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Schwäbische Zeitung: Leitartikel zu NSU-Prozess: Aus Sturheit wird Verunsicherung

Ravensburg (ots)

Akribischer hat sich ein Gericht wohl selten auf ein Verfahren vorbereitet. Selten wurde so peinlich genau darauf geachtet, bereits im Vorfeld jeden Hauch eines Revisionsgrundes zu vermeiden. Und doch reiht sich seit Wochen Peinlichkeit an Peinlichkeit: Der Prozess gegen die mutmaßliche Mordgehilfin Beate Zschäpe und ihre Unterstützer steht im Zwielicht, obwohl er noch gar nicht begonnen hat.

Wie lässt sich das erklären? Ganz einfach: Die Juristen des Münchner Oberlandesgerichts haben ihre richterliche Unabhängigkeit überreizt. Damit kann nämlich nicht eine in souveräne Willkür mündende Sturheit gemeint sein. Es ist ein starkes Stück, wenn das Verfassungsgericht die Akkreditierungspraxis für die Medien rügen und korrigieren muss. Wie kann eine Lappalie - und nichts weiter ist die Zuteilung von Presseplätzen - ein solches Maß an Verwirrung und Verärgerung heraufbeschwören? Das haben sich die Richter in München wohl gefragt - und es hat sie in gewisser Weise blind gemacht. Die Frage führt nämlich allein durch die Verwendung des Begriffs Lappalie in die Irre.

Kleinigkeiten gibt es in diesem Verfahren nicht. Sicher: Rein strafprozessual ist es eines wie jedes andere, also kein Jahrhundertprozess und schon gar kein politischer Prozess. Aber der Fehler des Oberlandesgerichts liegt in der Ausblendung fast aller Aspekte, die eben nicht in der Strafprozessordnung geregelt sind. Es ist kein politischer Prozess - aber einer mit politischen Dimensionen. Es ist juristisch kein Jahrhundertverfahren - gesellschaftlich schon.

Der Beschluss, den Prozessbeginn auf 6. Mai zu verlegen, entspringt dem Drang, diesmal auf Nummer sicher zu gehen. Andererseits lässt sich daraus eine Verunsicherung des Gerichts ableiten: So weit gingen die Vorgaben aus Karlsruhe nicht. Auf Verunsicherung deutet auch hin, dass in vorauseilender Sorge schon mal das Kreuz im Verhandlungssaal abgehängt worden ist. Niemand hat das verlangt. Alles in allem: Die Souveränität dieser Richter lässt bisher zu wünschen übrig.

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