Schwäbische Zeitung: Ebenso richtig wie unbeliebt - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Angela Merkel hat sich in Davos zu mehr Europa bekannt. Das ist richtig. Ebenso wie ihre Klarstellung, dass die Europaliebe die Deutschen nicht unbegrenzt kosten darf. Merkels Botschaft ist klar: Deutschland hat richtig gehandelt - nun sollen die anderen es dem Primus nachmachen.
Das hören viele nicht gerne, denn bei Eigenlob ist es ein bisschen wie in der Schule. Man möchte dem disziplinierten Streber gern eins auswischen - doch sachlich gibt es wenig zu meckern: Deutschland steht - anders als Camerons Großbritannien - in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitslosenquote gut da. Erkauft hat sich der unbeliebte Musterschüler das mit harten Reformen der Schröder-Zeit und jahrelanger Lohnzurückhaltung. Und die fordert Merkel nun von den anderen.
Deren vermeintliche Alternativrezepte für Wachstum sind keine: Die USA produzieren mit ihren Versuchen, Wachstum per Notenpresse zu erzwingen, Spekulationsblasen auf immer neuen Märkten und schlittern gleichzeitig immer tiefer in die Abhängigkeit von Dollarbillionär China. China wiederum erkauft sich sein Wachstum teuer mit dem Raubbau an Natur und Mensch. Beide Wege können kein Vorbild für Europa sein. Und so bleibt aktuell nur Deutschland, um die EU in der Schuldenkrise mit Zuckerbrot und Peitsche auf Linie zu bringen. Mit dem Dreiklang Verbindlichkeit, (begrenzte) Solidarität und Strukturreformen muss "Madame Non" die EU auf Kurs zwingen - selbst wenn einige Regierungen und ganz Griechenland scheitern.
In Davos verabschiedet sich Merkel endgültig vom 2003 eingeschlagenen Kurs der CDU: Jahrelang hatte die Union das neoliberale Mantra der Marktentfesselung nachgebetet und Finanzmarktsteuern als Teufelszeug gebrandmarkt. Gleichzeitig wuchsen die Staatsschulden immer weiter.
Wenn Merkel nun nachhaltiges Wachstum fordert, trifft sie einen Nerv. Bleibt zu hoffen, das der Begriff Nachhaltigkeit bei der Kanzlerin nicht zu der leeren Worthülse verkommt, die er in vielen Firmenleitbildern längst ist.
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