Schwäbische Zeitung: Ende der stillen Diplomatie - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Was sich derzeit in Ungarn abspielt, ist eines EU-Landes schlichtweg unwürdig. Gewaltenteilung, Wahlrecht oder Minderheitenschutz sind keine Eimerchen und Schäufelchen, mit denen sich halbstarke Knirpse im Sandkasten amüsieren dürfen, während die Eltern - sprich die anderen EU-Staaten - leidlich interessiert zuschauen. Gewaltenteilung bedeutet Machtbegrenzung zur Sicherung der Freiheit. Nur so funktioniert Demokratie. In Ungarn gilt das nicht mehr.
Die EU-Kommission muss jetzt gegenüber Budapest Klartext reden und dann auch danach handeln. Das gilt auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU. Ungarns Regierungschef Victor Orban wurde bislang von Deutschlands größter Regierungspartei geschont, gehört seine Partei doch zur konservativen Europäischen Volkspartei (EVP).
Doch die Zeit der stillen Diplomatie muss nun vorbei sein. Weißrussische Verhältnisse in der Europäischen Union sind nicht hinnehmbar. Wenn Deutschland im Zuge der Euro-Stabilisierung immer wieder auf die Einhaltung von zuvor vereinbarten Grundpositionen pocht, dann muss dies erst recht für die politischen Grundpfeiler der Europäischen Union gelten. Erinnern wir uns an die heftigen Reaktionen aus Brüssel auf die Politik des österreichischen rechtsnationalen Populisten Jörg Haider. Im Vergleich zu Orban war der verstorbene Haider ein Waisenknabe. Orban setzt gezielt die Axt an, und zwar an der Demokratie, um so seine persönliche Macht abzusichern. In Ungarn hat er eindeutig den Weg in Richtung Autokratie eingeschlagen, und in Brüssel mimt er den missverstandenen Europäer - der sich ab und zu auch einmal das Eimerchen wegnehmen lässt. Doch nur naive Träumer halten ihn für einen überzeugten Demokraten.
Letztlich müssen sich die Ungarn entscheiden. EU-Mitgliedschaft - also demokratische Wertegemeinschaft, ohne Wenn und Aber - oder politische Isolation. Auch die Europäische Union und ihre politischen Protagonisten müssen ein Machtwort sprechen: Weiterwurschteln geht nicht mehr.
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