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Börsen-Zeitung: Finanzplatzdrama, Kommentar von Carsten Steevens zum Konflikt zwischen der hessischen Landesregierung und den hessisch-thüringischen Sparkassen um das geplante Sparkassengesetz

29.11.2005 – 20:27

Frankfurt (ots)

Dem Finanzplatz Frankfurt könnte ein Drama in
mehreren Akten bevorstehen. Zwar ist gerade erst der Prolog vorbei,
Steigerung, Höhepunkt und erst recht der Ausgang – eine Katastrophe?
– lassen sich allenfalls erahnen. Und noch wäre, was sich so mancher
der Beteiligten vielleicht schon zu Weihnachten wünschen mag, eine
Eskalation zu verhindern. Doch haben die eingeführten handelnden
Personen frontal und öffentlich ihre Stellungen eingenommen, der
dramatische Konflikt kündigt sich an.
Die Protagonisten sind auf der einen Seite Ministerpräsident Koch
und die hessische Landesregierung, auf der anderen die hessisch-
thüringischen Sparkassen und – so hoffen und erwarten sie es – mit
ihnen gemeinsam die Kommunen als ihre Träger. Die Regierung, die sich
2001 für rund 300 Mill. Euro an der Landesbank Hessen-Thüringen
(Helaba) beteiligte, will Anteile an Sparkassen handelbar machen,
allerdings nur im öffentlich-rechtlichen Rahmen. Künftig könnte es
der Helaba also erlaubt sein, nach dem 725 Mill. Euro teuren
„Notkauf“ der angeschlagenen Frankfurter Sparkasse (Fraspa) in diesem
Jahr noch andere Institute im Rhein-Main-Ballungsraum unter ihr Dach
zu nehmen.
Die Sparkassen, die mit 85% an der Helaba beteiligt sind und
insofern ein Wörtchen mitzureden haben, lehnen solche weiteren
vertikalen Verbindungen, die in diesem Fall auf einen öffentlich-
rechtlichen Großkonzern am Finanzplatz hinausliefen, jedoch ab. Aus
gutem Grund: Sie verlören ihren Charakter als eigenständige, lokal
verwurzelte und kommunal angebundene Kreditinstitute.
Zur wahren Tragödie für die Institute würde das Hessen-Schauspiel
aber erst dann, sollte die Gesetzesnovelle vor der Europäischen
Kommission scheitern. Dass die von Kochs Regierung geplante
Stammkapitalklausel mit begrenztem Erwerberkreis im Fall von Klagen
privater Banken von Brüssel wettbewerbsrechtlich beanstandet wird,
ist möglich. Dann aber wäre es bis zur Privatisierung der Sparkassen
nicht mehr weit.
Diese offene Flanke könnte für die Sparkassen zur Katastrophe im
Finanzplatzdrama werden. Doch so weit wird es wohl nicht kommen.
Unorthodoxe Vorstöße wurden schon an ganz anderen Orten als am
Finanzplatz Frankfurt gestoppt. Bislang gab es für den
Sparkassenverbund noch immer ein Happy End.
(Börsen-Zeitung, 30.11.2005)

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