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Helmut Schmidt in der ZEIT: "Wir alle empfinden heute ungeteilte Solidarität mit der amerikanischen Nation"

Hamburg (ots)

Helmut Schmidt in der neuen Ausgabe der
Wochenzeitung DIE ZEIT, die wegen der Terrorattentate in Amerika
schon am Mittwoch, den 12. September 2001 erscheint:
Wer nach dem Ende des Hitlerschen Weltkrieges und den Zerstörungen
Deutschlands die amerikanische Marshall-Hilfe im Gedächtnis hat, wer
sich an die vielerlei ausländischen Hilfen bei der Abwehr des
deutschen Terrorismus erinnert, wer um die entscheidende Hilfe der
USA zur Wiedervereinigung Deutschlands weiß, aber ebenso jeder, der
sein Bekenntnis zu den Menschenrechten und zur Nächstenliebe ernst
gemeint hat: Wir alle empfinden heute ungeteilte Solidarität mit der
amerikanischen Nation.
Das Ausmaß und die Vielfalt der fast gleichzeitigen
Terroranschläge auf das Leben von Zehntausenden Amerikanern und auf
die Führungs- und Nervenzentren des Staates sind nicht ohne eine
weitgespannte Organisation, nicht ohne eine größere Zahl von
Selbstmord-Attentätern, nicht ohne eine größere Zahl von Helfern und
Sympathisanten und nicht ohne viel Geld denkbar. Deshalb wird es
wahrscheinlich nicht lange dauern, bis die Urheberschaft dieses
Mammut-Verbrechens geklärt ist.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist es sowohl für die USA als auch für die
europäischen Regierungen notwendig, nicht auf Gerüchte hereinzufallen
und falsche Schuldige auszumachen. Die enorme Aufregung kann manch
einen und in manchen Orten der ganzen Welt zu hysterischen Reaktionen
verleiten. Deshalb gilt für alle Regierungen und für alle Politiker
als erste Verhaltensregel: Kühle, abwägende Vernunft bewahren.
Für alle Regierungen gilt zweitens, auf eine mögliche Fortsetzung
der Verbrechensserie gefaßt zu sein und Vorsorge für die Sicherheit
der ihnen anvertrauten Bürger zu treffen. Drittens und zugleich ist
eine weitgreifende Spurensuche und Verbrechenserforschung geboten;
dazu müssen alle Regierungen der den USA verbündeten und befreundeten
Staaten der amerikanischen Regierung jedwede Hilfe leisten.
Es ist denkbar, daß wir es mit einer privaten fanatischen
Terrorbande zu tun haben. Es ist auch denkbar, daß ein Staat
indirekte Beihilfe geleistet hat, so wie wir es im Falle des Terrors
der RAF erlebt haben. Es ist nicht völlig auszuschließen, daß es sich
um eine von einem Staat ins Leben gerufene Terrororganisation
handelt. In jedem dieser möglichen Fälle wird die notwendige Reaktion
durch die USA und durch die von Terroristen bedrohten Staaten
verschieden sein müssen. In jedem Falle werden rechtsstaatliche
Regierungen ihre eigene Verfassung und die Charta der Vereinten
Nationen zu wahren haben.
Sofern sich auf Seiten der Terroristen ein Staat oder eine
Regierung als beteiligt herausstellen sollten, so kann daraus ein
Krieg entstehen. Deshalb ist um so mehr kühle Vernunft geboten. In
jedem Falle werden die USA sich mit großer Kraft und all ihrer
Vitalität zur Wehr setzen. Und wir Deutschen werden an ihrer Seite
stehen.
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co.
DIE ZEIT
Pressehaus
Speersort 1
20095 Hamburg
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