Jahrespressekonferenz: Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung stellt im Jahr 2004 25 Millionen Euro für neue Modellprojekte bereit
Frankfurt am Main (ots)
Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung (GHS) wird für ihre Projektarbeit im laufenden Jahr rund 25 Mio. Euro aufwenden. Auf der Jahrespressekonferenz der GHS am Stiftungssitz in Frankfurt zog der Vorstandsvorsitzende, Dr. Michael Endres, eine Bilanz des vergangenen Jahres. Seit ihrer Trennung von der jetzigen Karg'schen Familienstiftung im Jahr 2000 hat sich die GHS mit einem Vermögen von derzeit rund 770 Mio. Euro zu einer der größten deutschen Privatstiftungen entwickelt. Ihre Förderbereiche Neurowissenschaften, Erziehung zur Demokratie und Europäische Integration will die Hertie-Stiftung auch im laufenden Jahr durch gezielte Modellprojekte fokussieren und ergänzen.
Nachdem die Hertie-Stiftung in den Jahren 2001 und 2002 der Verschlechterung der Aktienmärkte Tribut hatte zahlen müssen, hat sie sich 2003 von den vorübergehenden Vermögenseinbußen gut erholt. Die Performance der Vermögensanlage liegt bei knapp 8 Prozent. Das Vermögen der Stiftung ist zu rund 70 Prozent in festverzinslichen Wertpapieren und Immobilien investiert und zu etwa 25 bis 30 Prozent in Aktien angelegt. Bei einer maximalen Rücklagendotierung von einem Drittel der erzielten Erträge standen im vergangenen Jahr rund 16 Mio. Euro für die gemeinnützige Projektarbeit zur Verfügung. Zugleich wurde ein Gewinnvortrag von 3 Mio. Euro erwirtschaftet, der im Jahr 2004 für bereits in Planung befindliche Projekte investiert werden soll. Der Verwaltungskostenanteil der Hertie-Stiftung lag auch 2003 mit rund 8 Prozent wieder deutlich unter einem Zehntel der Erträge. Insgesamt ist die GHS derzeit in 45 größeren Projekten tätig, von denen etwa die Hälfte im vergangenen Jahr begonnen wurde. Die Stiftung hat seit ihrer Neuausrichtung im Jahr 2000 17 Lehrstühle zugesagt und 330 Stipendiaten gewinnen können.
Das Jahr 2003 war für die GHS überschattet vom Tod ihres Stifters Hans-Georg Karg, der am 25. Juni 2003 starb. Zusammen mit seiner Schwester, Brigitte Gräfin von Norman, hatte er 1974 die Stiftung ins Leben gerufen, deren Vorsitzender er bis 1993 war. Bis zu seinem Tod blieb er der GHS als Ehrenvorsitzender verbunden.
Im August 2003 tauschte die Hertie-Stiftung ihre Räumlichkeiten in der Frankfurter Bürostadt Niederrad gegen ein eigenes Haus im Westend der Stadt. "Grüneburgweg 105" lautet seitdem die neue Adresse. 1883 erbaut, hat das neue Domizil lange Zeit als Wohnhaus gedient und besitzt einen ausgesprochen transparenten, kommunikativen Charakter. "Diese Architektur", so der Vorstandsvorsitzende Dr. Michael Endres, "ist für uns gewissermaßen Programm - das Haus steht allen offen, die mit ihren Ideen, Vorschlägen und Beiträgen die Stiftung voranbringen wollen. Es steht aber auch allen offen, die auf unsere Hilfe und Unterstützung angewiesen sind."
Dr. Endres betonte das Selbstverständnis der GHS als Reformstiftung, die antizyklisch agieren, Themen vor ihrer Zeit erkennen und gesellschaftspolitische Entwicklungen vorwegnehmen müsse. So platzierte die Hertie-Stiftung im Juni 2003 mitten in die anhaltende Debatte um den "brain drain" in der deutschen Wissenschaft ihr Exzellenzprogramm Neurowissenschaften. Es ermöglicht Hirnforschern, die trotz exzellenter Leistungen aufgrund arbeitsrechtlicher Bestimmungen keine weiteren Arbeitsverträge erhalten können, ihre berufliche Laufbahn in Deutschland fortzusetzen und nicht ins Ausland abzuwandern.
Ein weiteres Beispiel der Reformanstrengungen des vergangenen Jahres: die Gründung der Hertie School of Governance, der ersten Professional School für den öffentlichen Sektor, die sich in Deutschland etabliert. Hier will die Hertie-Stiftung von den hergebrachten Strukturen des Ordinarien-Prinzips abweichen und eine Fakultät mit gleichrangigen Wissenschaftlern ohne eigene Institute schaffen - bei einer Bezahlung, die zu einem nicht unerheblichen Teil leistungsbezogen ist. Die neue Hochschule soll ihren Beitrag dazu leisten, dem Nachwuchs im Staat, in der Wissenschaft, aber auch in der Zivilgesellschaft ein Angebot internationalen Zuschnitts zu bieten. Der Begriff "Professional School" ist im deutschen Bildungswesen noch nicht verankert. Er bedeutet, dass die Schule sowohl im wissenschaftlichen als auch im praktischen Bereich Spitzenleistungen anbietet. Dem Kuratorium der Hertie School steht Prof. Dr. Kurt Biedenkopf vor.
Die Fördertätigkeit der Hertie-Stiftung baut maßgeblich darauf auf, Projekte, die sich im Modell bewährt haben, im Wege von Kooperationen und Partnerschaften in die Breite zu tragen. Besonders gelungen ist dies im START-Stipendienprogramm für begabte und engagierte Zuwandererkinder, das die Stiftung im vergangenen Jahr von Hessen aus durch das Engagement zahlreicher Vereine, Städte, Stiftungen und privater Spender nach Sachsen und nach Nordrhein-Westfalen "exportieren" konnte. Auch bei den momentan 74 Stipendiaten wird es nicht bleiben. Weitere "Mittäter" haben ihre Unterstützung zugesagt, so dass das Programm im Jahr 2004 nochmals ausgeweitet werden kann. Ein weiteres Projekt, bei dem die GHS ihr Engagement als "Anstiftung" verstanden hat, ist Jugend debattiert. Was 2001 als Modellprojekt in Frankfurt am Main mit 350 Schülern begann, hat sich mittlerweile zum größten privat finanzierten Projekt zur sprachlichen und politischen Bildung in Deutschland entwickelt: Jugend debattiert fand 2003 unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten erstmals bundesweit statt. 16.000 Schüler beteiligten sich. In diesem Jahr werden es sogar 30.000 sein. Die Stiftung plant, das Jugenddebattiert-Konzept in die Lehreraus- und -fortbildung hineinzutragen und nach Osteuropa zu exportieren.
"Wir wollen intelligentes Geld einsetzen." So formulierte der Vorstandsvorsitzende Dr. Endres den Anspruch der Hertie-Stiftung, die begrenzten Mittel so zu verwenden, dass sie auch externe Kräfte für ein Projekt mobilisieren. Beispielhaft gelang dies etwa in dem von der Stiftung ausgeschriebenen Wettbewerb "Molekulare Neuroimmunologie" um eine Stiftungsprofessur in Höhe von 4,6 Mio. Euro. Dieser Wettbewerb entwickelte eine solche Dynamik, dass sich verschiedene Universitäten bei der Bewerbung zusammenschlossen und zum Schluss daraus das erste deutsche Institut für Multiple-Sklerose-Forschung mit einem Gesamtvolumen von 10,8 Mio. Euro entstand. Am 31. März 2004 wird es in Göttingen feierlich eröffnet.
Im Jahr 2004 wird die Hertie-Stiftung rund 25 Mio. Euro für gemeinnützige Projekte zur Verfügung stellen.
Im Förderbereich Neurowissenschaften will die Stiftung ihre Anstrengungen um Aktualität und Wettbewerb weiter verstärken. So wird sie künftig Jahresschwerpunkte setzen, die auf ein besonders aktuelles und wichtiges Thema der Hirnforschung ausgerichtet sind und in denen in Form eines wissenschaftlichen Wettbewerbes die Fördermittel vergeben werden. Begonnen wurde bereits mit dem Wettbewerb "Funktionelle Bildgebung des Gehirns", der mit einem Fördervolumen von 2,5 Mio. Euro das größte Neuprojekt der Stiftung im Jahr 2003 war. An diesem Wettbewerb haben sich 85 Forschungsgruppen beteiligt. Im Juni 2004 wird die Entscheidung über die Mittelvergabe fallen.
Im Förderbereich Erziehung zur Demokratie wird die Stiftung ihre Kompetenz in den Themenfeldern Integration und Sprachkultur weiter ausbauen. Ziel der Integrationsbemühungen ist es, eine optimale Förderung von Zuwandererkindern ab dem Alter von 3 Jahren bis hin zu einem höheren Bildungsabschluss modellhaft zu erarbeiten. Das gemeinsam mit den Partnern Herbert-Quandt-Stiftung und Türkisch-Deutscher Gesundheitsstiftung neu begonnene Kindergartenprojekt "früh-start" ist ein entscheidender Schritt auf diesem Weg. Zugleich plant die Stiftung, das Thema der deutschen Sprache und der deutschen Sprachkultur im In- und Ausland mit neuen Projekten weiter zu vertiefen.
Vorrangiges Ziel im Förderbereich Europäische Integration ist es, die Hertie School of Governance bei ihren ersten Schritten zu unterstützen und sie durch eine weitere Verbreiterung der Stiftungsaktivitäten in Mittel- und Osteuropa zu begleiten. Eine der ersten Aufgaben wird im Jahr 2004 der Ausbau des Projektes KAFKA sein, das herausragenden Frankfurter Studenden Praktika in den Partnerstädten Krakau, Prag und Budapest ermöglicht und zugleich jungen Akademikern aus diesen Met-ropolen Hospitanzen am Main anbietet.
In Hessen ist die Hertie-Stiftung mit weitem Abstand die größte Stiftung. Von ihrer Gesamtfördertätigkeit entfallen rund 20 Prozent auf dieses Bundesland. Zahlreiche wichtige Pilotprojekte der GHS sind in Hessen begonnen worden und manche konnten auf der Grundlage der hier gemachten Erfahrungen ausgeweitet werden. Insgesamt wurden in den Jahren 1995 bis 2002 Fördermittel in Höhe von rund 22 Mio. Euro für Projekte in Hessen vergeben. Im Jahr 2003 waren es weitere 5 Mio. Euro.
Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung baut auf dem Lebenswerk des 1972 verstorbenen Stifters Georg Karg, Inhaber der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH, auf. In Fortführung seiner Pläne und auf Initiative der Kinder und Erben, Brigitte Gräfin von Norman und Hans-Georg Karg, wurde am 10. Dezember 1974 die "Gemeinnützige Hertie-Stiftung zur Förderung von Wissenschaft, Erziehung, Volks- und Berufsbildung" mit Sitz in Frankfurt am Main gegründet. 97,5 Prozent der Anteile der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH wurden in diese Stiftung eingebracht. Seit 1998 ist dieses Kapital nicht mehr unternehmerisch gebunden.
Diesen Pressetext sowie den aktuellen Tätigkeitsbericht der Stiftung können Sie im Netz herunterladen: www.ghst.de
Pressekontakt:
Gemeinnützige Hertie-Stiftung,
Information und Kommunikation, Claudia Finke
Tel.: 069 - 660.756.143 und 0170 - 27.26.975, FinkeC@ghst.de
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