Schwäbische Zeitung: Triumph mit Haken - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Die Machtprobe ist bestanden. Kanzlermehrheit. Worüber wurde im Vorfeld zu Recht oder Unrecht spekuliert. Hat die Kanzlerin ihren Laden noch im Griff? Wofür steht die FDP? Schafft Merkel eine eigene Mehrheit? Ist ein mögliches, schlechtes Abstimmungsergebnis das Ende von Schwarz-Gelb? Ganz nüchtern betrachtet kann Merkel für einen Moment aufatmen. Die Vertrauensfrage, das Folterinstrument für unwillige und von der Mehrheitsmeinung abweichende Koalitionsabgeordnete, musste Merkel anders als ihre Vorgänger Brandt, Schmidt, Kohl und Schröder noch nicht einmal einsetzen. Mehrere Parlamentarier waren auf die eine oder andere Weise ins Gebet genommen worden. Es gibt Äußerungen, die auf erheblichen und sehr unangenehmen Druck schließen lassen. Die vergangenen Tage waren für Merkel-Getreue eben kein Müßiggang oder Zeit für vornehme Zurückhaltung.
Doch eines sollte klar sein: Mit dem überzeugenden Gesamtvotum des Bundestages - wen interessiert in diesem Zusammenhang das Abstimmungsverhalten der Linken? - ist weder der Euro noch die Regierung gerettet. Druck im Kessel ist weiterhin vorhanden und offen ist, ob er langsam und kontrolliert abgelassen werden kann. Für das Ausland ist wichtig: Merkel verfügt in fundamentalen Fragen über parlamentarischen Rückhalt oder kann ihn zumindest organisieren. Innenpolitisch bleibt der Haken, ob der Rückhalt von Dauer ist. Die FDP ist keine berechenbare Größe. Sie wird sich wieder profilieren müssen, um sich so noch eine Überlebenschance zu erarbeiten. Über das liberale Dauerthema Steuerentlastung darf dann mit Sicherheit geschmunzelt werden, heikler dürfte aber der Mitgliederentscheid in der FDP gegen den Dauer-Rettungsschirm ESM werden. Gelingt es Merkel und den anderen EU-Staaten nicht, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen und so wieder Vertrauen aufzubauen, dann wird es für die FDP-Führung schwierig, die Euro-Skeptiker im Zaum zu halten und den Bestand der Regierung zu garantieren.
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