Deutscher Caritasverband e.V.

Nachhaltige Politik in der Behindertenhilfe gefordert
Europäisches Jahr der Menschen mit Behinderung Herausforderung für deutsche Sozialpolitik

31.01.2003 – 10:13

Freiburg (ots)

Aus Anlass des diesjährigen Europäischen Jahres
der Menschen mit Behinderung erinnert der Deutsche Caritasverband
daran, dass die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft ein Anspruch ist, auf den durch Reden und Aktionen
hingewiesen werden kann, der aber durch aktive nachhaltige Politik
auf Dauer begleitet werden muss.
Der Bundesregierung und dem Beauftragten für die Belange der
Menschen mit Behinderung sind in den vergangenen Jahren wichtige
Gesetze gelungen, die die Lebenssituation behinderter Menschen
grundlegend verbessern sollen. Auch war die Akzeptanz behinderter
Menschen in der Gesellschaft noch nie so ausgeprägt wie zur Zeit.
Viele Menschen mit Behinderung nutzen die durch die Politik
ermöglichte Selbstbestimmung und Beteiligung, so dass von einer
Bürgerrechtsbewegung gesprochen werden kann.
Beim Blick auf diese positive Entwicklung darf aber nicht
übersehen werden, dass noch in vielen Bereichen Handlungsbedarf
besteht, bevor von einer wirklichen Teilhabe gesprochen werden kann.
So hat beispielsweise das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
Schwerbehinderter dazu beigetragen, deutlich mehr schwerbehinderten
Menschen einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Für etwa 200.000 Menschen
in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) hat sich auch die
Einkommenssituation verbessert. Seit einigen Jahren jedoch versuchen
Kostenträger und Politiker, das System der WfbM schleichend
auszuhöhlen, ohne dass es auffällt. Auffallen darf es nicht, weil
dieser Arbeitsbereich bei aller Kritik ohne Alternative ist. Trotz
des Angebots von Integrationsfachdiensten und -firmen bieten nur 
die WfbM  angemessene Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen.
Hier zeigt sich auch, dass der Wunsch nach Teilhabe am Arbeitsleben
kein spezifisches Problem von Menschen mit Behinderung ist: Es sind
die gleichen Ideen und politischen Entscheidungen gefragt, die für
alle Menschen verzweifelt gesucht werden, die nur schwer einen
angemessenen Arbeitsplatz fin-den.
Durch das Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX) wurde zum
ersten Mal die Partizipation von Menschen mit Behinde-rung gesetzlich
verankert. Was ist in den vergangenen eineinhalb Jahren geschehen?
Die Rehabilitationsträger wehren sich nach wie vor, bei der
Entwicklung praktischer Verfahrensfragen Behindertenfachverbände von
Anfang an zu beteiligen. Bei der Früherkennung und -förderung, die
nach dem SGB IX bundeseinheitlich finanziert werden soll, ist man zu
keiner Einigung gekommen. Es scheint darauf hinaus zu laufen, dass
die Kosten für die erforderlichen Leistungen zwischen Krankenkassen
und Sozialhilfeträger hin und her geschoben werden. Hier wird erneut
deutlich, dass Gesetzestexte allein nicht genügen, um ethische und
fachliche Normen zu definieren. Der Gesetzgeber muss auch dafür
sorgen, dass Finanzierungsfragen beantwortet werden.
Noch immer gibt es eine kaum zu überbrückende Kluft zwischen der
ambulanten und der stationären Hilfe: Immer größer wird die Zahl der
Menschen mit Behinderung, die sich wie alle anderen jungen
Erwachsenen von der Nähe ihrer Familie lösen wollen und einen
eigenen, aber dennoch ihrem Hilfebedarf entsprechenden Lebensraum
benötigen. Bisher haben sozial- und behindertenpolitische Fachleute
immer neue Heimplätze geschaffen. Nur nebenbei wurde im Rahmen der 
so genannten Dezentralisierung für Menschen mit geringem Hilfebedarf
eine ambulante Wohnbetreuung organisiert. Erst jetzt, nachdem die
Kommunen massive Finanzierungsprobleme haben, werden neue Gedanken
aufgegriffen. Noch wissen wir nicht, ob das Neue zur Verbesserung der
Effizienz und der Lebensqualität führen wird oder ob einfach nur die
Kosten gesenkt werden sollen.
Der Deutsche Caritasverband sieht auf die Entscheidungsträger in
der Politik eine wahre Sisyphusarbeit zukommen. Er erwartet, dass 
bei allem Engagement in Projekten und Veranstaltungen und den damit
verbundenen Appellen zum Europäischen Jahr der Menschen mit
Behinderung nicht vergessen wird, an den hier beispielhaft
aufgezeigten Aufgaben zu arbeiten. Als Mitgestalter des Sozialstaats
erklärt der Deutsche Caritasverband seine Bereitschaft, an der
Gestaltung einer Politik und Gesellschaft mitzuwirken, an der alle
Menschen mit Behinderung uneingeschränkt teilhaben können. Und das
während des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderung und
weit darüber hinaus.

Pressekontakt:

Deutscher Caritasverband e.V.
Hauptvertretung Berlin
Claudia Beck
Chausseestraße 128a
10115 Berlin
Tel.: 030 / 28 444 778
E-Mail: claudia.beck@caritas.de

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