Experten fordern leichteren Zugang für Flüchtlinge zum Arbeitsmarkt
Berlin (ots)
:: Kommission der Robert Bosch Stiftung veröffentlicht Abschlussbericht zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik :: Experten raten zu vereinfachter Arbeitsaufnahme für Asylsuchende durch Zeitarbeit und Überarbeitung der derzeitigen Vorrangprüfung :: Kommissionsvorsitzender Armin Laschet: "Flüchtlingen schnell und unkompliziert Wege in Ausbildung und Arbeit zu eröffnen, ist die beste, weil nachhaltigste Integrationspolitik."
Den Behörden fehlen derzeit belastbare Informationen über die schulischen und beruflichen Qualifikationen von Flüchtlingen, um sie schnell und gezielt in den Arbeitsmarkt vermitteln zu können. Zu diesem Ergebnis kommt der Abschlussbericht der Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik, der heute in der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt wurde. Die Experten empfehlen darin, die Kompetenzen von Flüchtlingen mittels eines mehrstufigen Systems frühzeitig zu erfassen und anschließend auf einer zentralen Datenplattform allen beteiligten Behörden zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus müsse die Arbeitsaufnahme für Flüchtlinge weiter vereinfacht werden, beispielsweise durch den Zugang zu Zeitarbeit für alle arbeitsberechtigten Asylbewerber und die Überarbeitung der derzeitigen Vorrangprüfung für Asylsuchende. Diese führe aktuell dazu, dass Flüchtlinge selbst dann nicht beschäftigt werden können, wenn es keinen bevorrechtigten deutschen Arbeitssuchenden für die Stelle gibt.
"Flüchtlingen schnell und unkompliziert Wege in Ausbildung und Arbeit zu eröffnen, ist die beste, weil nachhaltigste Integrationspolitik", sagt Armin Laschet, Vorsitzender der Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik.
Vermeidbare Doppelstrukturen und ungenütztes Potenzial
Weiteren Reformbedarf sieht die Kommission im Bereich der Arbeitsverwaltung. Dort komme es aufgrund der derzeitigen Regelung zu vermeidbaren Doppelstrukturen bei Arbeitsagentur und örtlichen Jobcentern. Außerdem sollten bereits bestehende arbeitsmarktpolitische Förderinstrumente wie berufliche Weiterbildungen oder Vermittlungsgutscheine für private Arbeitsvermittler auch für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive voll eingesetzt werden. Gleiches gelte für die Berufsausbildung: Auch hier sollten alle Fördermöglichkeiten bereits zu Beginn der Ausbildung zugänglich sein und nicht erst wie bisher nach 15 Monaten. Für die Dauer der Ausbildung empfehlen die Experten eine Aufenthaltserlaubnis statt der bisher vorgesehenen Duldung. Weitere Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge könnten auch durch Existenzgründungen entstehen. Dieses Potenzial wird nach Einschätzung der Kommission bislang nur unzureichend genutzt.
Zwischen Zugang, Aufnahme, Asylverfahren, Anerkennung oder Rückführung
Der jetzt vorliegende Abschlussbericht der Robert Bosch Expertenkommission orientiert sich im inhaltlichen Aufbau am Ablauf einer Flüchtlingsbiographie und den daraus resultierenden Schritten von Zugang, Aufnahme, Asylverfahren, Anerkennung oder Rückführung bei Nichtanerkennung. Er entstand zwischen März 2015 und Februar 2016 und bündelt die Ergebnisse der einjährigen Kommissionsarbeit. Neben den bereits erschienen Dossiers Sprache, Bildung, Wohnen und Gesundheit enthält der Bericht Handlungsempfehlungen zu den Themen Arbeitsmarkt, Zugangsmöglichkeiten, Asylverfahren sowie Rückkehr und Abschiebung.
Zum Abschluss der Beratungen erklärt Armin Laschet: "Unser Land hat im letzten Jahr einen enormen Sprint bei der Unterbringung und Versorgung Hunderttausender Flüchtlinge geleistet. Der Marathon der Integration liegt größtenteils noch vor uns. Dafür kommt es auf Zusammenhalt und Ausdauer an. Es gibt keine Patentlösung, aber viele gute Ideen, die in politische Konzepte überführt werden müssen. Die Expertenkommission will einen Beitrag dazu leisten, wie wir es schaffen können - für die Politik, für die Gesellschaft, für unser Land."
Uta-Micaela Dürig, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung: "Die gestiegenen Zuwanderungszahlen und die schnelllebige Debatte erhöhen die Notwendigkeit, parallel eine langfristige Konzeption zu entwickeln, damit unsere Gesellschaft die Herausforderungen der Flüchtlingszuwanderung erfolgreich meistern kann. Deshalb haben wir Experten und Entscheider aus unterschiedlichen Bereichen an einem Tisch zusammengebracht. Über ein Jahr lang haben sie konstruktiv über sinnvolle Maßnahmen diskutiert und wirkungsvolle Lösungsansätze entwickelt. Diese Arbeit war aufgrund der hohen Veränderungsdynamik in den vergangenen Monaten nicht leicht. Für diese erfolgreiche und wertvolle Arbeit bedanken wir uns bei allen Kommissionsmitgliedern."
Mit der im März 2015 einberufenen Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik unter Vorsitz von Armin Laschet hat die Stiftung zehn hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammengebracht, um konkrete Handlungsoptionen und Reformvorschläge für die deutsche Flüchtlingspolitik zu entwickeln. Über Anhörungen, Gespräche und Gutachten hat die Kommission bedarfsorientiert wissenschaftliche, politische und ethische Expertise von Akteuren und Experten in ihre Arbeit eingebunden und sich dabei als parteipolitisch unabhängiger Berater verstanden.
Mitglieder der Kommission sind - Armin Laschet (Vorsitz), Stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und ehemaliger Integrationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen - Heinrich Alt, Bundesagentur für Arbeit - Günter Burkhardt, Geschäftsführer Pro Asyl - Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände - Dr. Michael Griesbeck, Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg - Prof. Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach - Dr. Ulrich Maly, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg und Vize-Präsident des Deutschen Städtetags - Bilkay Öney, Ministerin für Integration des Landes Baden-Württemberg, Stuttgart - Roland Preuß, Süddeutsche Zeitung - Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks - Prof. Dr. Christine Langenfeld, Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (Gast)
Den Abschlussbericht finden Sie unter www.bosch-stiftung.de/fluchtundasyl
Die Robert Bosch Stiftung gehört zu den großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Europa. Sie investiert jährlich rund siebzig Millionen Euro in die Förderung von ca. 800 eigenen und fremden Projekten aus den Gebieten der Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft und Kultur sowie Gesundheit und Wissenschaft. Insgesamt hat die Stiftung seit ihrer Gründung 1964 mehr als 1,2 Milliarden Euro für ihre gemeinnützige Arbeit eingesetzt.
Die Robert Bosch Stiftung setzt die gemeinnützigen Ziele des Firmengründers und Stifters Robert Bosch (1861-1942) fort. Sie hält rund 92 Prozent der Geschäftsanteile an der Robert Bosch GmbH und finanziert sich aus den Dividenden, die sie aus dieser Beteiligung erhält. Die Stiftung hat ihren Sitz im ehemaligen Stuttgarter Wohnhaus von Robert Bosch. Dort und in ihrer Berliner Repräsentanz beschäftigt sie rund 140 Mitarbeiter.
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