Schwäbische Zeitung: Richter üben Richterschelte - Kommentar
Ravensburg (ots)
Justitia soll bekanntlich blind am Werke sein - also Urteile fällen ohne Ansehen der Person. Die Bundesverfassungsrichter haben gestern eine andere Art von Blindheit moniert: Zahlreiche Strafrichter haben demnach nicht recht zur Kenntnis genommen, was im Verständigungsgesetz aus dem Jahr 2009 drin steht. Es geht darin um den sogenannten Deal, also eine Absprache zwischen Richter, Staatsanwalt und Verteidiger zum Zwecke der Verfahrensverkürzung. Die Faustformel lautet: Geständnis des Angeklagten = mildere Strafe = kurzer Prozess.
Allerdings: Der Gesetzgeber hat dabei nicht an windige Geschäfte zwischen Tür und Angel, nicht an informelle Mauscheleien gedacht, sondern an ein geordnetes Verfahren. Ohne Transparenz, Dokumentation und umfassende Belehrung des Angeklagten sind die Absprachen verfassungswidrig, so der klare Befund aus Karlsruhe. Den Strafrichtern wird außerdem aufgetragen, Sachverhalte genauso aufzuklären, wie das in einem normalen Verfahren ohne Absprache geboten ist.
Das Urteil ist eine klare Richterschelte. Ganz offensichtlich sind auch die Damen und Herren in den schwarzen Roben nicht vor Schlendrian gefeit, wenn sie ihre Urteile sprechen. Den Anklägern, also den Staatsanwälten, kommt künftig eine wichtige Kontrollfunktion zu. Gut so.
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