Christa Wolf: "Ich mache mir um die Zukunft große Sorgen"
Hamburg (ots)
Die Schriftstellerin Christa Wolf, deren 1996 erschienenes Buch "Medea Stimmen" jetzt als Kammeroper im Berliner Radialsystem Premiere hat, erläutert in der ZEIT ihr Interesse an diesem Stoff: "Wenn unsere Kultur in Krisen gerät, fällt sie immer wieder auf das gleiche Verhalten zurück: die Schuld bei Außenseitern suchen, diese ausgrenzen, sie zu Sündenböcken stempeln ... Für mich wäre die größte Errungenschaft unserer Zivilisation nicht das neueste Raumschiff, sondern die Lösung von dem Zwang, Sündenböcke zu opfern: ein Fortschritt in der Humanität, nicht in der Technik."
Sie als Schriftstellerin interessiere sich weiterhin für Politik, "soweit sie das Schicksal von uns allen beeinflusst". Wolf: "Wir leben verkehrt. Was treibt uns dazu, die Erde, unseren Lebensraum zu zerstören? Unser unstillbarer Hang in der westlichen Welt nach immer mehr Reichtum und Wohlleben durch Konsum: Was hindert die Politik, diesem Hang Grenzen zu setzen? Die Unsicherheit, dann abgewählt zu werden? Die demokratisch gewählten Regierungen können sich nicht durchsetzen gegenüber Weltkonzernen, die nur nach den Gesetzen von Macht und steigender Gewinnrate strukturiert sind. Sie merken: Ich mache mir um die Zukunft große Sorgen."
Christa Wolf weiter: "Die Macht der militärischen und wirtschaftlichen Kartelle ist durch moralische Appelle nicht zu erschüttern. Ich fürchte, die kleineren Katastrophen, deren Zeugen wir schon sind, müssen ein Umdenken erzwingen, damit große Gruppen von Menschen bereit sind, ihre Lebensweise zu ändern ... Jede Generation muss, auf ihre Verhältnisse bezogen, ihre Mittel entwickeln. Mir scheint, das geschieht jetzt in immer mehr Gruppen und Zirkeln, darunter auch bei vielen Frauen, die sich ja übrigens als Wissenschaftlerinnen, Ärztinnen, Richterinnen, Politikerinnen Tätigkeitsfelder eröffnet haben, an die noch vor fünfzig Jahren nicht zu denken war. Sie gehen in Strukturen hinein, die auf Männer zugeschnitten waren. Ob das die Strukturen von innen her verändert? Mir scheint, je höher sie aufsteigen in der Welt der Männer, umso mehr Anpassung wird ihnen abverlangt."
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Das komplette ZEIT-Interview der ZEIT Nr. 44 vom 25. Oktober 2007
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