Altkanzler Schmidt kritisiert Kirchhof und die Türkei-Politik der SPD
Hamburg (ots)
Anders als Bundespräsident Horst Köhler sehen Helmut Schmidt und Kurt Biedenkopf die Bundesrepublik nicht in der schwersten Krise der Nachkriegszeit. "Köhler hat nicht den Zustand Deutschlands im Jahre 1945 bewusst miterlebt, nicht 1949, nicht in den fünfziger Jahren", sagt Alt-Bundeskanzler Schmidt in einem ZEIT-Gespräch mit dem früheren sächsischen Ministerpräsidenten Biedenkopf. Schmidt und Biedenkopf nehmen zum Wahlkampf Stellung und umreißen Lösungsvorschläge für die aus ihrer Sicht gravierendsten Probleme der deutschen Politik und Gesellschaft.
Über den CDU-Finanzexperten Kirchhof bemerkt Schmidt: "Er müsste erst einmal lernen, Finanzminister zu sein. Er ist ein Steuerfachmann, der Haushalt ist ihm einstweilen nicht so wichtig. Vom Kapitalmarkt versteht er zunächst, wie es mir scheint, gar nichts, von Währungspolitik, wie es mir scheint, auch nichts, desgleichen nichts von Bankaufsicht. Mit Steuerpolitik allein kann man kein Finanzminister sein." Einen einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent, wie Kirchhof ihn vorschlägt, hält Schmidt "für wünschenswert auf jeden Fall und für die Masse der Arbeitnehmerfamilien auch für machbar". Laut Biedenkopf ist die "elektrisierende Wirkung" von Kirchhofs Auftreten "außerordentlich hilfreich". Er prognostiziert: "Wenn er tatsächlich Finanzminister werden sollte, wird er lernen, ein Politiker zu werden und mit den Widerständen zu rechnen, die der Verwirklichung seiner Ideen entgegenstehen."
Schmidt warnt in dem Gespräch vor einem EU-Beitritt der Türkei und pflichtet darin ausdrücklich der Kanzlerkandidatin der Union bei: "Ich bin in diesem Punkt absolut derselben Meinung wie Frau Merkel: Ökonomische Zusammenarbeit ja, Zollunion ja, Freihandelszone ja, aber keine Freizügigkeit für die Bevölkerungsüberschüsse, die in der Türkei entstehen."
Zu den möglichen Regierungsvarianten nach der Bundestagswahl erklärt Biedenkopf: "Ich bin kein Freund von Großen Koalitionen." Schmidt zu diesem Thema: "Wenn ich heute gefragt werde, was ich davon halte, würde ich sagen: Das gegenwärtig zur Verfügung stehende Personal ist nicht sonderlich geeignet, gemeinsam zu regieren, weil beide Seiten nicht ausreichend wissen, was sie eigentlich wollen sollen."
Das komplette Interview der ZEIT Nr. 38 vom 15.9.2005 senden wir Ihnen gerne zu.
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