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Schwäbische Zeitung: Kommentar zur Flüchtlingspolitik - Nicht nur die Politik hat versagt

Ravensburg (ots)

Nicht nur die Politik versagt

Schande, Skandal: Es fehlt nicht an markigen Worten, wenn über das Schicksal der Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten debattiert wird. Sie sterben zu Tausenden im Mittelmeer, seit vielen Jahren schon, und nichts deutet darauf hin, dass sich an der permanenten Tragödie im Kern etwas ändern wird. Tragödie? Das wäre im klassischen Sinn eine schicksalhafte, unausweichliche Fügung, welche in die Katastrophe mündet. Niemand kann das Unheil aufhalten. Ist es - in dieser strengen Auslegung - tatsächlich tragisch, was den Bootsflüchtlingen widerfährt? Nein, das ist es nicht. Es handelt sich vielmehr um ein menschlich verursachtes und verschuldetes Unheil.

Deshalb lohnt es sich, die Begriffe Schande und Skandal etwas näher zu betrachten. Stehen sie quasi im luftleeren Raum, dann sind sie völlig inhaltslos. Zur Schande gehört ein Subjekt, und auch der Skandal muss zugeordnet werden. Also: Wessen Schande ist dieses Flüchtlingselend? Wer ist für den Skandal verantwortlich? Reflexartig dürfte an erster Stelle die Antwort kommen: Schuld sind selbstverständlich die europäischen Regierungen, die Politiker also. Aber dieser Ansatz ist so bequem wie oberflächlich. Denn die Politik handelt im ureigenen Interesse so, wie sie die breiten gesellschaftlichen Interessen antizipiert. Umgekehrt: Sie wird nichts unternehmen, was auf überwiegende Ablehnung in der Gesellschaft stoßen dürfte. Das gilt im Übrigen für Politiker jeglicher Couleur. Es ist nicht bekannt, dass vor Jahren unter Rot-Grün Afrikaner zu Hunderttausenden aufgenommen worden wären. Fazit: Die vermeintliche Herzlosigkeit der Politik, ihr Versagen in der Flüchtlingsfrage, spiegelt nichts anderes als die Befindlichkeit der Gesellschaften. Wer ist also schuld am Skandal, und wen trifft die Schande? Wie könnte sich etwas ändern?

Angedeutet hat das der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst. Er hat vorgeschlagen, die aufgelassene Benediktinerabtei in Weingarten für syrische Flüchtlinge zu öffnen. Falls es so weit kommt, darf man auf die Reaktionen gespannt sein.

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