Schwäbische Zeitung: Bologna schränkt Studenten ein - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Auf dem Papier klingen die Ziele der Bologna-Erklärung vielversprechend. Ein einheitlicher europäischer Hochschulraum soll die Mobilität fördern, die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Vor zehn Jahren wurden deshalb die Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt. Doch die Realität an deutschen Hochschulen weicht nach wie vor stark von den Vorsätzen ab.
Stichwort Mobilität: Studenten wird gerne mal geraten, erst nach dem Bachelor-Studium ins Ausland zu gehen, weil sich die anderswo erbrachte Leistung schwer anrechnen lässt. Und das, obwohl die Universitäten ironischerweise ihre Leistungspunkte in einem vermeintlich einheitlichen europäischen System erfassen.
Auch die Master-Bewerbung ist ein wahrer Rechtfertigungskrampf: Wie genau sahen die Studieninhalte in Vorlesung X und Seminar Y aus? Direkt nach dem Bachelor in den Beruf? In Bereichen, in denen jahrzehntelang der Diplom-Titel als verlässliches Gütesiegel gehandelt wurde, geht das nach wie vor nicht problemlos.
Dass im deutschen Hochschulwesen Veränderungen notwendig waren, steht außer Frage. Wenn eine kürzere Studiendauer für mehr Hochschulabsolventen sorgt, ist das begrüßenswert. Wenn Studieninhalte überdacht und überarbeitet werden, ist das sinnvoll. Und bestimmt können viele Studierende von verbindlicheren Strukturen profitieren. Aber muss deshalb ein Korsett geschnürt werden, so eng, dass keine Luft zum Atmen bleibt? Der Zeitplan ist so straff, dass zwischen Klausurterminen, Pflichtpraktika und Abgabefristen für Haus- und Projektarbeiten keine Zeit für einen Blick in andere Fachbereiche ist.
Bis zu einem für Studierende, Hochschule und Wirtschaft gewinnbringenden System ist es noch ein weiter Weg. Auch wenn das ständige Nachbessern von Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zermürbend für die Beteiligten ist: Es führt kein Weg daran vorbei. Nur wenn alle Seiten gehört werden, kann ein Erfolgsmodell daraus werden.
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