MEDIENTAGE MÜNCHEN 2007 vom 7. bis 9. November Eröffnung und Mediengipfel Zwischen Public Value und Private Profit Wie geht es weiter mit dem dualen Rundfunksystem?
München (ots)
München - Der Bayerische Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein hat in einer medienpoliti-schen Grundsatzrede zum Auftakt der 21. MEDIENTAGE MÜNCHEN eine Neuausrichtung des Funktionsauftrages für ARD, ZDF und Deutschlandradio gefordert. Die vom Bundesverfassungs-gericht bestätigte Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dürfe nicht als Wachstumsgarantie um jeden Preis verstanden werden. Vor dem Hintergrund des Kompromisses mit der EU-Kommission im so genannten Beihilfe-Verfahren mahnte Beckstein, der aktuelle Kon-flikt um die Online-Angebote von ARD und ZDF (die so genannten Mediathek-Modelle) dürfe nicht eskalieren. Statt erneut die EU-Kommission einzuschalten, sollten alle Beteiligten einen "vernünfti-gen Interessenausgleich" suchen. Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Medientage München und Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), kritisierte in seinem Gruß-wort die Online-Offensive von ARD und ZDF. Er zeigte sich überzeugt, "dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst keinen Gefallen tut, wenn er mitten in einem laufenden Findungspro-zess weiterhin Fakten schafft, weil das Ganze dann letztlich erneut vor der EU-Kommission landen wird". Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), be-zeichnete das Internet als eine "dritte Programmsäule des öffentlich-rechtlichen Systems", die pri-vate Anbieter im Online-Markt gefährde. ZDF-Intendant Prof. Markus Schächter und der ARD-Vorsitzende Fritz Raff erwiderten, das World Wide Web sei nur eine neue Plattform für bereits vor-handene Inhalte und würde von den öffentlich-rechtlichen Anbietern lediglich für programmbeglei-tende Angebote genutzt. Dieses Argument stieß beim Präsidenten des Verbandes Deutscher Zeit-schriftenverleger, Prof. Dr. Hubert Burda, auf wenig Verständnis. Der Vorstandsvorsitzende der Hubert Burda Media wandte ein, mit Online-Inhalten zu Themen wie Garten, Kochen oder Backen würden ARD und ZDF in die Kernbereiche der Verlage eindringen. Gegen Vorwürfe, öffentlich-rechtliche Angebote würden im Internet einen funktionierenden Markt bedrohen, wehrte sich ZDF-Intendant Schächter. Er verwies darauf, dass ARD und ZDF im Inter-net gemeinsam nur einen Marktanteil von 4,8 Prozent erreichten. Den geforderten Verzicht auf ein ZDF-Engagement im Internet lehnte er kategorisch ab. "Das Fernsehen der Zukunft ist IP-TV", nannte ZDF-Intendant Schächter einen weiteren Grund dafür, dass die öffentlich-rechtlichen An-bieter auf das Internet setzen. Auch SES-Astra-Chef Ferdinand Kayser beschrieb ein Szenario, bei dem künftig IP-TV und herkömmliches Fernsehen parallel über einen gemeinsamen Receiver und eine Fernbedienung genutzt werden könnten. Ähnlich kontrovers wie über öffentlich-rechtliche Online-Inhalte wurde beim Mediengipfel der 21. MEDIENTAGE MÜNCHEN über das Verfahren des so genannten Public-Value-Tests diskutiert, mit dem ARD und ZDF spätestens ab 2009 den gesellschaftlichen Mehrwert neuer digitaler Ange-bote nachweisen sollen. Die Intendanten Schächter und Raff betonten, bei dem neuen Verfahren würden auch die Einschätzungen der privatwirtschaftlichen Konkurrenz berücksichtigt, die Ent-scheidung aber müsse schließlich allein bei den Fernseh- bzw. Rundfunkräten liegen. VPRT-Präsident Doetz nannte das Vorgehen beim bereits freiwillig vollzogenen Public-Value-Test für die neue ARD-Mediathek "einen Witz", weil dabei statt auf eine Stellungnahme seines Verbandes le-diglich auf eine VPRT-Presseerklärung zurückgegriffen worden sei. BLM-Präsident Ring forderte, die privaten Anbieter müssten beim Public-Value-Test nicht nur angehört, sondern auch bei einer Entscheidung eingebunden werden. Außerdem empfahl er eine externe Institution, um die Aktivitä-ten von ARD und ZDF zu überwachen. RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt wünschte sich von der Politik, den Funktionsauftrag für ARD und ZDF "quantitativ und qualitativ festzulegen". Während die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Systems beim Mediengipfel ihre Online-Pläne rechtfertigen mussten, sahen sich die Top-Manager der privaten Konkurrenz vor allem mit dem Duopol-Vorwurf konfrontiert. Schließlich mussten RTL Group und ProSiebenSat.1 Media AG erst kürzlich hohe Bußgelder akzeptieren, um ein Verfahren des Bundeskartellamtes wegen möglicher Rabatt-Absprachen im TV-Werbemarkt zu beenden. RTL-Chefin Schäferkordt, deren Unterneh-men 96 Millionen Euro zahlen musste, nannte dies "kein Schuldeingeständnis", sondern ein "pragmatisches Vorgehen". Dr. Herbert Kloiber, geschäftsführender Gesellschafter der Tele Mün-chen Gruppe, erklärte, es sei noch nicht entschieden, ob Anbieter wie sein Unternehmen Tele 5 auf Schadenersatz klagen würden, weil ihnen Werbeeinnahmen entgangen seien. Der ProSieben-Sat.1-Vorstandsvorsitzende Guillaume de Posch ließ das Bußgeld in Höhe von 120 Millionen, das seine Sendegruppe wegen so genannter Shared-Deals bei der Vermarktung von Werbezeiten zah-len muss, unkommentiert. Auf den Vorwurf, sein Konzern werde von ausländischen Finanzinvesto-ren dazu gedrängt, zugunsten einer höheren Rendite bei journalistischen Inhalten zu sparen, erwi-derte er, bei der ProSiebenSat.1-Sendergruppe arbeiteten etwa 400 Journalisten. Zudem stamme etwa die Hälfte des Börsenkapitals der Gesellschafter aus Deutschland (Springer Verlag, Streube-sitz). Einen weiteren Schwerpunkt der von Focus-Chefredakteur Helmut Markwort geleiteten Diskussion bildete das Thema Sportrechte. Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Prof. Dr. Thomas Gru-ber, kündigte an, die nächste Vierschanzentournee werde von ARD und ZDF ausgestrahlt. Unklar sei lediglich noch die Laufzeit des Vertrages. Zum aktuellen Wettbieten um die Fernsehrechte an den Spielen der Fußball-Bundesliga (ab 2009) sagte Gruber, die ARD werde "viel dafür bieten, aber nicht alles", um Zusammenfassungen der Spiele auch weiterhin vor 20 Uhr in der Sportschau zeigen zu können. Der Premiere-Vorstandsvorsitzende Michael Börnicke nannte die Bundesliga-Rechte ein "wichtiges Asset", allerdings dränge sein Unternehmen auch weiterhin darauf, dass Zusammenfassungen im Free-TV erst nach 22 Uhr gezeigt werden dürften. Angesichts des zum Jahresende auslaufenden Kabel-Einspeisungsvertrages zwischen Premiere und der Kabel Deutschland GmbH (KDG) signalisierte Börnicke ebenso wie KDG-Geschäftsführer Dr. Adrian von Hammerstein eine Verlängerung des Vertrages. Im Rahmen der 21. MEDIENTAGE MÜNCHEN diskutieren und referieren bis Freitag mehr als 500 Medien-Experten im Internationalen Congress Center München über aktuelle Themen aus den Bereichen Rundfunk, Print, Internet und Multimedia. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.medientage.de.
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