"Merkel entspricht der Figur des Zauderers im machiavellischen Sinn"
Hamburg (ots)
Politikwissenschaftler Herfried Münkler erklärt, was Politiker in der EU-Krise von Machiavelli lernen können - und wirft der Philosophie Weltfremdheit vor / Neues Philosophie-Magazin HOHE LUFT ab 17. November 2011 - dem UNESCO-Welttag der Philosophie
Als Berater, Diplomat und Beamter stand Niccolò Machiavelli (1469-1527) im Dienste der Republik Florenz, die zu seinen Zeiten die erste Schulden- und Bankenkrise modernen Typs erlebte. Lassen sich Machiavellis politische Prinzipien auf die heutige Krise anwenden? Würde Machiavelli Griechenland pleite gehen lassen? "Machiavelli dachte, dass unter solchen Umständen schnelle und womöglich schmerzliche Lösungen besser sind als das Sicheinlassen auf ein langes Siechtum. Seine Präferenz wäre Amputation", sagt Herfried Münkler, Professor für Politische Theorie an der Humboldt-Universität zu Berlin, im Gespräch mit dem Philosophie-Magazin HOHE LUFT (ab morgen erstmals im Handel).
Die heutige Politik neige dazu, "Vorgänge zu beplanen", sagt Münkler: "Wir haben in hohem Maße verlernt, mit dem Unvorhergesehenen umzugehen." Die Beschäftigung mit Machiavelli sei ein "Therapeutikum gegen das naive Vertrauen auf Pläne und eine Politik ihrer schrittweisen Umsetzung." Münkler kritisiert die politische Klasse, die im Umgang mit der Ungewissheit "überfordert" sei. "Wir haben heute das Problem, dass die Leute relativ jung in die Politik gehen und dann vor allem mit Machtsicherung beschäftigt sind. [...] Ich meine das Vordringen der typischen Abteilungsleiter in die erste Reihe, die Verwechslung von Minister und Ministrant. Das kann man gerade bei den FDP-Politikern ganz gut beobachten", so der Berliner Wissenschaftler. Angela Merkel sei eine "neostoische Politikerin": "Frau Merkel entspricht sicherlich der Figur des Zauderers im machiavellischen Sinn. Merkel ist die Personifikation des Versuchs, Situationen nicht durch Handeln, sondern durch Rechnen in den Griff zubekommen. Die Krise des Euro und des gegenseitigen Vertrauens aber erfordern ein sehr viel entschlosseneres und mutigeres, um nicht zu sagen: kühnes Handeln. Das, was jetzt allgemein 'die Märkte' heißt, lässt sich ganz offenbar nicht ausrechnen. Man muss ihnen entschlossen gegenübertreten, sie 'schlagen und stoßen', wie es Machiavelli für den Umgang mit Fortuna gefordert hat."
Im Gespräch mit HOHE LUFT wirft Münkler der Philosophie Weltfremdheit vor. Die Philosophie sei zum "Fluchtort vor einer schlechten politischen Wirklichkeit geworden, zum Ort der Glasperlenspiele." "Die Folge ist, dass die Deutschen, Politiker und Philosophen gleichsam Arm in Arm, die Welt staunend betrachten und damit beschäftigt sind, sie immer wieder neu zu interpretieren, sodass sie eigentlich schon unfähig sind, in ihr zu handeln. Insofern ist die Philosophie ideologischer Ausdruck der gegenwärtigen Wirklichkeit." Man könne sehen, so Münkler, "wie sich der kritische Geist aus dem Politikbetrieb zurückzieht und mit einer Mischung aus Häme und Selbstzufriedenheit aus dem Feuilleton heraus das Politikgeschehen kommentiert." Die Philosophie müsse wieder "stärker heranrücken an die wirklichen Herausforderungen von Politik und Gesellschaft, um politische Relevanz zu bekommen - und um das Reflexionsniveau der politischen Klasse zu heben", sagt Münkler im HOHE LUFT-Interview.
Pünktlich zum UNESCO-Welttag der Philosophie am 17. November 2011 erscheint das neue Philosophie-Magazin HOHE LUFT aus dem EMOTION-Verlag Inspiring Network. HOHE LUFT ist für alle, die Lust am Lesen und Denken haben. Chefredakteur ist Thomas Vasek. Das 100-seitige Heft kostet 8 Euro und ist ab morgen drei Monate im Handel erhältlich.
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