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Geis: Mit dem Kopf durch die Wand

01.12.2000 – 10:26

Berlin (ots)

Zu der ersten Lesung des Regierungsentwurfes zur
Justizreform erklärt der rechtspolitische Sprecher der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Geis MdB:
Heute berät der Deutsche Bundestag in erster Lesung die
Regierungsvariante des schon im Sommer eingebrachten
Koalitionsentwurfes zur Justizreform. Wer gehofft hatte, die guten
Ratschläge der Fachverbände und die Diskussion auf dem Juristentag
hätten zu einer größeren Einsicht bei Frau Ministerin Däubler-Gmelin
geführt, sieht sich getäuscht. Die Frau Ministerin will partout gegen
den Rat der Anwaltschaft, gegen weite Teile der Richterschaft und
gegen den Rat der Wissenschaft, koste es, was es wolle, mit dem Kopf
durch die Wand. Dies nicht nur zum Schaden der Justiz, sondern auch
zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger und zum Schaden der
Rechtskultur.
Die Justizministerin behauptet, durch ihre Reform würde die Justiz
bürgernäher und effizienter werden. Das Gegenteil ist richtig. Wir
haben bereits eine in höchstem Maße effiziente Ziviljustiz. Beim
Amtsgericht dauert ein Verfahren im Durchschnitt nicht länger als
vier Monate. Bei den Landgerichten sind es in 1. Instanz sechs
Monate. In der Berufungsinstanz sind es beim Landgericht sowie beim
Oberlandesgericht in der Regel ebenfalls nur sechs Monate.
Effizienter geht es nicht. Wir sind damit Spitze in Europa. Auch die
Behauptung, die Reform bringe mehr Bürgernähe, Bürgerfreundlichkeit
und Transparenz des Verfahrens, ist falsch. Unsere Justiz ist
bürgernah. Sonst würden sich nicht so viele Menschen jährlich an die
Justiz wenden, um dort Rechtsschutz zu erlangen. Das beweisen die
jährlich hohen Eingangszahlen.
Durch die Reform aber wird die Bürgernähe und Effizienz der Justiz
verlorengehen. Die Prozesse werden formalistischer, teurer. Es gibt
weitere Wege und weniger Einzelfallgerechtigkeit. Die erster Instanz
wird maßlos überfrachtet und in zweiter Instanz ist der Sachvortrag
stark beschnitten. Hinzukommt, dass die zweite Instanz beim heutigen
Oberlandesgericht angesiedelt sein wird, was weite Wege mit sich
bringt und mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die Kosten werden steigen.
Bei einem Streitwert von 1500,-- DM stehen die Kosten dann in keiner
Relation mehr zur Sache. In der Praxis wird es deshalb weniger
Berufungsverfahren geben. Das aber führt zu einem Verlust an
Rechtsschutz, vor allem für den kleinen Mann, bei dessen Prozessen es
ja in der Regel um kleinere Streitwerte geht. Die Justiz verliert so
an Effizienz und Bürgernähe.
Der Entwurf sieht die Einführung des Einzelrichters in fast allen
Bereichen und die faktische Abschaffung der Zivilkammern vor. Das
bedeutet ebenfalls weniger Rechtsschutz. Das Mehraugenprinzip in
einer Kammer hat große Vorteile. Es stärkt die Kontrolle der Richter
untereinander. Die Kammern haben sich in hohem Maß bewährt. Es ist
schon erstaunlich: Alle Welt sieht in der Teamarbeit den großen Wurf,
nur bei der Regierung und der Koalition ist diese Erkenntnis noch
nicht angekommen. Dafür aber herrscht die Basta-Politik. Das Argument
zählt nicht mehr.
Die Frau Ministerin will das Eingangsgericht durch sog.
sozial-kompetente Richter stärken. Was immer das auch heißen mag,
dahinter verbirgt sich ein falsches Verständnis von unserer Justiz.
Vor dem Richter und dem Gesetz sind alle gleich: Der Reiche und der
Arme, der Starke und der Schwache. Vor Gericht geht es in erster
Linie um das Recht und um die Durchsetzung des Rechts. Der soziale
Ausgleich ist Sache der Politik. Sache der Justiz ist es, dafür zu
sorgen, dass das Recht Geltung hat.
Die Anwaltschaft und weite Teile der Richterschaft, diejenigen
Verbände also, die sich täglich in der Praxis der Justiz befinden,
lehnen dieses Reformvorhaben ganz entschieden ab. Die Union fordert
eine grundlegende Änderung dieses Reformvorhabens. Wir werden in gar
keinem Fall einer Reform zustimmen, die unsere Rechtskultur zerstört.

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