Gemeinnützige Hertie-Stiftung steigert ihre Fördermittel
im Jahr
2000 um 200 Prozent auf 64,5 Millionen DM
Frankfurt (ots)
Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung (GHS) hat ihre für die Projektarbeit verfügbaren Mittel im Jahr 2000 gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. Nachdem das Fördervolumen 1999 21,9 Mio. DM betrug, konnten 2000 64,5 Mio. DM für gemeinnützige Projekte bereitgestellt werden. Auf der Jahrespressekonferenz der GHS in Frankfurt stellte ihr Vorstandsvorsitzender, Dr. Michael Endres, das "neue Format" der Stiftung vor: Im Jahr 2000 wurden alle rechtlichen, finanziellen, personellen und organisatorischen Bindungen zur Stifterin der GHS, der ehemaligen Hertie-Stiftung (heute Karg'sche Familienstiftung) gelöst. Beide Stiftungen gehen jetzt getrennte Wege. Die Karg'sche Familienstiftung verwaltet das Familienvermögen, die GHS konzentriert sich - unter einem neuen Vorstand - auf die gemeinnützige Projektarbeit und die Anlage ihres Stiftungskapitals. Ein Eckstein in der Entflechtung der beiden Stiftungen ist die Rückzahlung des partiarischen Darlehens, welches die GHS der Familienstiftung 1993 gewährt hatte. Die beiden Stiftungen haben sich darauf geeinigt, das Darlehen in Höhe von 1,7 Mrd. DM in zwei Raten vorzeitig an die GHS zurückzuzahlen. Diese Zahlungen sind im April und im Oktober 2000 von der Karg'schen Familienstiftung geleistet worden. Die GHS hat damit anstelle der mit geringem Ertrag und ohne Stimmrechte versehenen Beteiligung an der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH nunmehr ein frei verfügbares Vermögen in Höhe von rund 1,7 Mrd. DM und wird auch künftig für die Projektarbeit jährlich mehr als 50 Mio. DM ausschütten. Damit zählt die Gemeinnützige Hertie-Stiftung heute zu den fünf größten Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland. Sie ist mit Abstand die größte gemeinnützige Stiftung in Hessen.
Die neue Verfassung, die mit Genehmigung des Regierungspräsidenten in Darmstadt am 28. August 2000 in Kraft trat, enthält als wichtigste Änderung die Einsetzung eines Kuratoriums, das den Vorstand bestellt und ihn in der langfristigen Ausrichtung der Förderaktivitäten berät. Neben Prof. Dr. Roman Herzog, der den Vorsitz übernehmen wird, gehören dem Kuratorium der GHS Prof. Dr.-Ing. Dagmar Schipanski, Prof. Dr. Paul Kirchhof, Dr. Bernd Pischetsrieder, Lord Simon of Highbury, Prof. Dr. Wolf Singer und Prof. Dr. Andrzej Zoll an. Die GHS hat im Jahr 2000 die Richtlinien ihrer Förderarbeit neu konzipiert und in Leitsätzen festgehalten. Sie engagiert sich demnach in den drei Themenschwerpunkten Neurowissenschaften/multiple Sklerose, Europäische Integration sowie Erziehung, Bildung und Soziales.
In ihrem Schwerpunkt "Neurowissenschaften/multiple Sklerose" fördert die Gemeinnützige Hertie-Stiftung den Aufbau innovativer Formen der neurowissenschaftlichen Forschung, die Initiierung neurowissenschaftlicher Forschung in zukunftsweisenden Bereichen, die MS-Forschung sowie MS-Selbsthilfegruppen. Seit Gründung der Stiftung 1974 wurden bisher mehr als 100 Mio. DM für Forschung und sozialmedizinische Projekte im neurowissenschaftlichen Bereich aufgewendet. Zur Zeit ist die GHS die größte private Förderinstitution im Bereich der Hirnforschung in Deutschland.
Im Jahr 2000 errichtete die Stiftung mit einer Fördersumme von rund 43 Mio. DM das "Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung" im Universitätsklinikum Tübingen, um klinische Hirnforschung, medizinische Behandlung und Ausbildungsarbeit auf internationalem Spitzenniveau zu praktizieren. Zur Förderung der Multiple-Sklerose-Forschung in Deutschland wurde ein wissenschaftliches Forschungsvorhaben zum Thema "molekulare Neuroimmunologie" mit einer Fördersumme von 9 Mio. DM ausgeschrieben. Außerdem förderte die Stiftung 33 MS-Forschungsprojekte an universitären Instituten und Kliniken, sowie 36 sozialmedizinische Projekte für Multiple-Sklerose-Erkrankte. Um aktuelle und moderne Forschung zu ermöglichen, wurde das gesamte Begutachtungsverfahren beschleunigt und liegt zur Zeit im Mittel bei nur noch 42 Tagen. Zur Zeit baut die GHS eine Hertie-Bibliothek auf, welche die neurowissenschaftlichen Publikationen enthält, die aus der Förderung durch die Stiftung entstanden sind. Die Hertie-Bibliothek wird über die Internet-Adresse der GHS, www.ghst.de, zugänglich sein. Schließlich wird zur Zeit in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft eine Nachwuchs-Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt aufgebaut.
Im Schwerpunkt "Erziehung, Bildung und Soziales" hat die Stiftung eine Reihe von Initiativen zur Innovation im deutschen Schulwesen ergriffen. Zur Förderung der Integration von Zuwandererkindern wurde das Projekt "Deutsch & PC" aufgelegt. Ab der ersten Klasse wird an drei Frankfurter Grundschulen ein sprachlich besonders intensiv gestalteter Unterricht für Schüler angeboten, die des Deutschen nicht oder nur unzureichend mächtig sind. Das auf fünf Jahre angelegte Projekt soll die auf Sprachbeherrschung beruhenden Bildungschancen der Zuwandererkinder frühzeitig sichern. In diesem Zusammenhang plant die Stiftung auch ein Stipendienprogramm für begabte Zuwandererkinder in Hessen aus den Schulklassen 8 bis 13. An engagierte Frankfurter Schüler im Alter von 16 bis 18 Jahren sowie an Lehrkräfte richtet sich das Projekt "Jugend debattiert", das sich als Beitrag zur deutschen Sprachkultur und zur politischen Bildung versteht. Zur Unterstützung vorbildlich arbeitender Hauptschulen wird die Stiftung im Rahmen der "Initiative Hauptschule" am 31. Mai 2001 in Anwesenheit von Bundespräsident Johannes Rau den mit insgesamt 120.000 DM dotierten "Hauptschulpreis" vergeben. Mit Blick auf die wachsende Zahl der Schulverweigerer fördert die Stiftung das Präventionsprojekt "KOMM" in Frankfurt und Darmstadt. - Im sozialen Bereich hat die Stiftung ihr Engagement für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fortgesetzt. 18 Unternehmen unterzeichneten im Jahr 2000 einen Vertrag über die Auditierung im Hinblick auf Familienfreundlichkeit. In Kürze wird gemeinsam mit dem hessischen Sozialministerium der Landeswettbewerb "Familienfreundliche Kommune" gestartet.
In einem eigenen Schwerpunkt unterstützt die Gemeinnützige Hertie-Stiftung den europäischen Integrationsprozess: durch die gezielte Fortbildung des mittel- und osteuropäischen Führungsnachwuchses sowie durch die Förderung von Begegnung und Austausch zwischen Ost und West.
Im Rahmen der "Roman Herzog-Forschungsstipendien" stellt die GHS in einer gemeinsamen Initiative mit der Alexander von Humboldt-Stiftung rund 7 Mio. DM für Nachwuchswissenschaftler aus Mittel- und Osteuropa bereit. In den kommenden fünf Jahren werden jährlich 12 Stipendien vergeben. Das von der GHS an der Universität zu Köln errichtete "Rechtszentrum für Europäische und Internationale Zusammenarbeit" bildet u.a. Stipendiaten aus Mittel- und Osteuropa aus und hat in Danzig eine Deutsche Rechtsschule eingerichtet. Gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Goethe-Institut fördert die Stiftung ein Fortbildungsprogramm für Verwaltungsbeamte aus den baltischen Staaten. In Zusammenarbeit mit der hessischen Staatskanzlei wird in Kürze ein Qualifizierungsprogramm für polnische Verwaltungsbeamte beginnen. Die Stiftung bereitet ferner die Errichtung eines Hertie-Instituts für Europäische Integration vor, um die Weiterbildung von mittel- und osteuropäischen Führungs- und Nachwuchskräften in Wirtschaft und öffentlichem Sektor zu verbessern. Zur nachhaltigen Betreuung ihrer Stipendiaten arbeitet die Stiftung derzeit an der Errichtung eines eigenen Stipendienwerks.
Als Stiftung mit Sitz in Frankfurt ist die Gemeinnützige Hertie-Stiftung mit einer Reihe von Projekten in Frankfurt und Hessen aktiv. So wurden durch die Stiftung in den Jahren 1995-1999 Fördermittel in Höhe von rund 8 Mio. DM für Projekte in Hessen vergeben. Im Jahre 2000 waren es bereits rund 10 Mio. DM.
Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung ist aus dem Lebenswerk und dem Willen des 1972 verstorbenen Stifters Georg Karg, Inhaber der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH, hervorgegangen. Auf Initiative der Kinder und Erben, Brigitte Gräfin von Norman und Hans-Georg Karg, wurde am 10. Dezember 1974 die "Gemeinnützige Hertie-Stiftung zur Förderung von Wissenschaft, Erziehung, Volks- und Berufsbildung" mit Sitz in Frankfurt am Main gegründet. 97,5 Prozent der Anteile der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH wurden in diese Stiftung eingebracht.
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