Schwäbische Zeitung: Merkel bleibt sich treu - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Sparkanzlerin Merkel hält Kurs: Deutschland sagt weiter Nein zur Vergemeinschaftung von EU-Schulden. Damit wird ein bahnbrechender Erfolg des heute beginnenden EU-Gipfels auf Kosten Deutschlands unwahrscheinlich.
Doch es wird Fortschritte geben in Brüssel, die vor allem dem kleinen Koalitionspartner in Berlin Sorgen bereiten: Die FDP hat sich lange gegen die Finanzmarktsteuer gewehrt. Nun kündigt die Kanzlerin eine an - unter großem Applaus der eigentlich oppositionellen SPD und eisernem Schweigen der Liberalen. Für die gab es vorgestern nur ein verbales Vorab-Leckerli der Regierungschefin: Dass es "solange ich lebe" keine Eurobonds oder Ähnliches geben wird, sagte sie der FDP-Fraktion und sprach der Partei damit aus dem Herzen. Das Zückerchen kann aber nicht über den Machtverlust der Liberalen hinwegtäuschen. Denn Merkel sagt auch: "Europapolitik ist Innenpolitik." Dafür braucht die Kanzlerin klare Mehrheiten in Bund und Land. Die gibt es nur mit der SPD.
Machtarithmetisch hat die Physikerin alles richtig gemacht: In Bundestag, Bundesrat und in der deutschen Bevölkerung steht eine Mehrheit hinter Merkel: Fiskalpakt und ESM-Rettungsschirm dürften morgen beschlossen werden. Und in der EU ist klargestellt: Es geht kaum etwas gegen Deutschlands Willen.
Trotzdem bleibt nach der Regierungserklärung ein schaler Geschmack: Denn Merkel redete technokratisch kühl. Während Europa am Abgrund taumelt und droht, die deutsche Wirtschaft mit hinabzureißen, spult die Kanzlerin ihre Themen ab. Sie hält keine große Rede. Und genau die fehlt: Die von immer neuen Rettungsschirmen, Milliardensummen und Herabstufungen zunehmend gelangweilten Bürger in Deutschland müssen mitgenommen werden, müssen auch auf Opfer eingestimmt werden. Das hat Merkel bislang nicht geschafft. Morgen hat sie erneut die Chance, die Deutschen per Regierungserklärung auf Europa einzuschwören. Dass sie sie nutzen wird, ist leider unwahrscheinlich.
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