DIE ZEIT: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt kritisieren Aussenminister Fischer
Hamburg (ots)
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt kritisieren Aussenminister Fischer und warnen vor deutscher Grossmannssucht und einer Gefährdung der deutsch-französischen Beziehungen
In einem Streitgespräch in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT betonen beide Politiker, Europa könne nur florieren, wenn Deutsche und Franzosen in allen wichtigen Fragen an einem Strang ziehen. "Die Hektik und die Unordnung in Europa sind schlimm", sagte Helmut Schmidt. "Das Schlimmste aber ist die Verwässerung des guten kooperativen Verhältnisses zwischen Paris und Berlin. Einige Deutsche, finde ich, spucken zu grosse Töne." Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber ergänzte: "Diese Beziehung Paris-Berlin ist wirklich durch nichts zu ersetzen, weder durch Berlin-London noch durch Paris-London noch durch eine andere."
Sowohl Schmidt als auch Stoiber warnen die Bundesregierung vor "deutscher Grossmannssucht". Stoiber wörtlich: "Wir sollten niemals den Eindruck erwecken, als würde Europa mit der Wiedervereinigung und der Osterweiterung zu einem deutschen Europa werden. Deshalb sollte auch Bundesaussenminister Fischer, wenn er Reden über die Zukunft Europas hält, seine Position zunächst mit seinem Kollegen in Frankreich abstimmen." Auch Helmut Schmidt kritisierte den Aussenminister: "Wer, ob als Minister oder Privatmann, grosse, auf die Finalität Europas zielende Konzepte vorträgt, ohne sie vorher mit den Franzosen durchgearbeitet zu haben, beschädigt die Beziehungen zu Paris und schadet der EU." Schmidt weiter: "Die deutsche Grossmannssucht zeigt sich auch in dem Gerede über ein grösseres Gewicht der Deutschen in der EU." Der Ex-Kanzler übte auch deutliche Kritik an dem neuen Kanzlerbau in Berlin: "Wenn ich mir als Franzose diesen monströsen unsäglichen Neubau des Kanzleramts in Berlin anschaue, dann ist das für mich die Bestätigung all meiner SoupÇons."
Schmidt und Stoiber fordern auch gemeinsam eine Begrenzung der EU-Kompetenzen und klare Regeln dafür, was letztlich die Aufgaben der Europäischen Union sein sollen. Beide sträuben sich allerdings gegen den Begriff einer europäischen Verfassung, denn damit verbinde man eigentlich einen europäischen Staat, den keiner wolle. "Neutraler", so beide, wäre das Wort "Grundvertrag".
Beide Politiker betrachten es darüber hinaus als einen "schweren Fehler" der Türkei einen Aufnahmestatus zu verleihen. Schmidt wörtlich: "Ausser Amerikas geostrategischem Interesse spricht überhaupt nichts dafür, die Türkei in die EU aufzunehmen." Edmund Stoiber betont zwar, dass Deutschland eine "special relationsship" zur Türkei wolle, sowohl in wirtschaftlicher als auch in militärischer Hinsicht. Stoiber wörtlich: "Die Europäische Union ist aber etwas anderes als ein Verteidigungsbündnis, Europa ist kein beliebig dehnbarer Begriff."
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 07/2001 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 8. Februar 2001, ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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