Schwäbische Zeitung: Afghanistan eine Perspektive geben - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Die bunten Bilder, die die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim Frühstück mit Bundeswehrsoldaten im Afghanistan-Einsatz zeigen, sind noch keine Woche alt - und schon holt die mörderische Wirklichkeit die Ministerin, die Bundeswehr und die Isaf-Truppen ein. Drei tote Soldaten bei einem Anschlag in Kabul sind zu beklagen. Das Attentat erinnert daran, dass Afghanistan vor einem schwierigen Jahr steht, in dem sich das Schicksal des Landes entscheiden könnte. Schon jetzt gewinnen die Taliban mehr und mehr Macht zurück. Im April stehen Präsidentschaftswahlen an. Ein starker Mann anstelle von Hamid Karsai, der nicht wieder kandieren kann, ist nicht in Sicht. Auch ist völlig unklar, ob nach 2014 überhaupt von der Nato geführte Isaf-Soldaten als Ausbildungs- und Schutztruppe im Land bleiben. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die USA und weitere Nato-Partner zurückziehen, weil sich Präsident Karsai im Streit mit Washington um einen Militärpakt unnachgiebig zeigt. Ohne Militärpräsenz des Westens aber ist die afghanische Armee nicht überlebensfähig und bräche auseinander: Einige der gut ausgebildeten Soldaten könnten zu den Taliban überlaufen, das Land versänke im Chaos. Die internationalen Anstrengungen wären gescheitert. Die mehr als 3200 Opfer unter den Soldaten - allein 54 Bundeswehrangehörige starben seit 2001 - wären vergebens. Um dieses Szenario zu vermeiden und um Afghanistan sichere Zukunftsperspektiven zu bieten, ist die neue Bundesregierung, vor allem der Außenminister und die Verteidigungsministerin, gefragt. Sie müssen bei den Nato-Partnern schnellstens auf eine langfristige Afghanistan-Strategie drängen: Das Land muss weiter stabilisiert werden und vor allem wirtschaftlich auf eigene Füße kommen. Dazu wird die militärische Präsenz - auch die eines zwar kleineren, aber viel besser als bisher ausgestatteten Bundeswehrkontingents - noch für Jahre notwendig sein. Von der Leyen muss sich bald an ihren Versprechen messen lassen.
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