Textilkette KiK: Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungsverfahren - Verdacht auf strafbare Datenschutzverletzung
Hamburg (ots)
Die Staatsanwaltschaft Dortmund prüft neue Ermittlungen gegen Deutschlands größten Textildiscounter KiK. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Henner Kruse, sagte auf Anfrage von "Panorama", es werde geprüft, ob sich aus dem Bericht des ARD-Magazins ein Anfangsverdacht ergebe, der zu weiteren Ermittlungen führe.
Auslöser sind die Recherchen von "Panorama". Danach hatte die Firma KiK über mehrere Jahre systematisch die persönlichen Vermögensverhältnisse ihrer vielen tausend Mitarbeiter ausgeforscht. Dies geschah nach Recherchen des ARD-Magazins mit dem Ziel, sich von ihnen zu trennen, wenn sie in massiven finanziellen Schwierigkeiten steckten. Guido Hagelstede, ein langjähriger KiK-Bezirksleiter, dem bis zu 15 Filialen und mehr als 100 Mitarbeiter unterstanden, schildert in "Panorama", solche Informationen über die Bonität der KiK-Mitarbeiter seien bei der Auskunftei "Creditreform" eingeholt worden. Er selbst, so der ehemalige Bezirksleiter, habe sich auf Anweisung von oben wegen solcher Negativauskünfte von Mitarbeitern trennen müssen oder ihre Verträge nicht verlängern dürfen.
Die Abfragepraxis bezüglich der Bonität von Mitarbeitern wurde offenbar schon wenige Jahre nach der Unternehmensgründung etabliert. Dem Magazin "Panorama" liegt ein internes Schreiben des für Personal zuständigen KiK-Geschäftsführers Heinz Speet aus dem Jahre 1998 vor. Darin teilte Speet "streng vertraulich" mit, KiK hole "über alle neu eingestellten Aushilfsbeschäftigten eine telefonische Auskunft bei der Creditreform ein". Der damalige KiK-Bezirksleiter Guido Hagelstede wird in dieser schriftlichen Anweisung darauf hingewiesen, dass in seinem Bereich einige Aushilfen "einschlägig bekannt" und deshalb "unverzüglich abzubauen" seien. Das Schreiben nennt konkret eine Frau, die nach KiK-Erkenntnissen einen Offenbarungseid (Eidesstattliche Versicherung) geleistet habe.
Der ehemalige Bezirksleiter Guido Hagelstede schildert in "Panorama", dass KiK sich von jedem Mitarbeiter trennte, der eine "Eidesstattliche Versicherung" oder eine "Haftandrohung" hatte. "Diese Anweisung gab es schriftlich aus der Zentrale." Habe man als Bezirksleiter die Anordnung nicht befolgt, sei man darauf hingewiesen worden, dass man für mögliches Fehlverhalten der betreffenden Mitarbeiter haften müsse. "Man kann nicht für hundert Menschen selbst bürgen. Damit habe ich dann eben diese Kündigungen aussprechen müssen." Meistens habe er während der Probezeit gekündigt oder befristete Arbeitsverhältnisse auslaufen lassen. Problematisch sei es auch gewesen, Mitarbeitern zu kündigen, die bereits im Kündigungsschutz waren. "Es war immer so, dass man sich dann irgendetwas aus den Fingern saugen musste." Viele Mitarbeiterinnen hätten geweint, "weil sie gar nicht wussten, was los ist." Bezirksleiter Guido Hagelstede betonte, es sei von der KiK-Führung verboten worden, den Betroffenen den wahren Grund für die Trennung zu sagen.
Von "Panorama" auf den Zusammenhang von Creditreform-Anfragen und anschließender Trennung von Mitarbeitern angesprochen, antwortete die KiK-GmbH schriftlich: "Das von Ihnen angeführte Verfahren wird bei KiK nicht mehr praktiziert." Ferner teilt KiK mit, "seit Oktober 2009 nicht mehr mit der Creditreform und auch mit keiner anderen Wirtschaftsauskunftei" zusammenzuarbeiten. Weitere Details teilte das Unternehmen auch auf Nachfrage nicht mit.
Im vorigen Jahr hatte die Staatsanwaltschaft Dortmund schon einmal vergeblich gegen KiK wegen vergleichbarer Vorwürfe ermittelt. Laut Bundesdatenschutzgesetz ist es strafbar, persönliche Daten von Mitarbeitern mit der Absicht zu besorgen, ihnen systematisch zu schaden. Obwohl der Discounter allein in den Jahren 2008 und 2009 in mehr als 49.000 Fällen die Vermögensverhältnisse seiner Mitarbeiter bei Creditreform abgefragt hatte, konnte die Staatsanwaltschaft keine Schädigungsabsicht nachweisen. "Wir hätten beweisen müssen, dass KiK systematisch die Mitarbeiter aussiebt, die eine schlechte Creditreform-Auskunft haben, und das war nicht beweisbar", so die Dortmunder Oberstaatsanwältin Ina Holznagel. Im März 2010 wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt.
Mit den Recherchen von "Panorama" könnte das Verfahren nun wieder aufgenommen werden. Sie bestätigen, dass die Abfragen offenbar das Ziel hatten, verschuldete Mitarbeiter loszuwerden, ihnen damit also zu schaden.
"Panorama": Donnerstag, 22. Juli, 22.00 Uhr, Das Erste
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