Schwäbische Zeitung: Lebensmittel-Skandale: Bloß nicht resignieren - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Wir und unser Essen. Das ist zuweilen eine schizophrene Beziehung. Einerseits wissen wir um den Wert artgerecht und in der Nähe erzeugter Lebensmittel. Andererseits schlägt unser Herz höher, wenn wir im Radio Werbung hören, in der das Kilo Schwein für wenige Euro angeboten wird. Das Angebot klingt nur dann wenig verlockend, wenn gerade über Gift im Tierfutter oder falsch deklarierte Bioware berichtet wird.
Doch Vorsicht: Die Geschichte vom Verbraucher, der es billig liebt und deshalb ganz allein für alle Skandale verantwortlich ist, dient gern als Ausrede für Fehler in der Produktion, mangelnde Kontrollen oder gar kriminelle Machenschaften. Die schlimmste Folge dieser allzu einfachen Schuldzuweisung wäre ein Kunde, der aufgibt und sich frustriert in den Gedanken flüchtet: Egal, was ich kaufe, ich kann ja sowieso niemandem trauen. Doch so ist es nicht.
Ja, in Europa fließen Warenströme, über deren Sinnhaftigkeit man diskutieren kann. Öko-Aktivisten kritisieren zum Beispiel regelmäßig, warum westliche Länder ähnliche Mengen an Fleisch exportieren, wie sie importieren. Doch theoretische Ansätze wie diese helfen dem Verbraucher bei seiner aktuellen Ratlosigkeit nicht weiter.
Was soll er jetzt tun? Um die leidige Preisfrage kommt man beim Thema gute Lebensmittel nicht herum. In diesem Zusammenhang sind vielleicht folgende Zahlen interessant: In den 1950er-Jahren gab eine deutsche Familie für ihr Essen 50 Prozent des Einkommens aus. Das war viel. Doch heute kratzen wir nicht einmal mehr an der 20-Prozent-Marke. Die Frage muss sich jeder selbst stellen: Wäre ein bisschen mehr für gutes Essen drin?
Auch etwas Anstrengung ist nötig. Wer zum Beispiel bei der Vielfalt der Bio-Gütesiegel durchblicken will, muss sich informieren. Doch es lohnt sich: Demeter oder Bioland etwa werden von Experten regelmäßig für ihre Anforderungen an die Herstellung gelobt. Hier ist also bei Weitem nicht alles Etikettenschwindel.
Der wichtigste Ratschlag muss also lauten: bloß nicht resignieren.
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