Schwäbische Zeitung: Seehofer lässt die Muskeln spielen - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Wer es bisher nicht wusste, kann es nun studieren: Horst Seehofer kann beinhart sein. Wenn er und die CSU Schaden fürchten müssen, kennt der Parteichef keine Freunde, schon gar keine Parteifreunde. Nun hat es den vermeintlich mächtigen Chef der Landtags-CSU eiskalt erwischt. Und Seehofer nimmt nicht einmal darauf Rücksicht, dass neben Georg Schmid CSU-Mandatsträger im Dutzend ins Zwielicht kommen, weil sie nahe Angehörige für Steuergeld in ihren Büros beschäftigen.
Offiziell lautet die Version, dass Seehofer von den Vorgängen nichts wusste, die bereits vor einem guten Jahrzehnt flächendeckend für Schlagzeilen sorgten. Damals endete der Streit mit der Übereinkunft, dass Abgeordnete bestehende Arbeitsverträge mit Ehefrauen, Kindern und Geschwistern fortsetzen dürfen.
So weit, so gut. Aber wohl nicht für Seehofer. Der reagierte nicht nur überrascht, sondern auch wutentbrannt, als der Parteienforscher Herbert von Arnim die alte Geschichte nun in einem Buch über das einnehmende Wesen von Politikern neu aufwärmte. Es war wohl auch Volkes empörte Stimme, die den Regierungschef zum Kochen brachte. Außerdem wird in Bayern im Herbst nicht nur ein neuer Landtag gewählt, sondern auch der Bundestag.
Seehofers Fundamentalkritik trifft nicht nur die gesamte CSU, die sich an der Selbstbedienungspraxis über Jahrzehnte nicht störte, sondern auch Gerechte, deren Ehefrauen für ganz normale Gehälter rackerten, auch zum Wohl der Wähler und nicht selten sieben Tage pro Woche. Hier ist ein Mächtiger dabei, sich Feinde fürs Leben zu schaffen, um die Wahlen nicht zu verlieren - und dem bundesweiten Ansehen der Konservativen nicht noch mehr zu schaden als schon geschehen.
Edmund Stoiber, der am Ende seiner Ministerpräsidenten-Karriere nur wenige Freunde hatte, lässt grüßen. Der hatte genug Anstand, den Respekt vor bestehenden Arbeitsverträgen zu wahren - und genug Instinkt den Anschein zu vermeiden, dass seine Vorgänger einen Selbstbedienungsladen führten.
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