Bundeskanzler Gerhard Schröder formuliert in der ZEIT die Konturen der deutschen Russlandpolitik - ohne Putin geht in Russland wenig
Hamburg (ots)
In einem namentlich gezeichneten Grundsatzartikel für die jüngste Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT schreibt Bundeskanzler Gerhard Schröder unmittelbar vor seinem Besuch beim russischen Präsidenten Wladimir Putin am kommenden Montag: "Ohne Präsident Putin geht in Russland wenig. Die Zusammenarbeit mit ihm ist daher von entscheidender Bedeutung.
Der russische Präsident kennt Deutschland, bringt ihm Sympathie entgegen und spricht seine Sprache. Mit den jährlichen Regierungskonsultationen auf Gipfelebene, an denen die wichtigsten Minister teilnehmen, verfügen wir aber über ein wertvolles Steuerungsinstrument, das beide Seiten unter Entscheidungsdruck und Erfolgszwang setzt. Präsident Putin und ich sind uns insbesondere über die Bedeutung einer aktiven, demokratisch engagierten Zivilgesellschaft für die Entwicklung moderner Staaten einig."
An anderer Stelle schreibt Schröder offen: "Mit Präsident Putin weiss ich mich einig darin, dass ein "starkes" Russland im 21. Jahrhundert vor allem durch die Herrschaft des Rechts legitimiert wird. Rechtsstaatlichkeit ist die Voraussetzung für das demokratische Engagement und die Teilhabe der Bürger. Einem selbstbewussten Russland wird zum Beispiel auch daran gelegen sein, seine Auslandsverbindlichkeiten pünktlich zu begleichen und keine Unsicherheiten über seine Zahlungsmoral zuzulassen. Jede andere Politik würde dem Land den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten erschweren und seine Mitsprachemöglichkeiten im G-8-Rahmen einengen. Ein demokratisches Russland wird auch eher eine tragfähige politische Lösung für den Tschetschenien-Konflikt finden, die humanitären Grundsätzen verpflichtet ist und die Stabilität im Kaukasus insgesamt erhöht."
In dem zwei ZEIT-Seiten füllenden Text geht Schröder auch auf die Besonderheiten Kaliningrads ein, auf den erwünschten Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation
WTO und das Thema "Beutekunst". Der Bundeskanzler entwirft in seinem Artikel ein Programm der wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit und schreibt in diesem Zusammenhang: "Wir vertrauen darauf, dass die russische Regierung nach den makroökonomischen Stabilisierungsschritten jetzt die lange vernachlässigten Strukturreformen angeht. Die Zeit drängt. Niemand kann davon ausgehen, dass hohe Ölpreise das russische Wirtschaftswachstum auf Dauer stützen.
Es bedarf klarer Signale der Wirtschaftspolitik und konkreter Verbesserungen der Rahmenbedingungen. Hierzu gehören der Schutz ausländischer Investitionen, ein investitionsfreundliches Steuer- und Zollrecht sowie effektiver Rechtsschutz. Mangelnde Rechtssicherheit ist eine wesentliche Ursache für Kapitalflucht und die abwartende Haltung mancher ausländischer Investoren."
Kritisch setzt Schröder sich mit der Forderung nach Schuldenerlass auseinander: "Geld allein, das lehrt alle Erfahrung, kann bestehende Probleme nicht lösen. Gerade Russland musste dies in den letzten zehn Jahren, in denen es eine Vielzahl internationaler Unterstützungsleistungen erhalten hat, schmerzlich feststellen. Deswegen würde auch ein immer wieder geforderter Schuldenerlass nicht wirklich helfen, ja er würde vermutlich sogar schaden."
Schliesslich widmet er sich der schwierigsten Frage, nämlich der Sicherheitspartnerschaft mit Russland: "Bis 2003 wird die Europäische Union imstande sein, humanitäre, friedensbewahrende und friedensschaffende Maßnahmen durchzuführen. Das eröffnet auch neue Chancen für die europäisch-russische Zusammenarbeit. Die Europäische Union wird zunächst ihr Konzept entwerfen, ist dann jedoch bei friedenserhaltenden Maßnahmen bereit, eng mit Russland zu kooperieren. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die russische Westgrenze schon heute die sicherste Grenze Russlands ist, ohne militärische oder politische Bedrohung, gekennzeichnet durch friedliche Nachbarschaft und Kooperation.
Die Westgrenze Russlands ist auch deswegen sicher, weil in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft Nato-Mitglieder zur Stabilität beitragen. Es besteht für Russlands Regierung kein Anlass, der grundsätzlichen Offenheit der Nato für neue Mitglieder mit Sorge zu begegnen. Die NATO bedroht niemanden. Und Sicherheit und Stabilität der Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas, die durch die Nato-Öffnung gefördert werden sollen, liegen auch im russischen Interesse."
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 15/2001 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 05. April 2001, ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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