FOCUS auch ohne Markwort erfolgreich
Hamburg (ots)
"Focus könnte schon lange auch ohne mich erfolgreich sein", erklärt der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Focus". In einem Gespräch mit der ZEIT sagt Markwort: "Uli Baur, mein Stellvertreter, wäre von heute auf morgen in der Lage, das Blatt alleine zu führen. Irgendwann wird das so kommen." Auf einen Termin will Markwort sich nicht festlegen.
In dem Gespräch räumt er ein, vor der Einführung von "Focus" vor zehn Jahren auch von Selbstzweifeln geplagt worden zu sein: "Ich wusste, ich durfte keine Selbstzweifel haben, nach innen nicht und nach außen nicht. Und wenn ich doch welche hatte, habe ich sie mit mir alleine ausgemacht." Als eine der wichtigsten durch "Focus" beförderten Veränderung sieht Markwort den politischen Richtungswechsel der veröffentlichten Meinung: "Bis es Focus' gab herrschte, zumindest auf dem Magazinmarkt, ein klares Monopol. Die veröffentlichte Meinung war politisch links. Das haben wir aufgebrochen, und das stört unsere Mitbewerber und die gesamte sogenannte linke Presse." Einen Teil seines journalistischen Erfolgsrezeptes beschreibt Markwort in der Abgrenzung zu vielen Kollegen: "Alle wollen gelobt werden, am liebsten von der Süddeutschen Zeitung, das gilt als schick, oder von der taz, das gilt als total schick. Ich schaue mich eher bei den Lesern um."
Das komplette ZEIT-Interview (ZEIT Nr. 2 EVT 2. Januar 2003) finden Sie im Anhang.
Für Rückfragen melden Sie sich bitte ab 2. Januar 2003 bei Elke Bunse, DIE ZEIT Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 040/ 3280-217, Fax: 040/3280-558, E-mail: bunse@zeit.de
Zum zehnten Geburtstag von "FOCUS" ein Gespräch mit seinem Erfinder und Chefredakteur Helmut Markwort über Fakten, Feindbilder, Freundschaften, Selbstzweifel und sein Tagebuch
Herr Markwort, nach zehn Jahren Erfolg mit »Focus« könnten Sie es doch ganz entspannt zugeben: Keiner hat ernsthaft an den Erfolg von »Focus« geglaubt, noch nicht einmal Sie. Natürlich habe ich daran geglaubt. Weil Sie daran glauben mussten. Ich wusste, ich durfte keine Selbstzweifel haben, nach innen nicht und nach außen nicht. Und wenn ich doch welche hatte, habe ich sie mit mir alleine ausgemacht. Aber je näher wir dem Erscheinungstag kamen, desto sicherer war ich mir, dass es ein Erfolg werden würde. Es gab im Vorfeld ungeheure Häme und auch persönliche Kränkungen. Worüber haben Sie sich am meisten geärgert? Darüber, dass die Leute gesagt haben: Der hat vorher Ein Herz für Tiere gemacht. Das war eine bewusste Diffamierung eines wichtigen Projekts. Entsprach aber der Wahrheit. Ich war vorher vor allem 20 Jahre lang Chefredakteur des Gongs, habe das Düsseldorfer Büro des sterns geleitet, habe erfolgreich Radiosender gegründet, habe erfolgreich die aktuelle erfunden und bin jahrelang in einer politischen Talkshow aufgetreten. Auch daraus ließ sich nicht zwangsläufig herleiten, dass Sie geeignet waren, ein Magazin zu führen, das den »Spiegel« herausfordert. Wir haben niemanden herausgefordert. Der größte Fehler, den der Spiegel damals gemacht hat, war der, dass er uns nicht ignoriert, sondern mit Häme übergossen hat. Im Gegensatz zur veröffentlichten Meinung haben große Teile der wirtschaftlichen und politischen Eliten unsere Idee von Anfang an unterstützt. Wir wollten eine Lücke schließen, die im bürgerlichen Meinungsspektrum da war. Und dafür bin ich nicht der falsche Mann, wie sich gezeigt hat. Herr Markwort, wie lange wollen Sie noch Kapitän sein? Focus könnte schon lange auch ohne mich erfolgreich sein. Uli Baur, mein Stellvertreter, wäre von heute auf morgen in der Lage, das Blatt allein zu führen. Irgendwann wird das so kommen. Wann? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Wer würde wem mehr fehlen: Markwort dem »Focus« oder »Focus« dem Markwort? Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich halte es mit Rudolf Augstein: Wenn ich weg bin, bin ich weg. Bis dorthin pflegen Sie aber in Ihrem wöchentlich im »Focus« erscheinenden »Tagebuch«, in den Fernsehspots und auch sonst Ihr Image als Rechthaber. Zeigen Sie mir jemanden, der gerne Unrecht hat. Sie gelten als autoritär. Seltsam. Ich halte mich für gutmütig. Das autoritäre Image haben mir diese Fernsehspots eingebrockt, die mich in den Focus-Redaktionskonferenzen oft in der Rolle des alleinigen Entscheiders zeigen. Leiden Sie darunter? Ich habe nichts gegen Diskussionen. Irgendwann muss entschieden werden. Sie gelten als Bauchentscheider. Meinen Sie Bauch im Gegensatz zu Hirn? Das haben Sie gesagt. Da ich nicht nur meinem Bauch, sondern auch meinem Hirn ständig Nahrung zuführe, müssen Sie sich keine wirklichen Sorgen machen. Die beiden funktionieren wunderbar gemeinsam. Natürlich hört aber mein Hirn auch auf den Bauch. Aber so ein Bauch muss erst mal angefressen werden. Was kennzeichnet Ihren journalistischen Speiseplan? Die meisten Journalisten interessieren sich zu viel für Journalisten. Es interessiert sie nicht, was die Leser denken, sondern vielmehr, was die Kollegen über ihre Texte denken. Alle wollen gelobt werden, am liebsten von der Süddeutschen, das gilt als schick, oder von der taz, das gilt als total schick. Ich schaue mich eher bei den Lesern um, im Tennisclub, auf dem Flughafen, im Stadion, überall. Und daraus entstehen dann Geschichten wie die Ärzteliste. Nachdem mich der zwanzigste Bekannte nach dem besten Sportmediziner gefragt hatte, dachte ich, das muss man auch systematisieren können. Wenn man Ihre »Tagebuch«-Einträge über die Jahre studiert, fällt auf, dass Sie einige Feindbilder sorgfältig pflegen. Was meinen Sie? Zum Beispiel die »Hamburger Großverlage«, ein Zitat aus dem Jahr 1993: »Auffällig: Die Chefredakteure von Woche, Wochenpost und ZEIT tragen allesamt Vollbärte.« Die Passage ging sogar noch weiter, sinngemäß: Robert Leicht nähere sich in seiner Physiognomie sogar schon Sokrates an. Ihr geschätzter Kollege, der damalige ZEIT-Chefredakteur Robert Leicht, hat mich damals angesprochen und das ausdrücklich mit Humor genommen. Er hat sich gefreut darüber. Gemeint war es anders. Das waren kleine, in diesem Fall sogar liebevolle Scherze. Kein Scherz ist aber etwas anderes: Bis es Focus gab, herrschte, zumindest auf dem Magazinmarkt, ein klares Monopol. Die veröffentlichte Meinung war politisch links. Das haben wir aufgebrochen, und das stört unsere Mitbewerber und die gesamte so genannte linke Presse. Dafür werden wir angegriffen. Und manchmal wehren wir uns. Das ist gut für unser Ego und signalisiert denen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen. Was hat der Leser davon? Nichts hat der Leser davon, den interessiert das nicht. Es muss trotzdem manchmal sein. Fühlen Sie sich nach zehn Jahren von der linken Presse immer noch verfolgt? Bevor Focus erschien, herrschte - um nur ein Beispiel zu nennen - im ARD-Presseclub meistens eine Konstellation von vier linken Kollegen und einem Alibikonservativen von der FAZ oder der Welt. Jetzt sieht das in der Regel anders aus, in vielen Bereichen. Dazu haben wir beigetragen. Das danken uns viele. Ein weiterer »Tagebuch«-Eintrag lautet: Die öffentlich abgelehnte Koalition Schwarz-Grün wird in vielen Ehen schon längst praktiziert. Der Ehemann ist Leistungsträger mit einer 66-Stunden-Woche und wählt die CDU, die Ehefrau kann es sich leisten, grün zu wählen. Das ist authentisch. Herr Markwort, bitte! Solche Konstellationen habe ich ohne Ende im Tennisclub beobachtet. Herr Markwort! Das ist die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Kommen wir zur PDS. Auf Kommunismus und Kommunisten reagiere ich allergisch. Immerhin regiert die PDS in Berlin, demokratisch gewählt. Wo bleibt da Ihre Liberalität? Ich kenne zu viele Leute, die in Bautzen gesessen haben, weil sie dabei erwischt worden sind, dass sie den Spiegel gelesen haben - leider gab es uns da noch nicht. Dass die Leute, die für die Grausamkeiten des Sozialismus mitverantwortlich waren, jetzt wieder an der Macht sind, finde ich unerträglich. Deshalb haben Sie die PDS auch zum großen »Focus«-Fest in Berlin gar nicht erst eingeladen. Das zeigt eine Haltung. Punkt. Ich habe vollstes Verständnis für die Bürgerrechtler, die diesen Leuten auf einer Party nicht begegnen wollen. Sind Sie ein politischer Mensch? Ich habe jahrelang als politischer Journalist gearbeitet. Und 1968, als andere mit Steinen geworfen haben, bin ich in die FDP eingetreten, war programmatisch und organisatorisch aktiv, habe dabei aber nicht den Fehler von Rudolf Augstein gemacht, ins Parlament zu gehen. Worin bestand Augsteins Irrtum? Der Bundestagsabgeordnete Augstein hat schnell gespürt, dass seine Bonner Korrespondenten viel besser über die aktuelle Lage informiert waren als er, dass er als Journalist viel mehr Einfluss hatte denn als Politiker. Wie nahe ist der Journalist Markwort den Politikern, insbesondere den Konservativen? Es gibt Umarmungsversuche, aber ich wehre mich. Ich duze keinen einzigen Politiker. Als Mitglied der FDP bin ich heute eine Karteileiche. Natürlich gibt es ein Nähe-Distanz-Problem zwischen Journalisten und Politikern. Das habe ich, das haben Sie, das haben alle, die sich um exklusive Informationen bemühen. Wir suchen Nähe für Informationen, und wir brauchen Distanz für Kritik. Hatten Sie persönlich deshalb schon mal Ärger? Es ist mir unbegreiflich, dass Politiker Journalisten entweder als Freund oder als Feind sehen. Sind Journalisten bestechlich? Nicht im materiellen Sinne, das kann ich jedenfalls für Focus-Journalisten sagen. Schwierig wird es naturgemäß, wenn ein Politiker einem Journalisten dreimal hintereinander exklusive Nachrichten steckt, mit denen dieser dann innerhalb der Redaktion sein Ansehen steigert. Das ist eine subtile Form der Korruption. Über diesen Informanten dann kritisch zu schreiben fällt vielen schwer. Kennen Sie das Problem auch persönlich? In leicht abgewandelter Form, denn ich musste einen der seinerzeit vielleicht größten Scoops für mich behalten, weil ich ins Vertrauen gezogen worden war. Es war einmal ein niedersächsischer Ministerpräsident, der verliebte sich in eine »Focus«-Redakteurin ... Ich war damals Geheimnisträger. Das ist das Quälendste, was einem Journalisten passieren kann. Ich hatte der Redakteurin Doris Köpf und ihrem Freund mein Ehrenwort gegeben. Einmal haben wir uns heimlich getroffen. Ich habe das einsamste Lokal ausgesucht, irgendwo im Hopfenanbaugebiet in der Holledau. Schröder hatte einen Pfälzer Wildererhut auf, damit man ihn nicht erkenne. Außer uns waren nur vier Schafkopf spielende Menschen im Lokal. Die Wirtin hat Schröder aber trotzdem erkannt und offenbar den örtlichen SPD-Ortsvereinsvorsitzenden herbeitelefoniert. Der stand dann plötzlich am Tisch. Er hat aber auch dichtgehalten. Haben Sie Freunde in der Branche? Ich habe kürzlich einen Spruch gelesen: Je mehr man in der Öffentlichkeit steht, desto mehr wird man zum Einzelgänger. Mit den wenigen Journalisten, mit denen ich auch privat befreundet bin, arbeite ich nicht zusammen, obwohl das persönliche Verhältnis zu meinem Stellvertreter Uli Baur sehr eng ist. Ich könnte jetzt sagen: Herbert Riehl-Heyse ist mein Freund. Damit bringe ich ihn aber in Schwierigkeiten, denn immer wenn bei uns etwas steht über die Krise bei der Süddeutschen Zeitung, wird der arme Kerl verdächtigt, die undichte Stelle zu sein. Dabei weiß Riehl-Heyse in diesem Bereich viel weniger als unsere Medienredakteure. Wir spielen Schafkopf zusammen, früher haben wir gekegelt und Tennis gespielt. Darunter soll er nicht leiden. Sie stehen in der Öffentlichkeit und sind trotzdem in der Yellow Press selten zu sehen. Obwohl sie zu dieser ja durch Ihre Lebensgefährtin Patricia Riekel, Chefredakteurin der »Bunten«, eine gewisse Nähe haben. Genau aus diesem Grund halte ich mein Privatleben aus alledem heraus. Frau Riekel macht Ihren Job, ich mache meinen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Frau Riekel hat aber einmal etwas dazu gesagt, und zwar: »Bei uns zu Hause ist Herr Markwort der Star.« Hat sie Recht? Ja, sie kriegt das hin. Kommen wir zu einer anderen Familie. Sie waren einer der Ersten, die Franziska Augstein nach der Rede auf dem Staatsakt für ihren Vater Rudolf Augstein beglückwünscht haben. Taten Sie dies ganz ohne Hintergedanken? Ich bin zu ihr gegangen und habe ihr meinen Respekt bekundet für diese Rede. Ohne jeden Hintergedanken. Ich fand das einfach mutig. Wo gibt es das schon, dass jemand einfach aufsteht und spricht und dann so spricht? Das war ein großer Moment, alle in der Kirche haben das gespürt. Der schönste Satz war: »Es gibt auch Ehrenbürger, die Väter sind.« Und, wenn Sie darauf anspielen: Ich glaube nicht, dass Franziska Augstein mit dieser Rede wirkliche Diadochenkämpfe um die Herrschaft im Spiegel auslösen kann. Von »Spiegel«-Chefredakteur Stefan Aust weiß man, dass er in seiner Laufbahn, gewissermaßen als eine der ultimativen Herausforderungen, noch das Bernsteinzimmer finden will. Was ist Ihre journalistische Passion? Das Bernsteinzimmer interessiert mich nur peripher. Lieber jede Woche einen mittleren Scoop als einen großen im Jahr.
Das Gespräch führte Moritz Müller-Wirth
DIE ZEIT Nr. 2 vom 2. Januar 2003
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