Schwäbische Zeitung: Hartes Bauernleben - Leitartikel
Leutkirch (ots)
In einer Zeit, in der unverständliche Konstrukte wie Credit Default Swaps die eng vernetzte Weltwirtschaft an den Rande des Abgrunds bringen, sehnen sich viele Menschen nach einfachen Dingen: Einst belächelte Begriffe wie Region oder Heimat sind wieder modern. Magazine, die auf glänzenden Seiten die Liebe und Lust am Ländlichen zelebrieren, erreichen Millionenauflagen. Und der Bauer, der mit eigenen Händen echte Werte wachsen lässt, steigt im Ansehen. Zweifellos haben unsere Landwirte diese Achtung nach Jahrzehnten der Abfälligkeiten verdient: Sie sorgen nicht nur für Nahrung, sondern erhalten auch die unseren Raum prägenden Kulturlandschaften und produzieren erneuerbare Energien. Viele tun das ohne üppige Entlohnung oder lange Urlaube.
Doch der wohltuend gute Ruf der Bauern entspringt oft romantischer Verklärung: Weder sucht auf jedem Bauernhof ein blutjunger Bio-Landwirt eine bereitwillige Braut, wie uns das Fernsehen glauben machen will, noch bevölkern lila Kühe und milchkannentragende Bären das Voralpenland.
Landwirtschaft ist heute hochtechnisierte und - besonders in der Tierzucht - industrialisierte Arbeit. Oft macht sie Lärm und Gestank. In der Realität angekommen, rümpfen manche ins Grüne gezogene Städter die Nase über den spritzenden Güllewagen oder klagen über bis in die Nacht lärmende Mähdrescher.
Es braucht mehr Wissen um und Verständnis für das, was die Landwirte tun und woher unsere Lebensmittel kommen. Was es bedeutet, wenn ein Liter Milch magere 51 Cent kostet und was der Unterschied zwischen einem Apfel aus Neuseeland und einem von hier ist. Die Umfrage zeigt, dass besonders junge Menschen an dieser Stelle noch Nachholbedarf haben. Ein Ansatz ist die Schule. Es muss ja nicht gleich ein eigenes Schulfach her, doch in die Lehrpläne gehört das Landleben auf jeden Fall. Und das Wissen um die Realitäten würde das Ansehen der hart arbeitenden Landwirte noch weiter steigern.
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