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Bisher unbekannte Episode deutscher Technikgeschichte
Telepolis: Code-Knacker im Zweiten Weltkrieg entwickelte Computer-Vorläufer

Hannover (ots)

Telepolis-Autor Klaus Schmeh veröffentlicht unter
www.telepolis.de ein bisher unbekanntes, spannendes Stück
Technikgeschichte des Dechiffrierers Reinold Weber, der im Zweiten
Weltkrieg das US-Geheimcode TELWA entschlüsselte und eine
Dechiffriermaschine zum Knacken von M-209-Nachrichten baute.
Dass deutsche Dechiffrier-Spezialisten im Zweiten Weltkrieg
Geheimcodes der Alliierten entschlüsselten, war selbst Experten bis
vor einigen Jahren nicht bekannt. Laut Bericht des ehemaligen
Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik
(BSI), Dr. Otto Leiberich, knackten die Deutschen im Zweiten
Weltkrieg die US-Verschlüsselungsmaschine M-209. Diese Ausführungen
dienten dem Telepolis-Autor Klaus Schmeh als wichtige
Informationsquelle, als er sein vor kurzem erschienenes Buch "Die
Welt der geheimen Zeichen - Die faszinierende Geschichte der
Verschlüsselung" verfasste. Als er Auszüge dieses Buches bei
Telepolis vorab veröffentlichte, führte dies zu einer kleinen
Sensation: Ein 84-jähriger Mann aus Frankfurt meldete sich bei ihm
und berichtete, im Zweiten Weltkrieg am Knacken der besagten
US-Verschlüsselungsmaschine M-209 beteiligt gewesen zu sein.
Der 1920 in Österreich geboren Reinold Weber, der sechs Jahre
seiner Kindheit in den USA verbracht hatte, wurde 1941 zur Wehrmacht
eingezogen. Aufgrund ausgezeichneter Englisch-Kenntnisse wurde er
erst als Nachrichten-Dolmetscher und später als Entzifferer
ausgebildet. Eingesetzt in der Dechiffrier-Einheit FNAST5, gelang es
ihm, den TELWA-Code von US-Funksprüchen zu entschlüsseln und auch
Maschinenschlüssel zu entziffern. In dieser Zeit knackten Weber und
seine Kollegen die Codes der US-Verschlüsselungsmaschine M-209 und
fingen brisante Informationen ab. So gab es immer wieder Hinweise auf
bevorstehende Bombardierungen deutscher Städte, die meist etwa sechs
bis acht Wochen vor der Durchführung in Funksprüchen angekündigt
wurden. Welche Gegenmaßnahmen das deutsche Militär mit Hilfe dieser
Informationen traf, erfuhr Weber jedoch nie.
Im April 1944 kam Weber auf die Idee, eine Maschine zu bauen, die
einen Teil der mühsamen Entzifferungsberechnungen automatisieren
sollte. Die Firma Hollerith, später IBM, fällte eine positive
Beurteilung, erklärte aber der Bau einer solchen Maschine dauere etwa
zwei Jahre. So machte sich Weber mit einem Kollegen allein ans Werk.
Sie schufen eine Maschine, die aus zwei Kästen bestand: einem in der
Größe eines Schreibtisches, der die Relais und die vier Drehwalzen
enthielt, sowie einem weiteren Kasten mit 80 x 80 x 40 cm
Kantenlänge. Letzterer Kasten enthielt 26 mal 16 Birnenfassungen, mit
denen sich mit Hilfe von Birnen die Buchstaben der relativen
Einstellung nachbilden ließen. Damit schrieben Weber und sein Kollege
ein interessantes Stück Technikgeschichte, denn ihre Konstruktion
hatte mit ihrer Binärlogik bereits viele Gemeinsamkeiten mit einem
Computer. Dabei war der Computer zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht
erfunden, wenn man von der ebenfalls zur Dechiffrierung entwickelten
britischen Maschine Colossus absieht, die etwa zur gleichen Zeit
entstand.
Mitte September 1944 konnte Weber erstmals die Stärke seines
Computervorläufers unter Beweis stellen: Während eines Nachtdiensts
ermittelte er mit seiner Maschine - ohne die Unterstützung seiner
Kollegen - den Schlüssel M209. Was ohne Maschinenhilfe für ein
Dreierteam mindestens eine Woche Arbeit bedeutet hätte, schaffte er
innerhalb von etwa sieben Stunden. Anfang 1945, Weber war über
mehrere Umwege in Salzburg gelandet, wollte er seine
Dechiffrier-Maschine wieder einsetzen. Es fehlte jedoch die
notwendige Funktechnik. Das Gerät erwies sich als nutzlos. Sein
Vorgesetzter befahl daher, die Maschine zu vernichten. Mit Pickel,
Beil, Hammer und Stahlsäge verschrottete Weber daraufhin das Gerät,
dessen Konstruktion ihn mehrere Monate lang beschäftigt hatte.
Damit verschwand ein historisch äußerst interessanter
Computer-Vorläufer wieder von der Bildfläche. Bis heute wird dieses
Gerät in keiner Literaturquelle zur Computer-Geschichte erwähnt. Erst
die Telepolis-Veröffentlichung eines Kapitels aus dem besagten Buch
"Die Welt der geheimen Zeichen - Die faszinierende Geschichte der
Verschlüsselung" brachte Weber dazu, sein bisheriges Schweigen zu
beenden. Er gab seine Niederschrift aus dem Jahre 2000 an den Autor
des Buchs weiter, der daraufhin diesen Artikel verfasste.
Telepolis-Mitarbeiter Klaus Schmeh arbeitet als Produktmanager für
Verschlüsselungslösungen bei der cv cryptovision in Gelsenkirchen
(www.cryptovision.com). Im Nebenberuf schreibt er über Bücher und
Artikel über das Thema Kryptologie (Lehre der Verschlüsselung).
Den vollständigen Artikel finden Sie unter der URL:
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/18371/1.html
Ihr Ansprechpartner für Rückfragen:
Florian Rötzer
Redaktion Telepolis
Telefon: +49 [0] 89 42 71 86-0
Fax: +49 [0] 89 42 71 86-10
E-Mail:  florian.roetzer@heise.de
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ots-Originaltext: Telepolis
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