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Schwäbische Zeitung: Hessische Verhältnisse - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Wenn am Sonntag die Wahllokale schließen, werden alle nach Berlin blicken und wenige nach Wiesbaden. Doch auch in Hessen könnte die Wahlnacht spannend werden, spannender vielleicht als im Bund. Denn während es auf Bundesebene wohl nur noch darum geht, ob es für Schwarz-Gelb reicht oder doch nur für Schwarz-Rot, steht die Entscheidung in Wiesbaden Spitz auf Knopf.

Dort wackelt die vorletzte schwarz-gelbe Landesregierung (neben Sachsen). Der wahlkämpfende Ministerpräsident Volker Bouffier malt das Schreckgespenst Rot-Rot-Grün an die Wand. Das mag in der aktuellen politischen Lage weder im Bund noch in Hessen ein realistisches Szenario sein. Dass SPD-Politiker diese Machtoption immer und immer wieder dementieren müssen, hängt aber auch just mit den hessischen Genossen zusammen. Genauer: Mit ihrer früheren Frontfrau Andrea Ypsilanti. Deren Wortbruch in Sachen Linksbündnis klingt im aktuellen Landtagswahlkampf nach. Schwarz-Gelb warnt genüsslich vor "hessischen Verhältnissen".

Zu diesen hessischen Zuständen gehörte es lange, dass die Gräben zwischen den politischen Lagern hier traditionell tiefer waren als im Rest der Republik; die Rechten sind rechter, die Linken linker. Die Hessen-CDU wurde geprägt durch erzkonservative Männer wie Alfred Dregger und Manfred Kanther; auf der anderen Seite zog Joseph Fischer als turnschuhtragender Bürgerschreck hier ins Umweltministerium ein. In den vergangenen drei Jahren ist die politische Auseinandersetzung versöhnlicher geworden. Das kann sich Bouffier als Erfolg anrechnen.

Rot-Grün hat Schwarz-Gelb in Schleswig-Holstein abgelöst und in Niedersachsen. Käme ein Machtwechsel in Hessen hinzu, hätten SPD und Grüne eine eigene Mehrheit ohne die Linke im Bundesrat. Für Schwarz-Gelb würde das Regieren noch unbequemer, auch wenn es im Bund noch einmal reichen sollte. Wenn also alle am Sonntag nach Berlin blicken, werden zumindest die Politik-Strategen in Berlin ganz genau nach Wiesbaden schauen.

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