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Schwäbische Zeitung: Eine seltsame Entscheidung - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Die bayerische Justiz hat seit geraumer Zeit ein paar Probleme mit ihrer Außendarstellung. Zuerst war da der wenig souveräne Hickhack um die Vergabe der Medienplätze im NSU-Verfahren - dann dieser unselig-unendlich anmutende Fall des Gustl Mollath. Es wundert sich nicht nur der Laie, auch mancher Fachmann schüttelt den Kopf. Andere verweisen gebetsmühlenartig auf die richterliche Unabhängigkeit. Aber wenn diese Unabhängigkeit der Justiz von vielen Menschen nicht mehr als hohes Gut, sondern eher als Selbstzweck wahrgenommen wird, dann ist irgendetwas in Schieflage geraten. Im Fall Mollath kann man diesen Eindruck durchaus gewinnen.

Es kommt extrem selten vor, dass sowohl der Verteidiger eines Verurteilten als auch der Staatsanwalt die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Der ablehnende Bescheid des Landgerichts Regensburg ist kaum vermittelbar. In der Begründung heißt es, das Urteil des Landgerichts Nürnberg, dem Mollath seine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung verdankt, enthalte Sorgfaltsmängel. Aber die reichten nicht aus, um das Verfahren neu aufzurollen. Warum eigentlich nicht? Weil das Gesetz eine Wiederaufnahme nur in engen Grenzen erlaube. Das klingt sehr nach Rechtspositivismus.

Der Jurist und Journalist Thomas Darnstädt hat vor ein paar Monaten ein Buch geschrieben mit dem Titel "Der Richter und sein Opfer". Darnstädt geht von einer erschreckend hohen Zahl an Fehlurteilen aus, und er befürwortet deshalb unter anderem erleichterte Wiederaufnahmeverfahren. Gustl Mollath eignet sich als Kronzeuge für diese Forderung. Man könnte es auch so formulieren: Wenn ein Gesetz die Richter zu Entscheidungen zwingt, welche überwiegend Kopfschütteln auslösen, dann stimmt etwas nicht mit diesem Gesetz. Darnstädt hat in seinem Buch übrigens sehr überzeugend dargelegt, dass Mollath kein Heiliger sei, eher eine zwielichtige Gestalt. Aber die Richter des Landgerichts Regensburg haben jetzt dafür gesorgt, dass das Zwielichtige des Falles erhalten bleibt. Bis auf Weiteres.

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