Saul Bellow: "Ich habe nicht ansatzweise versucht, den Gefühlen in meinem Werk Raum zu geben."
Hamburg (ots)
Saul Bellow, 85, Literatur-Nobelpreisträger des Jahres 1976, gilt als der berühmteste amerikanische Gegenwartsschriftsteller. Nach zehn Jahren Schreibpause macht sein soeben erschienenes Buch "Ravelstein", die Lebensgeschichte eines homosexuellen Hochschullehrers, Furore. Im Interview mit Fritz J. Raddatz in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT spricht er über seine literarischen Techniken und politischen Horizonte: "Mein Ehrgeiz ist nicht, einen Scherenschnitt anzufertigen. Meine Ambition ist bescheidener: Aus Splittern der Welt eine eigene Welt zu schaffen." Und weiter: "Das Erinnern ist eine der Schubkräfte meines Schreibens."
Auf die Frage nach der Verantwortlichkeit des Schriftstellers gegenüber der Gesellschaft antwortet er: "Wenn Sie auf so etwas wie Kulturpolitik hinauswollen: Das lehne ich strikt ab. Das hat nichts mit Kunst, mit Literatur zu tun. Dieser Kram mit "Kritiker der Gesellschaft" ist der Kunst äußerlich, ist Kultur-Technik - die Franzosen nennen es quincaillerie -, eine Art Kartoffelschälmaschine. Amerikaner sind resistent dagegen."
Den Interviewer in seiner Bibliothek empfangend, weist Saul Bellow auf die Bemerkung "Da liegt ja das neue Produkt" mit einigem Stolz des 85-Jährigen ins Nebenzimmer: "Nein, da" - die Tochter Naomi Rose, die seine fünfte Frau ihm zu Weihnachten 1999 gebar; "Sie ist sehr hübsch - aber wenn's mir nicht gelungen ist", sagt er wie zu seinem Lektor über ein Manuskript, "dann probier ich's noch mal."
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