentlichen Großstörung durch abgeschaltete
Leitungen geschwächt war. Durch den Ausfall einer weiteren
Hochspannungsleitung in dem bei hohen Umgebungstemperaturen und
Fernübertragungen stark belasteten Netzverbundsystem könnte dann eine
Kettenreaktion ausgelöst worden sein - mit Spannungsproblemen,
Leistungspendelungen, dem Versagen von Schutzeinrichtungen und
schließlich dem Netzzusammenbruch innerhalb weniger Minuten. Erst
wenn die Ursachenanalyse abgeschlossen ist, kann definitiv gesagt
werden, welche Konsequenzen für das deutsche Stromversorgungssystem
konkret gezogen werden müssen.
Die VDE-Experten weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass
großflächige Stromausfälle zwar auch in Deutschland nicht generell
ausgeschlossen, aber doch sehr viel unwahrscheinlicher sind als in
den USA. Dies liegt vor allem an der deutschen Sicherheitsphilosophie
im Hinblick auf Netzkonfiguration, Schaltanlagen-Design, Schutz- und
Leittechnik sowie Lastabwurf und Regelleistung. So ist die
Netzkonfiguration - anders als in den USA - durch eine homogene
Verteilung von Last und Erzeugung sowie ein dichtes Übertragungsnetz
mit relativ kurzen Leitungslängen (Deutschland normalerweise unter
100 km, maximal 300 km, USA normalerweise mehrere 100 km, maximal
1500 km) charakterisiert. Stabilitätsprobleme spielen dabei keine
Rolle, und die höchste Spannungsebene liegt mit 380 kV gerade bei der
Hälfte des Wertes in Nordamerika (765 kV). Auch in der Schutz- und
Leittechnik zeigen sich erhebliche Unterschiede. Während in
Deutschland beispielsweise die Komplettumrüstung auf digitale Technik
im Großen und Ganzen vollzogen ist und hohe Sicherheitsstandards
angewandt werden, wird in den USA oft mit veralteter Technik auf
einem niedrigeren Sicherheitsniveau gearbeitet. Ähnlich fällt der
Vergleich bei Schaltanlagen-Design sowie Lastabwurf und Regelleistung
aus. Dennoch ist aus VDE-Sicht die Versorgunszuverlässigkeit
perspektivisch in Gefahr.
Risiken für deutsches Stromversorgungssystem steigen
Gefährdet wird die Versorgungszuverlässigkeit unter anderem durch
den Preiswettbewerb auf dem Strommarkt. Unter dem Druck, Strom zu
niedrigen Preisen anzubieten, werden Investitionen zurückgestellt,
Betriebszeiten von Anlagen verlängert und die Aufwendungen in
Instandhaltungsmaßnahmen zurückgefahren. Darüber hinaus nehmen die
Anlagenauslastung und der Energiehandel zu, während Netze
verschlankt, Netzreserven abgebaut und Erzeugungsreserven minimiert
werden. Weiter können sich der Personalabbau und Verlust von
Fachwissen sowie die wachsende Unübersichtlichkeit des Marktes
negativ auswirken.
Bisher verhinderte die gute Substanz der deutschen Stromnetze
einen spürbaren Qualitätsverlust bei der Stromversorgung. Angesichts
der Hitze und niedrigen Flusswasser-Pegelstände der vergangenen
Wochen konnten jedoch regional und zeitlich begrenzte
Stromabschaltung auch in Deutschland nicht mehr ausgeschlossen
werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob auch in
einer wirklichen Notsituation noch genügend Kraftwerkreserven zur
Verfügung stünden - zumal dann, wenn mehrere der genannten
Risikofaktoren ungünstig zusammenwirken.
Energiestrategie für zukunftsfähigen Energiemix
Die Zuverlässigkeit der Stromversorgung wird auch durch drohende
Leistungsdefizite und -schwankungen in Frage gestellt. So ist
geplant, zwischen 2004 und 2021 alle Kernkraftwerke stillzulegen
sowie die Kohleverstromung zu reduzieren. Das damit entstehende
Leistungsdefizit soll durch Erneuerbare Energien kompensiert werden.
Dies stellt eine enorme technische und finanzielle Herausforderung
dar. Denn um die dezentrale Energieeinspeisung im allgemeinen sowie
die Übertragung von Windenergie von Nord nach Süd im besonderen
erhöhen zu können, sind erhebliche Netzausbauten mit komplizierten
Genehmigungsverfahren nötig. Darüber hinaus betragen die
Leistungsschwankungen der Windenergie-Einspeisung bis zu 100%, so
dass erhebliche Regelleistung durch konventionelle Kraftwerke
bereitgestellt werden muß. Der VDE weist darauf hin, dass auch in
Zukunft ein Energiemix aus Kohle, Gas, Kernkraft und regenerativen
Energien gesichert und eine langfristig tragende Energiestrategie
entwickelt werden muss.  Energieexperten kündigen Task Force an
Nach Meinung des VDE sollte der Stromausfall in den USA zum Anlass
genommen werden, die deutsche Stromversorgung auf den Prüfstand zu
stellen. Sobald eine definitive Ursachenanalyse vorliegt, wird die
Energietechnische Gesellschaft im VDE deshalb eine Task Force
einrichten, die Schlussfolgerungen für das deutsche
Stromversorgungssystem erarbeitet. Darüber hinaus ist es aber
dringend erforderlich, ein zukunftsfähiges Konzept für die
Energieversorgung in den nächsten Jahrzehnten zu entwickeln und die
dafür nötigen Investition zu tätigen.

Pressekontakt:

Ursula Gluske-Tibud
Pressereferentin

VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.
Stresemannallee 15
60596 Frankfurt am Main
Tel. 069 6308218 Fax 069 96315215
E-Mail pr.gluske-tibud@vde.com
Internet www.vde.com

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