Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung fordert in der ZEIT: Kanzler soll sich für Lohnsenkungen im Osten stark machen
Hamburg (ots)
Zehn Jahre nach der deutsch-deutschen Wirtschafts- und Währungsunion empfehlen Ökonomen unterschiedliche Rezepte, um den stockenden Aufholprozess Ostdeutschlands wieder voranzubringen. Für deutliche Lohnsenkungen in den neuen Ländern hat sich Hans-Werner Sinn, der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, in der Wochenzeitung "DIE ZEIT" ausgesprochen. Zwar lägen die Löhne im Osten nur bei etwa 72 Prozent des Westniveaus, aber die Produktivität erreiche nur 55 Prozent der Westleistung. Sinn schlägt vor, die Ost-Beschäftigten im Gegenzug für Lohnabschläge am Betriebsvermögen zu beteiligen. "Dafür müsste sich ein Bündnis für Arbeit einsetzen, das müsste der Kanzler zur Chefsache machen", sagte Sinn gegenüber der "ZEIT".
Demgegenüber warnt Rüdiger Pohl, der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), vor Lohnsenkungen, die zur Abwanderung von qualifizierten Fachkräften aus dem Osten führen könnten. Wichtiger als eine Lohnsenkung sei die Differenzierung von Löhnen. Unternehmer im Osten müssten die Chance haben, besonders qualifiziertem Personal attraktive Gehälter zu bieten, auch wenn sie im Gegenzug bei anderen Mitarbeitern sparen müssten. Angesichts deutlicher Unterschiede beim Wirtschaftswachstum einzelner Regionen innerhalb der fünf neuen Länder äußerte IWH-Präsident Pohl gegenüber der ZEIT außerdem die Erwartung, "dass in zehn Jahren niemand mehr von Ostdeutschland sprechen wird, denn damit wirft man zu viel Verschiedenes in einen Topf".
Karl-Heinz Paqué, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Magdeburg, sieht in den neuen Ländern sogar den marktwirtschaftlich flexibelsten Teil der Bundesrepublik. "Der Flächentarifvertrag ist tot", sagte Paqué gegenüber der ZEIT und bezeichnete den Osten als "das Amerika Deutschlands".
Diese Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 27/2000 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 29. Juni 2000 ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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